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    Justizsenator im Kreuzverhör

    Als Justizsenator ist er zuständig für Gerichte, Staatsanwaltschaften und Strafvollzug: Im ersten Teil des HAN-Interviews äußert sich Till Steffen (37) zur Kritik des Landesvorsitzenden der Polizeigewerkschaft, Joachim Lenders, und über den Fall „Pascal E.“, bei dem die Staatsanwaltschaft von einer Schuldunfähigkeit des Täters ausgeht.

    Der Justizsenator stellte sich den Fragen von HAN-Mitarbeiter Florian Kleist.

    HAN: Ein Grüner als Justizsenator: Wie oft ist Ihnen eigentlich schon signalisiert worden, dass das nicht so richtig zusammenpasst?

    So direkt eigentlich noch nicht. Es hat ja schon ein paar grüne Justizminister in anderen Ländern gegeben. So zum Beispiel vor einigen Jahren Wolfgang Wieland in Berlin. Das ist also nicht ganz untypisch, weil die Grünen einen sehr großen Wert auf die Wahrung der Bürgerrechte legen. Deshalb kann dieses typische Wechselspiel zwischen Justiz und Innenbehörde ganz gut bedient werden, wenn auf der Justizseite ein Grüner ist. Was natürlich bei Justiz und bei Innenpolitik eine große Rolle spielt ist, dass wir Grünen deutlich machen, dass wir die Sorgen der Menschen ernst nehmen und reagieren, ohne populistischen Strömungen hinterherzulaufen, die hier immer eine große Rolle spielen.

     Dann kommen wir doch gleich zu den populistischen Strömungen: nämlich dem Schrei nach härteren Strafen. Der Hamburger Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft, Joachim Lenders, hat im HAN-Gespräch in Bezug auf Jugendgewalt kritisiert, dass unter dem „grünen Justizsenator Steffen das Pendel nicht in Richtung härtere Strafbefehle ausgeschlagen ist“. Wie sehen Sie das? Ist bei Ihnen das Pendel in diese Richtung ausgeschlagen?

    Also der Punkt ist zunächst: Über die Härte der Strafe entscheiden die Richterinnen und Richter, und das tun sie natürlich unabhängig! Die würden es sich verbitten, wenn der Justizsenator sagen würde: „Jetzt wird es mal Zeit für härtere Strafen!“ Das hat Herr Kusch zwar gemacht, aber es hatte überhaupt keine Wirkung. Es gab zwar eine fehlerhafte Statistik, die das suggerierte. Aber es ist in Wahrheit nicht so, dass sich die Richterinnen und Richter davon beeindrucken lassen würden. Sie urteilen auf der Grundlage von Straftatbeständen mit einem bestimmten Strafrahmen und innerhalb dessen müssen sie eine angemessene Strafe finden. Die Politik hat auf die Frage, wie hart Strafen ausfallen, aufgrund der Gewaltenteilung keinen Einfluss. Ich sehe meine Aufgabe schon darin, die Justiz gegen Kritik zu verteidigen, soweit sie unzutreffend ist. Aber gerade vor dem Hintergrund richterlicher Unabhängigkeit ist es nicht meine Aufgabe, darauf zu drängen, dass sich die Strafen in eine bestimmte Richtung entwickeln.

    Nun spielt aber beim Thema Sicherheit auch immer das Gefühl eine Rolle, dass die Täter eine gerechte Strafe erfahren. Wie können Sie das vermitteln?

    Ich finde es wichtig, deutlich zu machen, dass die Sachen, die die Gerichte zu entscheiden haben, häufig vielschichtiger sind als das, was dann in den Medien rüberkommt und lediglich durch Schlagzeilen transportiert wird. Wir haben durchaus Fälle, bei denen die Strafe nicht am unteren Ende des Strafmaßes liegt. Wenn Sie an den Fall denken, bei dem jemand am U-Bahnhof Billstedt zusammengetreten wurde: Hier wurde ein Täter zu viereinhalb Jahren verurteilt. Das ist schon eine ganz erhebliche Strafe. Man muss natürlich auch immer sehen: Wir wollen, dass die Leute nicht erneut Straftaten begehen und dabei ist es nicht immer hilfreich, wenn man sie ins Gefängnis steckt. In einigen Fällen leisten wir einen größeren Beitrag, wenn wir die Leute so stabilisieren, dass sie nicht weiter straffällig werden.

    Im Fall „Pascal E.“, der im Juni dieses Jahres an der Bremer Straße erstochen wurde, beantragt die Staatsanwaltschaft die Schuldunfähigkeit des Täters. Viele finden das ungerecht, weil er „nur“ in ein Krankenhaus kommt und nicht ins Gefängnis: Können Sie unter anderem den Angehörigen die Sorge nehmen, dass der Täter nach zwei Jahren wieder rauskommt?

    Es ist nicht so, dass die Leute im Maßregelverzug – so heißt die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus – kürzer hinter verschlossenen Türen sitzen als für die gleiche Tat verurteilte Straftäter, sondern es kann – je nachdem – auch länger sein. Es hängt davon ab, ob eine Aussicht auf Besserung besteht. Es kann also sein, dass sie über lange Zeit in einem geschlossenen Krankenhaus sind. Das ist auch nicht gerade witzig, in einem Krankenhaus eingesperrt zu sein. Mit dem Umstand, dass jemand schuldunfähig ist, müssen wir uns abfinden: Aber durch die Einweisung erfolgt der Schutz der Bevölkerung. Die Leute fragen natürlich zu Recht: Moment mal, der ist schuldunfähig, hat einen Menschen umgebracht, passiert das jetzt möglicherweise einfach wieder? Aber das ist eben nicht die Konsequenz: Er wird in ein Krankenhaus eingewiesen, dort behandelt und nur, wenn er sich gebessert hat und nicht mehr gefährlich ist, kann er entlassen werden.

    Die Sorge vieler ist, dass die Dauer der Unterbringung dann nicht mehr in den Händen der Justiz liegt, sondern in denen von Gutachtern?

    Das ist so nicht richtig: Die Entscheidung über die Freilassung trifft nach wie vor ein Gericht. Das läuft genauso nach den Regeln des Strafgesetzbuchs, aber natürlich auf der Basis von Gutachten. Diese kommen an einer Vielzahl von Stellen zum Tragen, und die Richterinnen und Richter müssen sich selbst überzeugen, ob das, was in dem Gutachten steht auch richtig ist. In vielen Fällen wird die Meinung eines zweiten Gutachters eingeholt, wenn etwas nicht wirklich überzeugend ist. Es ist zwar statt Gefängnis Krankenhaus, aber prozessual gesehen relativ ähnlich, wenn man das Ganze betrachtet.