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    Durchwachsenes erstes Jahr

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    Wolfgang Kopitzsch hat die Hälfte seiner Amtszeit als Polizeipräsident hinter sich. Viele kritische Stimmen sind zu hören

     Joachim Lenders: „Von einer Erfolgsbilanz kann man beim Polizeipräsidenten nach dem ersten Jahr nicht sprechen“, sagt er. „Es wurde an entscheidenden Stellen nicht wirklich etwas bewegt. Die Polizei in Hamburg beschäftigt sich aktuell stark mit sich selbst, ohne Ergebnisse zu erzielen.“

     Genau ein Jahr lang erlebt Wolfgang Kopitzsch jetzt die „Krönung seines beruflichen Lebens“: Am 18. Januar 2012 wurde er in das Amt des Polizeipräsidenten eingeführt. Sollte der gebürtige Niedersachse, der heute zudem 64 Jahre alt wird, turnusmäßig in den Ruhestand gehen, dann wäre für ihn jetzt Halbzeit seiner Amtszeit. Doch ob er tatsächlich mit 65 in Pension geht, ist offen – seine Kritiker befürchten jedenfalls, dass er seine Dienstzeit als Polizeipräsident verlängern will.Präsidium

    Wolfgang Kopitzsch, das ist ein Polizeipräsident, der als Fachmann gelten möchte, der bei seiner Amtseinführung behauptete, er kenne die Polizei aus dem „Effeff“. Als Beweis zieht er dafür gern seine Familie heran. Sein Vater war Revierführer in Altona. Das weiß mittlerweile jeder in der Polizei, der bei einer der wenig mitreißenden und im Kern wenig variierenden Reden seines Präsidenten dabei war. Es hat sich als Gag etabliert, Wetten darüber abzuschließen, zu welchem Zeitpunkt er bei einer Rede die Polizeikarriere seines Erzeugers erwähnt. Tatsächlich ist Kopitzsch eher ein Theoretiker, einer, der zwar auch mal nah dran war und Einblicke in die Praxis hatte. Das hat ihn aber nicht zu dem gemacht, was er augenscheinlich so gern sein will – „er ist eben keiner von uns“, sagt ein Polizist.

    Bevor Kopitzsch zum Bezirksamtsleiter Nord gewählt worden war, verantwortete der SPD-Mann die Aus- und Fortbildung der Ordnungshüter als Leiter der Polizeischule. Als politischer Beamter ist er heute der Mann der Innenbehörde bei der Polizei: Kopitzsch soll keine Einsätze führen, keine Fälle klären und keine Taktiken erfinden. Er soll vielmehr die Vorgaben der Politik im Apparat umsetzen. Es geht dabei zum Beispiel um eine präsentere Schutzpolizei und eine schlagkräftigere Kripo. Mit dem „Projekt Modernisierung der Polizei 2012“ oder kurz „ProMod“ soll dieses Ziel umgesetzt werden. „Zügig“, so kündigte der Polizeipräsident nach seiner Amtseinführung an, werde das passieren. Davon kann heute keine Rede mehr sein.

    Dass vieles im Polizeipräsidium nicht rund läuft, ist auch am Johanniswall bekannt, wo die Innenbehörde und damit Kopitzsch‘ Vorgesetzter, Innensenator Michael Neumann (SPD), ihren Sitz haben. Als „entscheidungsschwach“ wird der Präsident dort eingestuft. Als jemand, der nicht sein Thema gefunden hat, mit dem er nach außen Punkte macht. Dass das in einer Zeit nicht einfach ist, in der der neue LKA-Chef wie zuletzt geschehen Kriminalprävention im Rahmen von Wohnungsbau als seine herausragende Vision verkauft, liegt auf der Hand. Besser macht es die Situation für Kopitzsch nicht. „Ein großer Polizeipräsident wie Dirk Reimers wird er ganz sicher nicht“, ist die vorherrschende Meinung.

    Es gibt aber auch positive Stimmen. „Wir haben ein überwiegend gutes Bild vom Polizeipräsidenten“, sagt André Schulz vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK). „Wir dringen mit vielen fachlichen Themen zu ihm durch.“ Der BDK kann auch durchaus zufrieden sein: Die Kriminalpolizei wird wieder eine komplett eigene Säule innerhalb des Polizeiapparates. Die Polizeikommissariate als eine Einheit aus Schutzpolizei und Kripo unter einer einheitlichen Führung auf örtlicher Ebene, wird es nicht mehr geben. Das war eine jahrelange Forderung des BDK, die unter Kopitzsch in Erfüllung gegangen ist. Schulz bemängelt aber auch die vielen „ungelösten Baustellen“.

    Bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP), die sich einst vehement dafür eingesetzt hatte, dass Kopitzsch Polizeipräsident wird, ist Ernüchterung eingekehrt. „Mir geht es nicht zügig genug“, sagt der Landesvorsitzende, Gerhard Kirsch, mit Blick auf „ProMod“. „Die Zielsetzung, die örtliche Ebene zu stärken, wird nicht erreicht“, sagt er. Stattdessen würden wichtige Einheiten wie die Einsatzzüge der örtlichen Ebene weggenommen. Kirsch befürchtet auch, dass die Zusammenarbeit von Kripo und Schutzpolizei schlechter wird. „Es muss eine Sicherung eingebaut werden, die verhindert, dass die Kripo, die vor Ort ist, am Revierführer vorbeigeführt wird.“

    Joachim Lenders, vom ersten Tag an ein harter Kritiker des Polizeipräsidenten, lässt kein gutes Haar an Wolfgang Kopitzsch. „Von einer Erfolgsbilanz kann man beim Polizeipräsidenten nach dem ersten Jahr nicht sprechen“, sagt er. „Es wurde an entscheidenden Stellen nicht wirklich etwas bewegt. Die Polizei in Hamburg beschäftigt sich aktuell stark mit sich selbst, ohne Ergebnisse zu erzielen.“ Für die Kollegen werde es in Zukunft weniger Beförderungsmöglichkeiten und damit weniger Perspektiven geben. „2013 ist für ihn das Jahr der Entscheidung“, sagt der BDK-Mann Schulz über Kopitzsch. Dann zählt nur noch die Praxis.