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    Streit über Verantwortung schon vor dem Schanzenfest

    Bezirksamtleiter Warmke-Rose (CDU) toleriert nicht angemeldete Veranstaltung – Für Polizeieinsatz sei die Innenbehörde zuständig

    Mit Sorge blicken die Anwohner des Schanzenviertels auf den heutigen Abend. Tagsüber erwartet sie ein voraussichtlich friedliches Schanzenfest. Doch seit den Brandanschlägen auf neun Autos in der Nacht zu Donnerstag gilt eine Eskalation der Gewalt nach Einbruch der Dunkelheit nahezu als sicher.

    Im Umgang mit der nicht angemeldeten Veranstaltung gehen Bezirk und Innenbehörde aber höchst unterschiedliche Wege: Während Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) seit Langem fordert, es dürfe in der Schanze keine rechtsfreien Räume geben und ein Schanzenfest könne nur nach offizieller Anmeldung stattfinden, gibt sich Parteifreund Jürgen Warmke-Rose, Leiter des Bezirksamtes Altona, deutlich moderater: Er toleriert das Schanzenfest mit einer „qualifizierten Duldung“. In einem letzten Gespräch mit Rechtsanwalt Marc Meyer, dem Vertrauensmann der Organisatoren, besprach Warmke-Rose gestern Details für eine sichere Durchführung. Kontrollen und Sanktionen werde es heute aber nicht geben. „Wir haben einen guten Kompromiss geschlossen, der für mehr Sicherheit sorgt“, so Warmke-Rose. Straftaten am Abend könnten nicht ausgeschlossen werden, doch dafür sei die Innenbehörde zuständig.

    Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, sagt: „Das ist eine Unverschämtheit. Der Bezirksamtsleiter stiehlt sich aus seiner Verantwortung.“ Es werde ein Fest toleriert, das ursächlich für schwere Krawalle ist. „Die Schuld für die Gewalt wird schon im Vorfeld auf die Innenbehörde abgeschoben“, so Lenders. Innensenator Ahlhaus äußerte sich am Freitag dazu nicht und ließ lediglich mitteilen, das eigentliche Schanzenfest liege nun rein in der Verantwortung des Bezirks.

    Für den SPD-Innenpolitiker Andreas Dressel hat sich Ahlhaus mit seiner kompromisslosen Haltung „selbst ein Bein gestellt“. Zudem habe die vor Kurzem bekannt gewordene Videoüberwachung bislang außer neuem Aufruhr nichts gebracht. „Es ist ein Ritt auf der Rasierklinge: Ich hoffe, dass sich Polizei und Krawallmacher nicht zu sehr provozieren.“

    Bei den Schanzenfesten der vergangenen Jahre gab es einen nahezu ritualisierten Ablauf: Nach Abbau der Flohmarktstände wurde auf der Straße Müll in Brand gesetzt. Die Gewalttäter bewarfen dann Feuerwehrleute und kurz darauf die zu Hilfe eilenden Polizisten. Anschließend kam es zu Straßenschlachten. Polizeisprecher Ralf Meyer äußerte nun zwar „eine leise Hoffnung“, dass der Abend in diesem Jahr friedlicher verlaufen könne, meinte aber auch: „Wir sind natürlich realistisch und bereiten uns gut vor.“

    Marc Meyer, Anwohner und Anwalt beim Verein „Mieter helfen Mietern“, begrüßt die Duldung ausdrücklich und appelliert an die Vernunft der Teilnehmer. Im Stadtteil ist man sich aber weitgehend einig, dass ein Großteil der zu erwartenden Gewalttäter von außerhalb kommt. Sven Hielscher (CDU Altona) vermutet eine breite Unterstützerszene, die überwiegend nicht aus der Schanze oder den angrenzenden Stadtteilen kommt. Und Mark Classen (SPD Altona) sagt: „Die autonome Jugendkultur ist ja mittlerweile auch in bürgerlichen Schichten weitverbreitet.“

    Am zweiten Tag nach den Autobrandanschlägen hatte die Polizei gestern noch keine heiße Spur – und auch kein Bekennerschreiben. Einen Zusammenhang mit den Protesten gegen die Aufwertung des Schanzenviertels schließen die Beamten aber nicht aus.