Die Welt: „Nicht mehr Herr der Lage“
Kurzzeitig erschien es in diesem Jahr so, als könnten die Sicherheitsbehörden im Kampf gegen die Auto-Brandstifter erfolgreich sein – doch die Gesamtbilanz ist verheerend
Weit mehr als 300 Fahrzeuge wurden 2011 bereits zerstört oder beschädigt
Polizei setzt weiter auf Prävention durch gezieltes Ansprechen von potenziellen Tätern
Das Anfang des Jahres eingeführte Konzept der Polizei zur Bekämpfung von Autobrandstiftungen – es muss wohl als Flop bezeichnet werden. In diesem Jahr wurden bereits 280 Fahrzeuge im Hamburger Stadtgebiet angesteckt. Damit könnte bis zum Jahresende die bislang unerreichte Marke von 300 Brandstiftungen an Autos überschritten werden. Und die Täter sind weiterhin kaum zu fassen, nur in vereinzelten Fällen gab es Festnahmen. Ein Ende der mittlerweile zum Massendelikt gewordenen Autobrandstiftungen ist nicht absehbar; Experten gehen davon aus, dass es auch in den kommenden Jahren ein Problem bleibt.
Im Sommer hatte es noch gut ausgesehen, nachdem die Polizei die Strategie geändert hatte. Statt auf Präsenz wurde auf sogenannte Gefährderansprachen gesetzt, bei denen potenzielle Tätergruppen gewarnt wurden. Das Konzept schien aufzugehen. Nach einem feurigen Frühling, der seinen Höhepunkt in der Nacht zum 2. Mai erreichte, als 18 Autos völlig oder teilweise durch Feuer zerstört wurden, folgte ein deutlich ruhigerer Sommer. Die Zahl der Autobrände ging von Juni an drastisch zurück. „Die Taten in den ersten Monaten des Jahres waren schwerpunktmäßig in zwei Bereichen Hamburgs verübt worden. Dadurch konnte man sehr gezielt Verdächtige ansprechen und ihnen vermitteln, dass man sie unter Beobachtung hat“, so ein Beamter. Offenbar hatte man damals die Richtigen angesprochen.
Mittlerweile ist der Effekt jedoch verpufft. Seit Mitte Oktober brennen Autos wieder regelmäßig lichterloh in Hamburg. Waren Anfang 2011 noch die Bereiche rund um Lurup und der Nordosten Hamburgs besonders betroffen, entwickelte sich der Bereich Altona in den vergangenen Monaten zu einem neuen „Brennpunkt“. „Man kann davon ausgehen, dass eine nicht unerhebliche Anzahl der Taten auf ‚anpolitisierte‘ Jugendliche geht, die sich der der linken Szene zugehörig fühlen“, so der Polizist.
Darüber, wie lässig diese Taten verübt werden, können sich Ordnungshüter aktuell im Intranet der Polizei Bilder einer Überwachungskamera ansehen. Sie zeigen einen dunkel gekleideten Jugendlichen, der von Auto zu Auto schlendert und plötzlich Feuer legt. Für eine Fahndung taugt das Material nicht. Auch dieser Täter dürfte, wie fast alle Autobrandstifter, ungeschoren davonkommen. „Man muss leider feststellen, dass man letztendlich nicht Herr der Lage geworden ist“, sagt Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft.
Dabei hatte die Polizei alle Register gezogen. Der Polizeihubschrauber mit seiner Wärmebildkamera schwebte als „fliegendes Auge“ über dem nächtlichen Hamburg. Das zeigte ebenso wenig Wirkung wie die hohe Belohnung von 20 000 Euro, die für die Ergreifung von Autobrandstiftern ausgesetzt wurde. Lenders: „Man kann nur auf die Justiz hoffen, die bei der Verurteilung von überführten Autobrandstiftern ein klares Signal setzt. Wir werden uns darauf einstellen müssen, dass dieses Phänomen noch die kommenden Jahre die Hamburger belasten wird.“ Dafür spricht auch die Statistik. Die Zahl der Autobrände, die lange Jahre um die 100 Fälle lag, schnellte 2009 auf 185 und 2010 auf sogar 297 hoch.
Was die Statistik verschweigt: Die Zahl der Geschädigten ist weitaus höher. So wurden 2011 bislang zwar 280 Autos angesteckt, de facto gibt es aber um die 350 geschädigte Fahrzeughalter. Die mehr als 70 Fahrzeuge, die als „Kollateralschäden“ durch Flammen und Hitze beschädigt wurden, sind in der Statistik nicht berücksichtigt.