Gewaltorgie mit politischem Nachspiel
Nach Schanzen-Krawallen: Justizsenator fordert Polizei auf, verwertbare Beweise zu liefern – Viele Betrunkene
Das zweite Schanzenfest am Wochenende und die gewalttätigen Ausschreitungen in der Nacht sorgen für Debatten in Hamburg: Morgen wird sich die Bürgerschaft in ihrer Aktuellen Stunde mit den Krawallen befassen. Dabei gehen die Bewertungen weit auseinander.
Laut Bilanz der Polizei gab es 47 Festnahmen in der Nacht zum Sonntag. Die meisten Täter kommen aus Hamburg. Aber auch ein 22-jähriger Schweizer wurde in Haft genommen. Er hatte vor der Roten Flora mindestens 20 Flaschen auf Polizisten und Wasserwerfer geworden, zudem hatte er Barrikaden gebaut. „31 der Festgenommenen standen unter Alkoholeinfluss“, sagt Polizeisprecher Ralf Meyer. „Sie waren nicht angeheitert, sondern in der Regel richtig betrunken.“ Nur sieben Festgenommene sind laut dem Staatsschutz dem Kern der linksautonomen Szene zuzuordnen.
Das untermauert die Einschätzung der Polizei, dass viele Krawallmacher das Schanzenfest als willkommenen Anlass für Ausschreitungen ansehen. Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Polizeigewerkschaft, sagt: „Das ist für die Täter eine Gelegenheit, eine Gewaltorgie auszuleben.“
Für die SPD stand am Montag die Strafverfolgung im Vordergrund: „Gewalttäter haben einmal mehr alle Hoffnungen auf ein friedliches Schanzenfest zunichte gemacht. Es kann nicht sein, dass sie sich erst irgendwann im nächsten Jahr dafür verantworten müssen“, sagt SPD-Innenexperte Andreas Dressel, der auf Senatsanfragen der SPD verweist.
Demnach mussten sich die Gewalttäter aus dem Jahr 2008 teils noch nicht vor Gericht verantworten. Aus 81 Strafanzeigen waren 57 Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, 17 landeten bisher vor Gericht.
Justizsenator Till Steffen (GAL) sagte dem Sender „Hamburg 1“, die Verfahrensdauer der Ermittlungen nach Straftaten bei solchen Ausschreitungen hinge „immer mit der Qualität der Ermittlungen“ zusammen. Dies könne auch an den Polizeibeamten liegen, erklärte Steffen. „Je besser ermittelt wird, desto schneller kann Anklage erhoben werden. Je unklarer die Ermittlungsergebnisse sind, um so eher muss dann auch noch mal die Akte an die Polizei zurückgegeben werden.“
Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) stellte sich hinter den Polizeieinsatz: „Wir hatten es am Wochenende mit zahlreichen gewaltbereiten Straftätern zu tun, daher war der starke und kompromisslose Polizeieinsatz absolut notwendig.“
„Es war bis zum späten Abend ein friedliches Fest“, zieht GAL-Innenexpertin Antje Möller Bilanz. Danach habe man die „bittere Erfahrung“ machen müssen, dass es in der Nacht doch zu Ausfällen gekommen sei. Das veränderte Konzept der Polizei nannte sie erfolgreich. Ihre Schlussfolgerung: „Es gibt keinen Grund, wegen solcher Ausfälle das Schanzenfest nicht zu ermöglichen.“
Auch für Altonas CDU-Fraktionschef Uwe Szczesny haben das Schanzenfest und die Krawalle wenig miteinander zu tun. „Die Botschaft an die Organisatoren ist: Meldet dieses Fest künftig an.“ Sehr viel kritischer sieht Christiane Schneider (Linke) den Einsatz. „Bis um 1.20 Uhr war es ein friedliches Fest. Das änderte sich. Wenn aber vonseiten der Behörde Krawalle ankündigt werden, dann kommt es schließlich auch dazu“, stellt sie fest. Der Polizeieinsatz nach den Ausschreitungen vor der Polizeiwache sei „absolut unverhältnismäßig“ gewesen. Schneider fragt auch, warum es an der Polizeiwache an der Stresemannstraße, die angegriffen wurde, keinerlei Objektschutz gegeben habe. Das Gebäude sei nicht besonders gesichert gewesen, es habe kaum Licht gebrannt. Dies nennt sie „fast schon eine Einladung an Krawallmacher“.