Terror-Angst in Hamburg: Polizei in Alarmbereitschaft
HSV-Heimspiel und Konzert am Freitag, Staatsakt für Helmut Schmidt am Montag: Nach den blutigen Terror-Anschlägen von Paris und dem abgesagten Fußball-Länderspiel in Hannover stehen Hamburg gleich drei Großereignisse bevor, die Attentäter als Ziel dienen könnten. Die Polizei bereitet sich vor – und ruft für die Schmidt-Trauerfeier die höchste Sicherheitsstufe aus.
Der Hamburger SV will seine Fußball-Bundesligapartie gegen Borussia Dortmund (morgen, 20.30 Uhr) „planmäßig stattfinden“ lassen, wie der Club mitteilte. „Das ist unser Beitrag für eine friedliche Welt.“ Und die Mehrheit der Fans will sich auch nicht abschrecken lassen. Tassilo Bigall (46) aus Grünhof freut sich darauf, mit seiner Tochter Michelle (13) das erste Mal in dieser Saison ins Volksparkstadion zu gehen. „Wir haben darüber gesprochen und sie hat gesagt: ,Wir gehen da hin. Basta!’“ Gregor Drewelowski von den „Rauten Rowdy’s“ ist der gleichen Ansicht: „Man kann ja jetzt nicht alles absagen. Sonst haben diese Vollidioten das erreicht, was sie wollten.“
Allerdings sollten alle Zuschauer reichlich Zeit für die Anreise einplanen. Der HSV stockt die Anzahl der Sicherheitskräfte auf und wird die Einlasskontrollen verstärken. In der benachbarten Barclaycard-Arena steigt gleichzeitig ein Konzert der Gruppe „Unheilig“.
Die allgemeine Sicherheitslage habe sich nicht geändert, erklärte gestern Hamburgs Polizeisprecher Timo Zill: „Wir haben seit Wochen und Monaten einer hohe abstrakte Gefährdungssituation.“ Derzeit aber gebe es keine Bezüge von Paris oder Hannover nach Hamburg. Und so sei für das Treffen von Borussen und Hamburgern wie geplant ein „mittlerer Kräfteeinsatz“ vorgesehen – „wegen der rivalisierenden Fan-Gruppen“, so Zill.
Der Verfassungsschutz zählt in Hamburg aktuell 270 gewaltbereite Salafisten, 65 gingen schon in den Irak und nach Syrien, als besonders gefährlich gelten die Rückkehrer. „Der Staatsschutz hat nicht die Ressourcen, die Gefährder rund um die Uhr zu überwachen“, kritisiert Jan Reinecke, Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter. „Wir kämpfen mit der Ausstattung und dem Personalstamm der 1970er Jahre gegen aktuelle Bedrohungen.“ Joachim Lenders, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft in Hamburg, sieht besonders den Staatsakt für Schmidt am Michel mit vielen weltbekannten Politgrößen und den anschließenden Empfang des Senats gefährdet. Von morgens bis nachmittags werde die Innenstadt „hermetisch abgeriegelt“: Ab 12 Uhr wird der Sarg nach Ohlsdorf überführt, alle Hamburger können sich an der Strecke verabschieden. Lenders: „Mit dieser Sicherheitslage müssen wir fertig werden.“
Er habe zwar ein hohes Vertrauen in die Sicherheitsbehörden, sagt der Bergedorfer Bürgerschaftsabgeordnete Dennis Gladiator (CDU). Doch müsse sich Hamburg bemühen, die Schutzausstattung zu verbessern, damit die Polizei „auch im Rahmen solcher Szenarien wie in Paris“ bestmöglich geschützt sei. Zudem sollten Polizei und Verfassungsschutz personell aufgestockt werden. Gladiator selbst will Freitag eine Hundertschaft begleiten, „um einen Eindruck vor Ort zu gewinnen“.
Man müsse sich dem Terror entschlossen entgegenstellen, fordert Ali Simsek (SPD), Bergedorfs Vorsitzender der „AG Migration und Vielfalt“: „Es ist traurig, wenn die Terroristen erreichen, was sie wollen, wenn große Events abgesagt werden.“ Der gebürtige Türke demonstrierte gestern Nachmittag wie Hunderte andere auf dem Domplatz.
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Nina Scheer warnt davor, ein generelles Szenario für Großereignisse abzuleiten: „Angst sollte Achtsamkeit, insbesondere gegenüber Rechtspopulismus, weichen“, befindet die Geesthachterin. Das bestätigt Bundestagskollege Konstantin von Notz (Grüne) aus Mölln: „Wir lassen uns von diesem kruden Fundamentalismus nicht in unserer Lebensart einschränken und werden weiterhin ausgelassen und mit Freude zu Fußballspielen, Konzerten oder Weihnachtsmärkten gehen.“ Der Linken-Bürgerschaftsabgeordneter Stephan Jersch aus Bergedorf sagt: „Jetzt werden alle doppelt genau hinschauen.“ Er warnt jedoch davor, Versammlungsfreiheit oder andere Grundrechte einzuschränken.
Die aktuelle Gefahrenlage wird auch einen Einfluss auf das Ergebnis des Hamburger Olympia-Referendums haben, davon ist Claus Quase-Scott, Vize-Vorsitzender der TSG Bergedorf, überzeugt: „Natürlich wird es Leute geben, die ,Jetzt-erst-Recht’ sagen. Persönlich fürchte ich , dass es sich nicht gut auswirken wird.“
Prof. Michael Rothschuh, Sprecher von NOlympia Hamburg: „Angesichts des Entsetzens über die Anschläge halten wir es für nicht angebracht, über Auswirkungen auf das Referendum zu spekulieren.“ Allerdings werde das Thema Sicherheit bei Olympischen Spielen verkürzt, Hamburg blicke nur auf Polizei und Feuerwehr. Wichtig sei auch, Paniksituationen vorzubeugen und darauf vorbereitet zu sein. Sonst drohten Tote und Verletzte wie bei der Love Parade in Duisburg..
(bz)