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    Widerspruchsverfahren: Oft gestellte Fragen

    Bei dem doch recht komplexen Widerspruchsverfahren im Zusammenhang mit der amtsangemessenen Alimentation kommen naturgemäß immer wieder Fragen auf.

    Eure DPolG Hamburg möchte hier versuchen, einige Hinweise und Antworten zu geben.

    ➡️ Worum geht es bei den Widersprüchen?

    Das Alimentationsprinzip verlangt, auch die rangniedrigsten Beamten und ihre Familien 15 Prozent über dem grundsicherungsrechtlichen Gesamtbedarf („Sozialhilfe“, “Hartz IV“) zu besolden. Das Bundesverfassungsgericht hat über die Richterbesoldung in Berlin 2015 erstmalig und 2020 detailliert geurteilt.

    Geurteilt wurde, dass die Mindestbesoldung für Beamte (in Hamburg derzeit A4) 15 Prozent über dem Grundsicherungsniveau für Arbeitssuchende liegen muss, bezogen auf eine Bedarfsgemeinschaft von zwei Erwachsenen und zwei minderjährigen Kindern.

    ➡️ Grundsatz: Jede Beamtenfamilie, deren Alleinverdiener dem Staat vollzeitig seinen Dienst leistet, muss besser dastehen als eine vergleichbare Hartz IV-Familie, in der kein Erwachsener arbeitet. Wer für den Staat arbeitet, muss vom Staat mehr bekommen als derjenige, der nicht arbeitet.

    Verglichen werden muss hierbei der Lebensstandard, den die staatlichen Leistungen dem Sozialhilfeempfänger und dem Besoldungsempfänger ermöglichen – nicht allein die ausgezahlten Beträge. Der Grundsicherungsbedarf eines Sozialhilfeempfängers besteht somit aus den Beträgen der Bedarfsgemeinschaft Mann, Frau und zwei Kinder sowie Wohnkosten, Betrag für Bildung und Teilhabe, Kostenersparnis durch Sozialtarife (ÖPNV, Schwimmbad etc.), Kostenbefreiung von Kinderbetreuungskosten sowie Kosten der Gemeinschaftsverpflegung.

    Der Grundsicherungsbedarf eines Sozialhilfeempfängers ist z.B. in Hamburg aufgrund der Wohnkosten besonders hoch.

    Beispiel zur Verdeutlichung aus Köln (NRW): Um die Mindestalimentation (115 Prozent des Grundsicherungsbedarfes von zwei Erwachsenen und zwei Kindern) in Höhe von 40.343,03 Euro zu erreichen, muss die Besoldung dieser „Eckfamilie“ in NRW im Jahr 2020 ein Besoldungsbrutto von etwa 45.600 Euro erzielen. Derzeit liegt das Jahresbrutto in der niedrigsten Stufe dort, A5 Stufe 1, bei 34.233,96 Euro. Das ist ein Fehlbetrag von rund 11.366 Euro pro Jahr, also fast 1.000 Euro pro Monat. Die Bruttojahresbesoldung von 45.600 Euro liegt in NRW bei A10 zwischen Stufe 4 und 5. Das bedeutet, dass alle Besoldungsgruppen unter A10 Stufe 4 verfassungswidrig zu niedrig sind.

    Die verfassungsmäßig richtige Mindestbesoldung wäre in Hamburg unter Berücksichtigung der anerkannten Wohnkosten bei der Besoldungsstufe A 11 in der Stufe 3/4 gegeben.

    Wenn die A-Besoldungstabelle in Hamburg verfassungsmäßig werden soll, müssten die Tabellenwerte prinzipiell und vereinfacht dargestellt vom Feld A11 Stufe 3-4 in das Feld für A4 Stufe 1 verschoben werden. Das Abstandsgebot verlangt, das zwischen den verschiedenen Besoldungsgruppen deutliche Abstände eingehalten werden müssen. Daher müssen die nachfolgenden Besoldungsgruppen entsprechend angehoben werden.

    ➡️ Wer sollte Widerspruch einlegen?

    Alle Beamtinnen und Beamten aller Besoldungsgruppen! Ebenfalls alle Pensionäre. Anwärterinnen und Anwärter sind derzeit nicht betroffen.

    ➡️ Was ist bisher geschehen und wie geht es weiter?

    Im Jahr 2011 hat das Besoldungsanpassungsgesetz in Hamburg zu massiven Kürzungen der Sonderzahlungen („Weihnachtsgeld“) für Beamte und Pensionäre (Versorgungsempfänger) geführt. Zahlreiche Landesbeamte und Versorgungsempfänger haben damals bereits Widerspruch eingelegt. Die Widersprüche wurden im August 2012 negativ beschieden. Daraufhin hat unser Dachverband im öffentlichen Dienst, der dbb (Deutscher Beamtenbund Hamburg) Klage vor dem Verwaltungsgericht Hamburg eingereicht und ein umfangreiches Rechtsgutachten erstellen lassen.

    Das VG Hamburg stellte diese Klagen mit Zustimmung des dbb Ende 2013 ruhend, um die zu erwartende grundlegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (siehe oben) abzuwarten. Der dbb hat eine juristische Prüfung vorgenommen, ob und inwiefern diese Entscheidungen des BVerfG auf die „Hamburger Belange“ beziehbar sind. Die Ruhestellung wurde 2017 aufgehoben und die Verfahren fortgesetzt. Im September 2020 hat das Verwaltungsgericht Hamburg erstinstanzlich verhandelt. Das VG Hamburg hat hierbei einen Beschluss zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht angekündigt, um eine endgültige Entscheidung herbeizuführen, ob die Besoldung und Versorgung in Hamburg verfassungswidrig ist oder nicht!

    Es steht aktuell noch nicht fest, wann es dazu kommt. Sollte das Bundesverfassungsgericht die oben beschriebene Mindestbesoldung auch für Hamburg wie erwartet positiv entscheiden, sind Nachzahlungen in Milliardenhöhe fällig, allein für 2011/2012 ein dreistelliger Millionenbetrag. Dies möchte der Dienstherr/Senat möglichst vermeiden. Daher hat der Senat jetzt eine Notbremsung vollzogen und behauptet, dass sich die damalige Gleichbehandlungszusage und Widersprüche nur auf die Jahre 2011/2012 beziehen. Die Kläger des dbb hatten in ihren beiden Musterklagen jedoch im Vorwege die Widersprüche so ausformuliert, dass es sich dabei nicht nur um die Jahre 2011/2012 handelt, sondern ab 2011 geltend auch für die Folgejahre – ohne Begrenzung.

    Dies will nun auf einmal der Senat nicht mehr gelten lassen und hat in die Bezügemitteilungen für Dezember 2020 einen „wichtigen Hinweis“ bezüglich dieser Formalie aufgenommen und die Ansprüche der Beamtinnen und Beamten ab dem Haushaltsjahr 2013 als nicht existent betrachtet. Dies stellt einen klaren politischen Wortbruch dar.

    ‼ Daher ist es wichtig, dass Widerspruch gegen die Bezügemitteilung bis zum 31.12.2020 einlegt wird, um die möglichen Ansprüche im laufenden Haushaltsjahr 2020 zu wahren. ‼

    Das Personalamt hat Musterverfahren abgelehnt. Daher werden sog. Sammelklagen angestrebt! Aktuell kann niemand sagen, wie und wann die Besoldungstabellen angepasst werden.

    Die DPolG Hamburg wird zusammen mit dem dbb Hamburg weiter informieren.

     

     

    Der Landesvorstand                                                                                     Hamburg, 21.12.2020

    (Hier das Flugblatt zum Download)