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    Auf der Suche nach den Superwachen

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    Innensenator Neumann verordnet der Polizei eine Radikalreform. Die Kritik wächst – auch am Präsidenten

     ProMod heißt die Abkürzung, hinter der sich die bisher wohl radikalste Umstrukturierung der Hamburger Polizei verbirgt. Ausgangspunkt des Vorhabens ist eine Vorgabe von Innensenator Michael Neumann. Der Sozialdemokrat will einerseits mehr Polizei auf die Straße bringen, um das Sicherheitsbedürfnis der Bürger zu befriedigen. Andererseits aber soll kein zusätzliches Personal eingestellt werden. Entsprechend intensiv suchte die Chefetage der Ordnungshüter eine Lösung.

     Belastet wird das ehrgeizige Vorhaben durch das bisweilen unglückliche Auftreten des kürzlich neu ernannten Polizeipräsidenten Wolfgang Kopitzsch (SPD).

     Im Prinzip sind sich die Polizei-Entscheider bereits einig, was zu tun ist. Hamburg soll schon bald eine Art von „Super-Kommissariaten“ bekommen, die dann abgespeckten Wachen vorstehen. Damit führt man faktisch die vor mehr als zehn Jahren abgeschafften Polizeidirektionen wieder ein – in noch kleinerer Form. Gab es von den Direktionen bislang vier, sind jetzt acht Regionen geplant, die bis zu vier Wachen umfassen. Das jeweilige Führungsrevier wird Leit-Polizeikommissariat genannt und erhält umfangreiche Kompetenzen und zusätzliches Personal. Dazu gehören Motorradfahrer, die straßenverkehrsbehördliche Angelegenheiten regeln, Einsatzzüge, Jugendschutz- und Jugendbeauftragte. Aber auch der bislang den Verkehrsstaffeln angegliederte Verkehrsunfalldienst, der für die Aufnahme besonders schwerer Unfälle zuständig ist, soll samt der zugehörigen Ermittler an die Leit-Kommissariate transferiert werden.

      Bislang liebäugelt man mit einem Modell, das in drei Etappen umgesetzt wird: die restlichen 16 Kommissariate der Stadt werden deutlich abgespeckt. Sie bekommen dann möglicherweise auch andere Bezeichnungen, da sie nicht mehr über eine eigene Kriminalpolizei verfügen. Diese könnte organisatorisch sogar vollständig aus den Wachen verschwinden. Eine mögliche Variante sieht die Trennung von der Schutzpolizei vor. Danach würde die Kriminalpolizei einem eigenen Chef unterstehen, der sowohl für das Landeskriminalamt zuständig wäre, wie auch für die Kripodienststelle, die die Alltagskriminalität (Polizeijargon: „Milch, Eier, Käse“) bearbeitet. Diese Variante wird vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) unterstützt. Andere Lösungen sehen die Anbindung der örtlichen Kripo an die neuen „Super-Kommissariate“ vor.

     Theoretisch wären mit der neuen Struktur weitere Wege für die Bürger verbunden, etwa bei einer Anhörung als Zeuge bei der Kripo. In der Praxis allerdings dürfte es anders kommen. Denn was organisatorisch zusammengeführt wird, dürfte räumlich auch weiterhin getrennt bleiben. Es gibt nämlich gar nicht genügend Räume, um alle zu einem „Super-Kommissariat“ gehörende Dienststellen zentral in einem einzigen Gebäude unterzubringen. Hinzu kommt: Die Gebäude der ehemaligen Direktionen, etwa die Immobilie an den Großen Bleichen, sind längst von der Stadt verkauft worden. Neu gebaute Wachen wurden nach Vorgaben der bisherigen Polizeistruktur gebaut.

      Kritik an den Reformplänen des Innensenators kommt von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). „Die Philosophie eines Leit-Polizeikommissariats führt nach unserer Einschätzung dazu, dass Bürger oder ortsansässige Firmen zukünftig deutlich weitere Wege in Kauf nehmen müssen“, sagt der Landesvorsitzende der DPolG, Joachim Lenders. „Das gilt für Anliegen, wie der Beantragung einer Halteverbotszone, die Einrichtung von Baustellen, der Durchführung von Veranstaltungen, wie Laternenumzüge, Straßen- oder Schützenfesten, aber auch bei Vernehmungen als Zeuge.“ Dem widerspricht Polizeisprecher Mirko Streiber: „Eine andere organisatorische Anbindung steht einer Präsenz vor Ort nicht entgegen.“

      Kritik übt Gewerkschafter Lenders auch an Polizeipräsidenten Wolfgang Kopitzsch, der sich gern als Befürworter von Transparenz und Mitarbeiterbeteiligung darstellt. Daher wurden Polizeibeamte in zahlreichen Gesprächen und Interviews vorab in die Reformpläne einbezogen. Anders als angekündigt, seinen die Ergebnisse dieser “strukturierten Interviews“ jedoch nicht veröffentlicht worden, moniert die Interessenvertretung. Die Ergebnisse hätten offenbar nicht der Erwartung des Polizeipräsidenten entsprochen, mutmaßt Lenders. Das habe Enttäuschung, Frust und Empörung bei den Mitarbeitern der Polizei ausgelöst.

      Diese gibt es mittlerweile bis in die höchste Ebene. Dafür sorgt die noch nicht offizielle, aber im Polizeipräsidium gehandelte Nachfolgelösung für Reinhard Chedor, der seit fast genau zehn Jahren Chef des Landeskriminalamtes ist. Auf der Klausurtagung in Mölln hatten sich laut eines Insiders nicht nur der LKA-Chef, sondern auch die überwiegende Mehrheit der anderen Polizeiführer für LKA-Vize Ralf Meyer ausgesprochen. Kopitzsch aber soll den Leiter der Dienststelle gegen Organisierte Kriminalität, Thomas Menzel bevorzugen. Menzel gilt als SPD-Mann. So wabert ein Geruch nach Filz nun auch durch die Führungsetage des Polizeisterns in Alsterdorf.

      Den prägendsten Auftritt hatte der neue Führungsmann Kopitzsch aber bereits kurz nach seinem Amtsantritt. Vor versammelter Leitungsmannschaft habe sich der frisch gekürte Polizeipräsident, so berichten es Teilnehmer, bei einem verbalen Kompetenzgerangel mit Generalstaatsanwalt Lutz von Selle geradezu vorführen lassen. Pikant: Bei Kopitzschs Amtsvorgänger Werner Jantosch dagegen, habe von Selle in derselben Sache regelmäßig auf Granit gebissen.