Darum ließen sie den Vergewaltiger laufen
Serientäter Mark S. (35) missbrauchte wieder eine Frau(65). Gericht verteidigt seine Entlassung
Der Fall Mar, S. macht fassungslos: Fünf Frauen hatte der 35-Jährige aus Ottensen vor 13 Jahren vergewaltigt – und wurde Mitte Januar freigelassen. Obwohl ein Gutachter vor dem Rückfalll-Risiko warnte. Nicht mal die Polizeibewachung oder eine Fußfessel verordneten die Richter – trotz Angrags der Staatsanwaltschaft. Kaum war Mark S. frei, missbrauchte er das nächste Opfer. Das zuständige Gericht fühlt sich nicht verantwortlich.
Das Mark S. wieder eine Frau überfallen und vergewaltigen würde, war schon Monate vor der Haftentlassung absehbar: Im Herbst begutachtete ein Psychologe Mark S. – und warnte vor der Gefahr, die von dem Serientäter ausginge. Warum also wurde keine nachträgliche Sicherheitsverwahrung angeordnet? „Die Staatsanwaltschaft hat eine Fußfessel beantragt“, sagt Gerichtssprecher Aleander Witt. „Die Fußfessel wurde vom Gericht abgelehnt, da sie den Mann nicht von weiteren Straftaten abgehalten hätte.“ Und um Mark S. weiter wegzusperren, hätten die rechtlichen Voraussetzungen gefehlt. Eine nachträgliche Sicherheitsverwahrung ist nur möglich, wenn eine psychische Erkrankung festgestellt worden ist. Das war bei Mark S. nicht der Fall.
Für Joachim Lenders ein Skandal: „Dass der Mann nach wenigen Tagen wieder eine abscheuliche Tat begangen hat, zeigt, dass die Justiz versagt hat. Man hätte alles daran setzen müssen, an dem Mann dranzubleiben“, sagt der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (MOPO am Sonntag berichtete).
Auch der SPD-Rechtsexperte Urs Tabbert ist „schockiert“: Wieso wurde hier keine Sicherungsverwahrung angeordnet? Alle, die stets dagegen wettern, können an diesem Fall sehen, dass die sehr sinnvoll sein kann.“ Er widerspricht auch dem Gericht, dass die rechtlichen Voraussetzungen fehlten: In engen Grenzen könne die durchaus angeordnet werden.
Doch das Gericht ordnete lediglich eine strengere Führungsaufsicht an: Diese beinhaltete unter anderem, sich regelmäßig bei einem Bewährungshelfer zu melden, alle 14 Tage zum Therapeuten zu gehen, keine Waffen zu tragen und zum Arbeitsamt zu gehen. Geholfen hat das nicht: Auf einem Friedhof an der Bernadottestraße (Ottensen) überfiel Mark S. am vergangenem Dienstag um kurz nach Mitternacht eine 65-Jährige, die nach einer Theatervorstellung noch das Grab ihres Mannes aufsuchte. Die Frau wehrte sich verzweifelt, Mark S. rang sie nieder und missbrauchte sie wie all die Frauen zuvor.
Die Polizei wurde schnell auf den Mann aufmerksam, er wohnte nur rund einen Kilometer vom Tatort entfernt. Der 35-Jährige wurde festgenommen. Doch der Haftrichter ließ ihn erst wieder laufen – weil ihm überzeugende Beweise für den Überfall fehlten. Erst als bei einer Wohnungsdurchsuchung Faserspuren von Täter und Opfer gefunden wurden, kam er in den Knast.
Auch innerhalb der Polizei reagiert man fassungslos: „Um handfeste Beweise zu erlangen, mussten wir in die Wohnung ohne richterliche Genehmigung stürmen. So etwas ist mir in meiner jahrzentelangen Laufbahn noch nicht passiert“, sagt ein Beamter. „Mit einer Fußfessel hätte man die Schuld immerhin gleich nachweisen können“.
Die Politik fordert jetzt Aufklärung. CDU Rechtsexperte Andrè Trepoll (CDU): „Wenn das so stimmt, ist hier wirklich der schlimmstmögliche Fall eingetreten. Warum hat das Warnsystem nicht angeschlagen? Das muss alles aufgearbeitet werden.“