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    Hamburgs Truppe fürs Grobe

    Sie sind die Elite. Diejenigen, die anrücken, wenn alle anderen nicht mehr weiterwissen. Und sie sind diejenigen, die bei ihren heiklen Einsätzen ihr Leben riskieren. Die Beamten des Mobilen Einsatzkommandos (MEK). Am 6. November feiert die Elite-Truppe der Hamburger Polizei ihr 40-jähriges Bestehen. Die MOPO am Sonntag besuchte die Spezialeinheit in ihrer Einsatzzentrale.

    Wenn sie gerufen werden, geht es um Leben und Tod. Bewaffnet mit Revolvern und Maschinenpistolen, geschützt durch schusssichere Westen und gepanzerte Helme stürmen die MEK-Beamten besetzte Gebäude, verhaften Terroristen, Geiselnehmer und Schwerverbrecher. Auch das Überbringen von Lösegeld gehört zu ihren Aufgaben.

    Beim MEK gelten zwei goldene Regeln: Disziplin und Diskretion.
    „Mein Beruf ist mein Geheimnis“, sagt einer der Elite-Cops (31). „Nur mein engstes familiäres Umfeld weiß, dass ich beim MEK bin. Alle anderen denken, ich hätte einen ganz ,normalen‘ Posten bei der Polizei. Wenn man diesen Job hat, ist es wichtig, den Ball flach zu halten.“ Seinen Namen will er nicht verraten. Untereinander sprechen sich die Beamten ausschließlich mit fiktiven Spitznamen wie „Hunter“, „Fips“ oder „Pitt“ an. Nichts, was sie identifizieren könnte, darf nach außen dringen.

    Das MEK-Hauptquartier ist ein unscheinbarer Backsteinbau auf dem Gelände des Polizeipräsidiums in Alsterdorf. Hier, in der Dienststelle Landeskriminalamt 24, arbeiten rund 120 Männer und Frauen. Die MEK-Leute sind in der Regel zwischen 25 und 45 Jahre alt. Der Frauenanteil liegt bei etwa 10 Prozent.

    Formale Aufnahmebedingungen gibt es nicht. Nur eine: Man muss mindestens zwei Jahre lang als Polizeibeamter gearbeitet haben. Doch wer zum MEK will, muss einen hammerharten viertägigen Prüfungsmarathon überstehen. Neben einem persönlichen Interview gibt es eine medizinische Untersuchung und einen Sporttest (inklusive Autofahren und Schießen). Ein Beispiel: Die Bewerber dürfen einen Wimpernschlag lang in ein Zimmer gucken. Anschließend müssen sie 3000 Meter in maximal 13:30 Minuten laufen – und gleich hinterher die Frage beantworten: Wo hatte die Tapete in dem Raum Nikotinflecken?

    Nur rund 15 Prozent der Bewerber kommen durch. „Wir suchen keine Olympioniken, bei uns ist Vielseitigkeit auch im mentalen Bereich gefragt“, sagt MEK-Chef Polizeidirektor Joachim Ferk (46). „Die Bewerber müssen keine Rekorde aufstellen, aber in allen Bereichen bestehen.“ Wer’s geschafft hat, durchläuft eine sechsmonatige Ausbildung. Aber erst nach knapp zwei Jahren sind die Neulinge voll einsatzfähig.

    Wie in allen Bundesländern und beim Bundesgrenzschutz war die Schaffung der Spezialeinheit die Reaktion auf das polizeiliche Desaster auf dem Flughafen Fürstenfeldbruck (Bayern) im September 1972: Damals hatten palästinensische Terroristen israelische Sportler bei den Olympischen Spielen als Geiseln genommen. Der Versuch, die Geiselnahme zu beenden, endet in einem Blutbad. Insgesamt kommen bei der Entführung 17 Menschen ums Leben. Der Polizei mangelt es damals nicht nur an Ausrüstung, sondern auch an geeigneten Beamten. Zwei Monate nach der Geiselnahme, am 6. November 1972, wird das Hamburger MEK gegründet.

    Anders als in allen anderen Bundesländern ist die Hamburger Truppe zugleich zuständig für Zugriffe (etwa 100 pro Jahr) und Observationen (400 jährlich). Zudem hat die Einheit Präzisionsschützen in ihren Reihen. Jeder MEK-Beamte kommt im Jahr durchschnittlich auf rund 20 Zugriffe. Die regelmäßigen öffentlichen Übungen, beispielsweise das Abseilen von Hochhäusern, finden immer nachts im Schutz der Dunkelheit statt.

