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    Deutlich weniger Polizei auf Hamburgs Straßen – Scharfe Kritik der SPD

    

    Rückgang der Präsenz um 21 Prozent innerhalb eines Jahres – CDU und Innenbehörde kontern: Sinkende Kriminalität beweise, dass die Polizei gut arbeite – Viele Großeinsätze als mögliche Ursache

     

    Kaum noch Zeit für präventive Einsätze in Hamburgs Stadtteilen, kritisiert die SPD

    Doch CDU und Innenbehörde weisen die Aussagekraft der Daten zurück

    Weniger Polizisten patrouillieren auf den Straßen Hamburgs: Die SPD wirft dem Senat vor, dass die Zahl der Stunden, die Beamte auf der Straße verbringen, drastisch gesunken ist, und zwar um 21 Prozent innerhalb eines Jahres. Mitten im heißen Wahlkampf haben die Sozialdemokraten eine Kleine Anfrage zur sogenannten Polizeipräsenz gestellt, die für den Senat problematische Ergebnisse liefert. Aber CDU und Innenbehörde weisen diese Vorwürfe zurück und halten die Daten nicht für sehr aussagekräftig. Vor allem aber werde die sinkende Kriminalität das Gegenteil beweisen – denn in dieser Woche wird die neue Kriminalstatistik vorgestellt.

     

    Doch SPD-Innenexperte Andreas Dressel verweist auf eindeutige Zahlen aus der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage: Im Jahr 2010 habe die Polizei genau 429 754 sogenannter Präsenzstunden geleistet, im Jahr 2009 waren es noch 543 187 Stunden – das entspreche einem Minus von fast 21 Prozent. Noch deutlicher fällt der Jahresvergleich zum Spitzenwert der Präsenzstunden im Jahr 2006 aus. Damals, einem Höchststand der Polizeipräsenz in Hamburg, wurden laut Senatsantwort noch 652 588 Präsenzstunden geleistet.

     

    Dressels politische Kritik ist eindeutig: „Der CDU-geführte Senat hat den Menschen immer versprochen, dass an der Präsenz unserer Polizei auf der Straße nicht gespart wird. Die Zahlen zeigen – das Gegenteil ist der Fall. Dabei ist doch gerade die uniformierte Präsenz vor Ort für das Sicherheitsempfinden der Menschen von zentraler Bedeutung.“

     

    Der Senat selbst räume in seiner Antwort ein, dass die tatsächliche Polizeipräsenz „in Abhängigkeit von Einsatzanlässen sowie dem über die Gestellung der Grundlast hinaus zur Verfügung stehenden Personal“ stehe. Der SPD-Politiker betont: „Mit anderen Worten: Hamburgs Polizei wird zunehmend zur reinen Notruf-Polizei. Für präventive Präsenz im Stadtteil, die Straftaten verhindert, für die direkte Arbeit mit dem Bürger hat unsere Polizei immer weniger Personal und immer weniger Zeit.“

     

     

    Besonders deutlich treffe es laut Dressel die Stadtteile, in denen Kommissariate geschlossen und zusammengelegt wurden. Denn hier sollen die Rückgänge gar bei 62 Prozent liegen. „Gerade bei den geschlossenen Kommissariaten haben die früheren Innensenatoren deutlich gemacht, dass nur bei den Häuptlingen und nicht bei den Indianern gespart werde“, meint der Oppositionspolitiker. „Die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Gerade diese Zahlen sind eine schlechte Nachricht für die Menschen in Eimsbüttel, Harburg, Barmbek und in der City. Bei der bürgernahen Polizeiarbeit muss umgesteuert werden. Unsere Vorschläge liegen dazu auf dem Tisch.“ „Die Menschen haben nicht das Gefühl, dass die Zahl der Polizisten auf der Straße wirklich zurückgegangen sei. Das ist schlicht Blödsinn“, meint dagegen CDU-Innenexperte Kai Voet van Vormizeele. Schließlich habe es auch viele Großereignisse gegeben, zu denen die Polizei im Einsatz war, sodass die Zahlen über die Präsenz wenig aussagekräftig seien. „Die Polizei klagt zu Recht über viele Überstunden – was zeigt, was für eine fleißige Polizei wir haben.“

     

    Auch Ralf Kunz, Sprecher der Innenbehörde, erhebt Einspruch gegen die SPD-Kritik: „Die Präsenzdienste an den Polizeikommissariaten wurden erheblich reduziert“, räumt er ein, betont aber: „Die Beamten sind aber immer noch da, sie werden lediglich anders eingesetzt, und zwar dort, wo auch Bedarf ist.“

     

    Die wesentliche Frage sei, was dem Bürger wichtig wäre. „Er möchte, dass nicht bei ihm eingebrochen wird, dass er auf der Straße sicher ist, dass sein Auto nicht brennt, seine Kinder behütet aufwachsen und wenn er den Notruf wählt, schnell Polizei zur Stelle ist.“ Dafür setze die Polizei die Mitarbeiter ein, übrigens 514 mehr als noch Ende 2001. Die Abschaffung der reinen sogenannten Präsenzdienste sei richtig gewesen. Kunz: „Das werden wir in dieser Woche anlässlich der Vorstellung der Kriminalstatistik zeigen.“ Mehr Polizisten auf der Straße seien immer gut, die Beamten müssen aber auch bezahlt werden. „Die gute und erfolgreiche Arbeit der Polizei wegen zurückgehender Präsenzstunden anzuzweifeln ist nicht angebracht.“

     

    Die Polizei gibt Kunz recht: Gerade repressiv ausgelegte Einsätze wie der Einsatz von Zivilfahndern gegen Einbrecher bringen der Statistik keine Präsenzstunden – aber Festnahmen. „Ich halte von den Zahlen nicht ganz so viel“, sagt Joachim Lenders von der Deutschen Polizeigewerkschaft. „Es kommt immer darauf an, was man gerade in den Präsenzdienst reinrechnet. Sie haben nicht unbedingt etwas damit zu tun, wie viel Polizei auf der Straße ist.“ Dass die Zahl der Präsenzstunden stark zurückgeht, wundert Lenders nicht. „Die Abschaffung der Präsenzschichten an den Wachen hat natürlich in größerem Umfang dazu geführt.“ Auch die Zahl der Schwerpunkteinsätze sei dadurch zurückgegangen. Polizeiintern werden auch die vielen Großeinsätze für den Rückgang der Präsenzstunden verantwortlich gemacht. Dort, wo früher die Polizeiführung einige Züge der Bereitschaftspolizei einsetzte, werden jetzt Hundertschaften angefordert.

     

    Dressel lässt dies aber nicht gelten: Selbstverständlich könne man an den Präsenzstunden abmessen, wie viele Beamte auf der Straße im Einsatz seien. Dies habe der CDU-geführte Senat selbst ab dem Jahr 2001 getan – dementsprechend müsse er sich jetzt an seinen eigenen Kennziffern messen lassen.