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    Die Welt: Gravierende Pannen beim neuen Digitalfunk der Polizei

    Gravierende Pannen beim neuen Digitalfunk der Polizei

    Sonnenschein macht Geräte unbrauchbar – Mysteriöse Phantomrufe blockieren FrequenzenFällt ein Gerät aus, funktioniert auch der Notknopf zum Herbeirufen von Hilfe nicht Das neue Funksystem hat die Hansestadt bereits 53 Millionen Euro gekostet

    Bislang gilt der 53 Millionen Euro teure Digitalfunk als Vorzeigeprojekt der Hamburger Innenbehörde. Das könnte sich jedoch bald ändern. Denn nach Informationen der „Welt“ weist das seit 2004 geplante, aber bis heute nicht hamburgweit eingeführte neue System gravierende Schwächen auf. Die Bedienelemente der Funkgeräte der Polizei leiden unter einer Art Sonnenbrand. Sobald die Sonne stärker scheint, kann es vorkommen, dass das Display am Hörer des Funkgerätes ausfällt. Das Funkgerät selbst funktioniert zwar weiter. Doch die Beamten können es nicht mehr bedienen. „Funken ist dann unmöglich, selbst der Notrufknopf, der benutzt wird, wenn es zu einer kritischen Situation kommt und dringend Verstärkung gebraucht wird, löst in diesem Fall nicht mehr aus, weil er Teil des Bedienhörers ist“, erläutert ein Beamter.

    Das zweite Problem ist kaum weniger gravierend. Es werden immer wieder Phantomrufe ausgelöst. Digitalfunkgeräte der Polizei schalten sich wie von Geisterhand ein und gehen auf Sendung. Die Folge: Sie blockieren die Funkrufgruppe. Auch in diesem Fall können Peterwagenbesatzungen nicht mehr funken. Allerdings funktioniert bei dieser Blockierung zumindest der Notrufknopf. „Es gab Fälle, in denen das Gerät eines abgestellten Funkstreifenwagens eine ganze Nacht lang auf Sendung war und damit den Funkverkehr störte“, so der Beamte. „Es ist erst einmal schwierig, den Verursacher zu finden. Dann muss jemand hinfahren und das Gerät abstellen.“

    Günter Krebs, Projektleiter Digitalfunk, bestätigt beide Probleme. „Ja es gibt sie“, sagt er. „Beides sind Probleme, die beseitigt werden müssen.“ Daran arbeiteten die Polizei und der Hersteller mit Hochdruck. Bislang allerdings vergebens. Beim „Sonnenbrandproblem“ ist man der Ursache auf der Spur. Es hat bereits vielfältige Versuche gegeben. Unter anderem wurden Funkgeräte in einen Backofen gesteckt. Das Ergebnis: Das Gerät schmilzt, funktioniert aber noch. „Es ist offensichtlich eine Mischung aus Sonne und Wärme, die den Ausfall verursacht“, so Krebs. Je heller und wärmer es werde, desto eher trete der Fehler auf. „Wir hatten Glück, dass dieser Sommer nicht besonders sonnig war. Trotzdem kam es etwa 50 Mal zu derartigen Ausfällen“, so der Insider. „Das Fatale ist, dass man erst den Ausfall des Bedienteils bemerkt, wenn man funken will. Dann kann es im Ernstfall zu spät sein.“

    Noch komplexer ist laut Krebs das Problem der Phantomrufe, das bundesweit existiert. Netzbetreiber und die zuständige Bundesanstalt suchen den Fehler. Bislang ebenfalls erfolglos. „Das Gerät springt von sich aus an und schaltet sich nach zwei Minuten wieder ab“, sagt Krebs. „Manchmal schaltet es sich nach dem Abschalten sofort wieder an.“ Krebs beteuert, dass es sich um Einzelfälle handle. „Sie sind nervig, aber angesichts der Vorteile vertretbar.“ Die Funkabdeckung habe sich wesentlich verbessert. „Deswegen werden wir die Nachteile zunächst hinnehmen, aber vom Hersteller eine Lösung einfordern“, so Krebs. Vorwürfen, dass die Geräte auch billig eingekaufte, nicht optimale Bauteile enthielten, widerspricht er.

    Anders sieht das Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. „Jetzt zeigt sich, dass wir den hochwertigsten und nicht den ökonomischsten Anbieter gebraucht hätten“, sagt er. „Hier geht es um einen der Kernbereich für die Sicherheit der Kollegen. Da darf null Risiko hingenommen werden.“ Komme keine schnelle Lösung, müsse man den Digitalfunk „abschalten“.