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    Sind Hamburgs Richter zu milde?

    Zwei Männer verprügeln Matthias R. am U-Bahnhof Niendorf-Markt. Der Mann wird zum Krüppel, die Täter kommen mit einer Geldstrafe davon. Die Verurteilung wegen unterlassener Hilfeleistung macht nicht nur die Angehörigen und Freunde des 40-Jährigen fassungslos.

    Klemens Burzlaff (38) von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG): „Hier wurde das Opfer viel härter bestraft als die Täter. Ähnlich ist es im 20-Cent-Fall auch gelaufen. Das Strafmaß muss nach oben ausgeschöpft werden, sonst kann es passieren, dass einige den Glauben an die Justiz verlieren.“

    Sind Hamburgs Richter zu milde? Die MOPO sprach mit Kristina Erichsen-Kruse (68), Vize-Landesvorsitzende der Opferhilfsorganisation „Weißer Ring“.

    Mopo: Was bedeutet solch ein mildes Urteil für die Opfer und deren Angehörige?

    Kristina Erichsen-Kruse: Es ist ein absolutes Debakel. Es wirkt wie ein Schlag ins Gesicht der Opfer. Gewöhnlich sind sie nach so einem Urteil zwar äußerlich ganz ruhig, doch sie fühlen sich um ihre Rechte betrogen, nicht wertgeschätzt und alleine gelassen. Sie verstehen die Welt nicht mehr.

    Mopo: Das Opfer Matthias R. und seine Familie werden vom „Weißen Ring“ betreut. Wie helfen Sie den Betroffenen?

    Erichsen-Kruse: In erster Linie helfen wir in diesem Fall mit Gesprächen.

    Mopo: Wie beurteilen Sie den Fall aus Niendorf?

    Erichsen-Kruse: Wir hätten niemals mit so einem Urteil gerechnet. Wir haben hier ein schwerbehindertes Opfer, das nicht mal mehr alleine wohnen kann. Der Mann lebt in einer betreuten Einrichtung. Wir werden das Urteil abwarten und wenn die Staatsanwaltschaft nicht tätig werden sollte, wird sich der Anwalt des Opfers weitere Schritte vorbehalten.

    Mopo: Welche Strafe hätten Sie gerecht gefunden?

    Erichsen-Kruse: Die Staatsanwaltschaft hatte eine Haftstrafe zwischen zwei und drei Jahren gefordert. Das hätte man akzeptieren können.

    Mopo: Sind Hamburgs Richter zu milde?

    Erichsen-Kruse: Die Urteile sind durchaus im mittleren Bereich. In Süddeutschland ist die Rechtsprechung viel schärfer. Ob die Richter generell zu milde sind, kann man nicht sagen. Es muss immer der Einzelfall beurteilt werden. Die Urteile in dem 20-Cent-Fall fand ich zum Beispiel in Ordnung. In diesem Fall waren es minderjährige Täter. Bei der Verurteilung hat der Erziehungsgedanke eine große Rolle gespielt.

    Mopo: Wenn Sie die Urteile von heute mit denen von vor zehn Jahren vergleichen: Was hat sich bei Gewaltdelikten geändert?

    Erichsen-Kruse: Das kann ich nicht sagen. Ich weiß bloß, dass die Gewaltdelikte zwar weniger geworden sind, die Schwere der Taten allerdings zugenommen hat.