    Das Gehalt hängt von Dienstgrad und Arbeitsjahren ab. Ein Beispiel: Ein MEK-Beamter – Dienstgrad Polizeikommissar, 30 Jahre alt, verheiratet, ein Kind – verdient 2818,59 Euro brutto. Für seinen gefährlichen Job beim MEK bekommt er monatlich eine Zulage von 153,39 Euro. Gewerkschaften kritisieren diese Zulage: „Für Kollegen, die ein derart hohes Risiko auf sich nehmen, ist das viel zu wenig“, sagt Joachim Lenders, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft. Vergleichbare Spezialeinheiten bei der Bundespolizei bekämen 225 Euro Zulage. Lenders: „Das ist zwar immer noch wenig, aber zumindest dieses Zulagen-Niveau sollte es auch in Hamburg geben.“

    In den 40 Jahren Hamburger MEK gab es in den eigenen Reihen lediglich Verletzte zu beklagen. Die Zahl der getöteten Kriminellen liegt im unteren einstelligen Bereich.
    Aber wie ist es, eine Wohnung zu stürmen, in der sich ein bewaffneter Irrer verschanzt hat? Bekommt man es da nicht mit der Angst zu tun? „Angst wäre da der falsche Begriff. Man verspürt eine gewisse Grundanspannung. Aber die ist hilfreich, sie schärft die Sinne“, sagt der anonyme 31-jährige MEK-Mann. „Das Wichtigste ist, dass die Gruppe funktioniert. Jeder Einzelne trägt dabei Verantwortung.“ Sein Kollege sagt: „Die Gefahr, sofort schießen zu müssen, ist bei uns größer, als dass einer von uns erschossen wird.“

    Bei der Wahl der Methoden sind die Elite-Cops wenig zimperlich. Chef Joachim Ferk: „Wir müssen dafür sorgen, schnellstmöglich eine Extremsituation zu bewältigen und dabei einen möglichst geringen Schaden zu verursachen.“ Und der Druck, der auf Ferks Einheit lastet, ist groß: „Es geht darum, lebensbedrohliche Situationen professionell zu beenden.“

    Den spektakulärsten Einsatz hat das MEK kurz nach der Gründung im April 1974: Ein mit Pistole bewaffneter Mann überfällt die Commerzbank am Steindamm (St. Georg), tötet einen Polizisten und nimmt Geiseln. Als der Täter mit einer Geisel aus dem Gebäude kommt, wird er von einem MEK-Mann mit einem Kopfschuss getötet.

    Im April 1986 nimmt das MEK den berüchtigten Kiez-Killer Werner „Mucki“ Pinzner fest.
    Im Mai 1991 wird der damalige Sozialsenator (und spätere Bürgermeister) Ortwin Runde (SPD) in seinem Büro von einer mit Messer und Gaspistole bewaffneten Frau als Geisel genommen – und vom MEK befreit.

    Im September 2000 überwältigen die Beamten in Wilhelmsburg den Dreifachmörder Sven Böttcher und retten seine Geisel.
    Auch bei der Jagd nach dem Kaufhaus-Erpresser „Dagobert“ (Arno Funke) in den Jahren 1992 bis 1994 und der Reemtsma-Entführung (1996) war das Hamburger MEK im Einsatz.

    Panzer-Helm: Der Helm ist komplett gepanzert, das Visier besteht aus Panzerglas. Innen befinden sich Kopfhörer und Mikro für das Funkgerät. So können die Einsatzkräfte miteinander kommunizieren, ohne den Helm abzunehmen oder das Visier zu öffnen.

    Maschinenpistole: Die Maschinenpistole („Heckler & Koch“) gehört wie der Revolver zur Standardausrüstung. Sie verfügt über 60 Schuss. Die Elite-Cops sind nicht nur ausgezeichnete Beobachter und Taktiker, sondern auch exzellente Schützen.

    Revolver: Das MEK hat fast ausschließlich Revolver und kaum Pistolen. Grund: Die Revolver („Smith & Wesson“) haben eine größere Munitionsvielfalt (darunter Patronen, die sogar Motorblöcke durchschlagen können) und gelten als zuverlässiger (Ladehemmungen sind so gut wie ausgeschlossen). Wie alle anderen MEK-Schusswaffen hat auch der Revolver eine angebaute Lampe als Zielhilfe.

    Schrotflinte: Die Schrotflinte kommt nur zum Einsatz, wenn ein Täter einen (Kampf-)Hund hat. Mit nur einem Schuss Schrot wird auch der größte Hund sofort eliminiert. Mit normaler Munition müsste man in manchen Fällen mehrfach abdrücken, das würde wertvolle Zeit kosten.

    Schlagstock: So wie ihre Kollegen von der Schutzpolizei haben auch die MEK-Beamten Teleskopschlagstöcke aus Stahl. Offiziell heißen die Geräte „EKA“ – Einsatzstock, kurz, ausziehbar (Preis 130 Euro). Teleskopschlagstöcke sind Waffen im Sinne des Waffengesetzes.

    Messer: Das Messer ist immer griffbereit. Zur weiteren Ausrüstung gehören u. a.: Handschellen, Taschenlampe, Pfefferspray, Blendgranaten, Kugelschreiber und Notizblock, Erste-Hilfe-Pack – und Holzkeile, um bei Bedarf Türen offen halten zu können.

    Schutzkleidung: Nahezu der gesamte Körper ist durch schusssichere Kleidung geschützt. Doch nur die wenigsten Verbrecher trauen sich, auf die MEK-Truppe zu schießen. Wer diese Männer vor sich stehen hat, gibt meist von alleine auf.

    Knieschoner: Um sich auch in schwierigem Terrain (zersplittertes Glas etc.) hinknien zu können, tragen die Polizisten Knieschoner.