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    Unter Generalverdacht

     

    Die SPD und die Polizisten-Kennzeichnungen – eine Analyse

    Die Anträge, die Debatten und die Beschlusslage des SPD-Landesparteitags zur Kennzeichnungspflicht für Polizeivollzugsbeamte – das alles weckt ungute Erinnerungen. Neu ist dieses Thema für die Regierungspartei wahrlich nicht. In den 90er-Jahren hatte sich in der SPD ein Klima des Misstrauens gegenüber der Polizei verfestigt, an dem deren Führung nicht unbeteiligt war. Vorgänge wie der „Hamburger Kessel“ und der Sicherheitsskandal Pinzner 1986, die Auseinandersetzungen um die Hafenstraßen-Häuser und manche anderen Demonstrationseinsätze hatten ihre Spuren hinterlassen. Forderungen nach Namensschildern für die Polizei waren die regelmäßige Folge.

    Hinzu kam aber eine vom linken Parteiflügel kräftig geschürte Grundstimmung, die alles zu tabuisieren suchte, was an den Grundsatz „Law and order“ erinnerte. Das Credo war: Nicht die Innere Sicherheit ist das Kardinalproblem der Gesellschaft, sondern ihre sozialen Defizite. Nicht Polizisten, sondern vor allem Sozialarbeiter brauche die Stadt. Zu spüren bekam das vor allem der damalige Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD), der von 1994 bis 2001 an der Spitze der Innenbehörde stand.

    Mit Bildung der rot-grünen Koalition 1997 wurde der Argwohn gegenüber der Polizei Bestandteil der Senatspolitik. Denn nun wurde eine spezielle „Polizeikommission“ aus unabhängigen Experten eingerichtet. Diese außerparlamentarische Institution zur Kontrolle der Polizei war damals bundesweit ein Novum. Allerdings konnte die GAL nicht verhindern, dass dieses Gremium vom Innensenator berufen wurde und lediglich ehrenamtlich tätig war. Zu den Wortführern gehörte der Hamburger Soziologe und Kriminologe Professor Fritz Sack. Die Kommission, an die sich Privatpersonen ebenso wie Polizeibeamte wenden konnten, sollte nach ihrem gesetzlichen Auftrag in völliger Unabhängigkeit „interne Fehlentwicklungen und daraus folgende Gefährdungen der Einhaltung rechtsstaatlichen Verhaltens der Polizei“ erkennen und darüber berichten. Für die Ermittlung und Aufarbeitung von Einzelfällen war sie nicht zuständig – das war Sache des Dezernats Interne Ermittlungen (DIE) in der Innenbehörde. Aber natürlich waren diese Fälle das „Rohmaterial“, aus dessen Aufbereitung die Polizeikommission ihre Schlüsse zog. Deshalb geben die beiden Kommissionsberichte aus den Jahren 1999 und 2000 auch brauchbare Anhaltspunkte zu der Frage, wie viel Misstrauen gegenüber der polizeilichen Tätigkeit gerechtfertigt ist oder nicht. Im ersten Jahr beschäftigte sich die Kommission mit 61 und im zweiten Jahr mit 70 Konfliktfällen, die ihr zugetragen wurden. Da ging es um Vorwürfe wie Beleidigung, Freiheitsberaubung, Körperverletzung im Amt, Hausfriedensbruch, Verstoß gegen die Verhältnismäßigkeit, auch um Mobbing. Das Ergebnis war: Fast alle Fälle wurden ohne Folgen eingestellt, die anschließenden disziplinarrechtlichen Überprüfungen ebenfalls.

    Das war damals nicht gleichbedeutend mit der Feststellung, dass es im Polizeiapparat keine Übergriffe gegeben habe. Aber es war doch ein empirisches Datenmaterial, das niemand außer Acht lassen konnte.

    Die Hamburger Polizei sah sich damals unter einen Generalverdacht gestellt, und viele Beamte, nicht nur die Polizeigewerkschaften, begegneten der Polizeikommission mit unverhohlener, kalter Ablehnung. Für die SPD hatte das damals eine verheerende Folge: die „innere Kündigung“ vieler Ordnungshüter gegenüber ihrem Dienstherrn. Es war der Rechtspopulist Ronald Barnabas Schill, der 2001 davon profitierte – eine seiner ersten Amtshandlungen war die ersatzlose Abschaffung der Polizeikommission. Die SPD ist dabei, ihren Fehler von damals zu wiederholen. Es gibt keinen erkennbaren Anlass für die nun erneut geforderte Kennzeichnungspflicht. Hilfreich wäre es gewesen, wenn der Parteitag stattdessen darüber diskutiert hätte, wie der Dienstherr Hansestadt Hamburg zum Beispiel mit den Beamten und Beamtinnen umgeht, die regelmäßig bei Einsätzen gegen Gewalttäter von links und rechts ihre Knochen hinhalten und ihre Gesundheit aufs Spiel setzen müssen. Da liegen die Defizite, nicht in den fehlenden Namen oder Nummern.