Polizisten sind die Prügelknaben sozial Frustrierter
1444 Angriffe auf Polizisten gab es im vergangenen Jahr. Nach Ansicht von Gewerkschaftler Joachim Lenders ein Ausdruck „zunehmender Gewaltbereitschaft und mangelnden Respekts“. Carsten Neff sprach mit dem Hamburger Landesvorsitzenden der DPolG.
„bz“: Herr Lenders, ist der Einsatz in Neuallermöhe wirklich symptomatisch für einen Autoritätsverlust der Polizei?
Joachim Lenders: Ja und Nein. Einerseits war dieser Einsatz glücklicherweise eine Ausnahme. Wir fahren in Hamburg jedes Wochenende 100 Einsätze wegen Ruhestörungen, meistens sind die Verursacher einsichtig. Andererseits kommt es gerade bei Routineeinsätzen immer häufiger zu Beleidigungen und auch körperlichen Angriffen auf die Kollegen.
Ist es für Polizisten denn in den letzten Jahren gefährlicher geworden?
Der Polizeiberuf war immer schon mit Gefahren verbunden, doch diese haben sich gewandelt. Als ich 1979 auf dem Streifenwagen anfing, waren Banküberfälle oder Fahndungen nach Raubtaten die potenziell gefährlichen Einsätze. Da rechnet man als Polizist mit Gegenwehr und es werden auch mehrere Streifenwagen eingesetzt. Heute sind es häufig die kleinen Routineeinsätze, die zu plötzlichen Gewaltausbrüchen führen. Das ist oft gefährlicher, weil die Streifenwagenbesatzung nicht damit rechnet und allein ist.
Wie erklären Sie sich diesen Wandel des Polizeialltags?
Wir haben weniger mit Verbrechern zu tun, als vermehrt mit sozial frustrierten Menschen. Die sozialen Probleme werden auf die Polizei abgewälzt und die Uniformträger, als Repräsentanten des Staates, kriegen dann die Wut der Bürger ab. Die Polizei wird zum Prügelknaben der Nation. Und milde Strafen der Justiz, am unteren Ende des Strafrahmens, wirken bei solchen Übergriffen auch nicht gerade abschreckend.
Was hat das für Auswirkungen auf die Stimmung und Einsatzbereitschaft?
Der Idealismus junger Kollegen schwindet schnell. Die vergleichsweise schlechte Bezahlung und hohe Arbeitsbelastung führt zu Unmut. Und wir haben immer weniger Bewerber. Waren es vor zehn Jahren bis zu 1000 Bewerber auf eine Stelle, so sind es derzeit nur noch fünf bis acht. Eine Beamtenlaufbahn beim Finanzamt oder der Verwaltung ist für viele eben attraktiver.