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    Streitgespräch: Antje Möller (Grüne) und Polizeigewerkschafter Joachim Lenders über die Kontrollen

    Logo MopoDutzende Verletzte Polizisten bei einer Flora-Demonstration. Brutale Attacken auf Beamte der Davidwache und Steinwürfe auf die Polizeigebäude und -autos. Um die linksautonome Gewalt in den Griff zu bekommen, wurde ein riesiges Gefahrengebiet eingerichtet. „Unbedingt nötig“ findet das Joachim Lenders von der Deutschen Polizeigewerkschaft. „Völlig überzogen“, sagt Antje Möller, Innenpolitische Sprecherin der Grünen. Die MOPO lud sie zum Streitgespräch ein.

    MOPO: Herr Lenders, woll der Senat hier einfach Stärke zeigen oder erwarten Sie konkrete Erfolge durch das Gefahrengebiet?
    Joachim Lenders: Mit Muskelspiel hat das nichts zu tun. Der Polizei wurde durch die Ausweisung des Gefahrengebietes vernünftiges Handwerkszeug in die Hand gegeben. Wir haben so viel mehr Kontrollmöglichkeiten.
    Antje Möller: Aber die Polizei spricht doch selbst in ihrer Stellungnahme davon, dass vor allem bekannte und verdächtige Personen kontolliert worden sind. Diese Möglichkeit hat sie auch ohne Gefahrengebiet.
    Lenders: Nein, selbst bei bekannten oder verdächtigen Personen muss ja eine Rechtsgrundlage für die Kontrolle da sein.
    Möller: Die gibt es doch. Verdächtige Personen dürfen lageabhängig immer kontrolliert werden.
    Lenders: Dabei werden Polizisten aber viel zu oft allein gelassen. Denn dann müssen Sie entscheiden, was eine verdachtabhängige Kontrolle ist. Wir wollen das Gesetz nicht interpretieren. Wird ein Gefahrengebiet eingerichtet, dann ist die Lage klar. Wir haben Pyrotechnik und Skimasken gefunden. Es wurden Platzverweise und Aufenthaltsverbote erteilt. Das alles wäre in dieser Konzentration ohne Einrichtung eine Gefahrengebietes nicht möglich gewesen.
    Möller: Die Schwierigkeit ist dann doch, das auszuwerten, was in Rücksäcken gefunden wurde. Wenn Waffen innerhalb einer Waffenverbotszone entdeckt werden, dann ist das ein klarer Verstoß. Aber wenn Pyrotechnik kurz nach Silvester gefunden wird- was soll man mit dieser Erkenntnis machen?
    Lenders: Das Gefahrengebiet ist ja kein Allheilmittel. Es ist örtlich begrenzt und temporär. Bleibt bestimmt nicht bis zum Sommer. Es ist der Lage in Teilen von Altona und auf dem Kiez geschuldet.


    MOPO: Frau Möller, sehen Sie die Gefahr einer Eskalation der Lage durch Solidarisierungs-Aktionen?
    Möller: Das kann ich kaum einschätzen. Ich sehe jedoch nicht, dass Gefahrengebiete so etwas verhindern. Aber es wird dazu kommen, dass sich viele Tausend Menschen in diesem großen und unbefristet festgesetzten Gebiet unter Generalverdacht gestellt sehen. Sie wohnen in einem Gebiet, in dem sie sich nicht mehr unbefangen bewegen können und darüber nachdenken müssen, welche Kleidung sie auf der Strage tragen. Das finde ich unverhältnismäßig. Die Maßnahme konzentriert sich ja nicht auf bestimmte gefährdete Orte. Es wird pauschal ein großes Quartier festgelegt, in dem zudem viele politische Diskussionen der Stadt virulent sind.
    Lenders: Auch diese Leute wollen in Frieden leben, ohne Angst, ohne Sachbeschädigung und Gewalt. Viele Bürger stellen sich dort gegen die Randalmacher. Die wollen keine Schneise der Verwüstung durch ihr Wohnviertel. Und das wollen wir als Polizei auch nicht. Ein Großteil der Gewaltätigen wohnt ja gar nicht in diesen Vierteln.
    Möller: Ja, die Anwohner wehren sich gegen die Gewalt . Aber das ist doch völlig unabhängig von der Problematik des Gefahrengebiets. Sie alle werden pauschal in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Denn die Personengruppen, die dort kontrolliert werden, wurden ja gar nicht konkretisiert, sondern nur als relevant bezeichnet. Das trifft sehr viele Menschen, die dort wohnen.
    MOPO: Wer wird denn überhaupt kontrolliert, Herr Lenders?
    Lenders: Wenn eine Gruppe von zehn Leuten dort abends mit schwarzen Kapuzenpullovern und Sonnenbrille erscheint, dann werden bei denen die Personalien und Rucksäcke kontrolliert. Damit soll doch der Polizei nur ein Werkzeug an die Hand gegeben werden.
    Möller: Aber die Gruppen können Sie auch ohne Gefahrengebiet kontrollieren. Durch die Maßnahme wird der Fokus gezielt auf bestimmte Quartiere gelegt. Wenn am 21. Dezember die Demo über die Mönckebergstraße gegangen wäre und es hätte Gewalt gegeben, dann hätte niemand das Gebiet zum Gefahrengebiet erklärt. Das zeigt doch, dass es auch im ein Signal geht.
    Lenders: In der Mönckebergstraße wäre es ja auch ein singuläres Ereignis gewesen. Auf dem Kiez gab es ja mehrere Angriffe auf Polizeiwachen und immer wiederkehrende Gewaltorgien.
    MOPO: Frau Möller, musste man nicht irgendwie auf die Angriffe reagieren?
    Möller: Aus meiner politischen Sicht hätte ich eine Verstärkung der Polizeipräsenz vor Ort als klare Reaktion schlüssig gefunden.
    Lenders: Die Kontrollen sind doch positiv. Präventive Polizeistreifen werden von der Mehrheit der Bevölkerung positiv gesehen und nicht als Einschränkung.
    Möller: Wir haben Freiheitsrechte in dieser Republik, die wir alle hochhalten. Da muss doch abgewogen werden , welche Maßnahmen man ergreift. Ein so großes Gebiet zum Gefahrengebiet zu erklären, ist ein massiver Eingriff. Wir verlieren durch diese generelle Polizeimaßnahme aus dem Blick, dass die Probleme von Roter Flora, Gentrifizierung und Flüchtlings-Thematik politisch gelöst werden müssen.