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    Gefahr erkannt, Gebiet gebannt

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    Polizei hebt nach immer lauterer öffentlicher Kritik die drei Kontrollzonen in Hamburg auf, weil es zuletzt keine gezielten Angriffe auf Beamte mehr gegeben habe. Bürgermeister verteidigt Kurs und fordert Verkauf der Roten Flora

    Die Gefahrengebiete in Hamburg sind aufgehoben. Die damit verfolgten Ziele seien erfüllt, teilte die Polizei am Montag mit. Es habe keine weiteren gezielten Übergriffe auf Beamte mehr gegeben. „Im Rahmen der täglichen intensiven Lagebewertung der Polizei ist der Fortbestand der Gefahrengebiete nicht mehr erforderlich und daher deren Aufhebung auch juristisch geboten“, hieß es. Die Zonen hätten aber schwere Straftaten verhindert.

    Die Polizei gab an, seit Beginn der polizeilichen Sonderrechte am 4. Januar 990 mal Bürger kontrolliert zu haben. Dabei seien 195 Aufenthaltsverbote und 14 Platzverweise ausgesprochen worden. Zudem gab es 66 Ingewahrsamnahmen und 5 Festnahmen.

    Ursprünglich hatte die Polizei ein großes Gefahrengebiet am ersten Januarwochenende als Reaktion auf Krawalle und Angriffe auf Polizeibeamte eingerichtet. Es umfasste Teile von Altona, St. Pauli und des Schanzenviertels. Die Polizei durfte in diesem Bereich jeden verdachtsunabhängig überprüfen. Dieses Gebiet war am vergangenen Donnerstag auf kleinere Zonen rund um drei Polizeikommissariate reduziert worden.

    Gegen die Einrichtung des Gefahrengebiets gab es immer wieder heftige Proteste. Auch am Montag hatten Studenten eine Demonstration angemeldet, um die Sonderzonen abzuschaffen. Trotz der Aufhebung versammelten sich mehr als 100 Menschen am Bahnhof Dammtor. In der Nacht zum Samstag hatte es zudem erneute Randale rund um die Reeperbahn gegeben. Andere Bürger machten ihrem Ärger immer wieder auf kreative und friedliche Weise Luft – unter anderem mit einer Kissenschlacht oder einem Fahrradkorso.

    Das Ende der Gefahrengebiete wurde von den oppositionellen Grünen begrüßt. „Eine späte Einsicht ist besser als gar keine. Es war dringend notwendig, dass der SPD-Senat auf den öffentlichen Druck und die kreativen Proteste endlich reagiert und die Gefahrengebiete aufhebt“, sagte Jens Kerstan, Vorsitzender der Grünen-Fraktion in der Bürgerschaft. Hamburgs FDP bezeichnete die Entscheidung der Polizeiführung als „klug“. Dennoch müsse das Thema Gefahrengebiet einer intensiven politischen Nachbereitung unterzogen werden, so der Innenpolitiker Carl Edgar Jarchow. Die FDP-Fraktion wolle jetzt wissen, inwieweit Innensenator und Polizeipräsident unmittelbar an der Entscheidung zur Einrichtung des Groß-Gefahrengebiets zum Jahresanfang beteiligt waren. „Und die FDP-Fraktion will sicherstellen, dass bei künftiger Anwendung dieser rechtsstaatlich höchst sensiblen Maßnahme drei Dinge eindeutig geklärt sind: Die direkte Einbindung des Senats, die möglichst regionale Begrenzung auf Straßenzüge und die parlamentarische Kontrolle. Nur dann ist den Bürgern vermittelbar, warum in Ausnahmesituationen eine derart weitgehende polizeiliche Maßnahme für kurze Zeit gerechtfertigt sein kann“, so Jarchow.

    Die Deutsche Polizeigewerkschaft reagierte zurückhaltend auf die Aufhebung der Gefahrengebiete. „Ob es richtig ist oder falsch, werden erst die nächsten Tage zeigen“, sagte Landeschef Joachim Lenders am Montag. „Wenn es zur Gesamtberuhigung der Situation beiträgt, dann wäre es begrüßenswert.“ Die erneute Entscheidung sei relativ schnell gekommen, betonte Lenders. Möglicherweise habe dabei der öffentliche Druck eine Rolle gespielt.

    Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hatte die Einrichtung der Gebiete zuvor noch verteidigt. „Das Instrument hat sich bewährt und wird sich weiter bewähren“, sagte Scholz der „Süddeutschen Zeitung“. „Die Kontrollen haben die Maßnahme bestätigt.“ Schließlich habe die Polizei dabei Schlagwerkzeuge und Feuerwerkskörper gefunden.

    Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Polizeigesetzes teilt Scholz nicht. Damit werde „sehr flexibel, souverän und wenig aufgeregt umgegangen“. Auch die Kritik vieler Einwohner an der massiven Polizeipräsenz weist Scholz zurück: „Ganz viele Bewohner sagen das Gegenteil. Sie fühlen sich sicherer.“ Es sei Aufgabe der SPD, für Recht und Ordnung zu stehen. „Leute, die das nicht mögen, finden es eben nicht gut.“

    Zudem äußerte sich Scholz auch über den Besitzer der Roten Flora, den Kaufmann Klausmartin Kretschmer. Er forderte ihn zur Aufgabe auf. „Das Verhalten des Eigentümers ist ein Problem“, so der Sozialdemokratz in einem Interview mit stern.de. „Er war als Kulturinvestor angetreten, um die Rote Flora zu erhalten. Es ist sehr ärgerlich, dass er auf unser Rückkaufangebot bisher nicht eingeht.“ Scholz machte abermals deutlich, dass es keine Räumung geben werde. Der Besitzer dränge darauf, „wir nicht“. „Alle Parteien sind für den Erhalt der Roten Flora, der Bezirk hat sogar den Bebauungsplan geändert.“

    Wie aus Rathauskreisen zu erfahren ist, will die Stadt maximal 1,2 Millionen Euro für die Rote Flora bezahlen. Kretschmer kalkuliert aber offenbar mit einer deutlich höheren Summe. Zuletzt sagte er, dass er wohl doch nicht verkaufen, sondern selbst ein Stadtteilzentrum errichten wolle.