Die Welt: Nur jeder sechste Gewalttäter muss in Haft
Die meisten kommen mit Bewährung davon – Gesamtzahl der Verurteilungen geht deutlich zurück
Fast alle 18- bis 20-Jährigen wurden nach dem milderen Jugendstrafrecht verurteilt
Klarer Rückgang der Jugendgewalt wird auch von der Polizeistatistik bestätigt
Der Anteil der Jugendlichen und Heranwachsenden an der Gruppe der verurteilten Gewalttäter ist im vergangenen Jahr in Hamburg erheblich zurückgegangen. Das geht aus den Erhebungen des Statistikamtes Nord hervor. Danach waren im Jahr 2010 genau 43 Prozent der Verurteilten zwischen 14 und 20 Jahre alt. Im Vorjahr waren es noch 51 Prozent gewesen. Die Entwicklung korrespondiert mit der Kriminalstatistik der Polizei, die auf 2010 einen Rückgang der jugendlichen Tatverdächtigen um 5,9 Prozent ausweist.
Auch insgesamt ist die Zahl der verurteilten Gewalttäter in Hamburg von 2009 auf 2010 zurückgegangen – um sechs Prozent auf jetzt 1281 Verurteilungen. Von den schuldig Gesprochenen erhielten lediglich 16 Prozent eine Freiheits- oder Jugendstrafe. Für mehr als die Hälfte der Angeklagten war es nicht die erste Konfrontation mit der Justiz. Sie waren bereits vorbestraft. 30 Prozent der Angeklagten hatten keine deutsche Staatsbürgerschaft.
Nicht einmal jeder sechste verurteilte Täter, der 2010 in Hamburg wegen Gewaltdelikten verurteilt wurde, musste deswegen eine Haftstrafe antreten. „Lediglich 16 Prozent der Angeklagten, 203 Personen, erhielten eine Freiheits- oder Jugendstrafe ohne Bewährung“, heißt es von einem Mitarbeiter des Statistikamtes. In 35 Prozent der Fälle wurde die Strafe zur Bewährung ausgesetzt. 403 Täter kamen so um eine Inhaftierung herum. In 16 Prozent der Fälle verhängten die Richter eine Geldstrafe. In 33 Prozent der Fälle setzte das Gericht auf eine „erzieherische Sanktion des Jugendstrafrechts“. Dahinter verbergen sich Maßnahmen wie Arbeitsleistungen oder die Teilnahme an einem sozialen Training. 2009 war noch in 41 Prozent der Fälle auf „erzieherische Sanktionen“ gesetzt worden.
Die Statistik offenbart auch: Wer in Hamburg als Heranwachsender wegen Gewalttaten vor Gericht steht, kann fast immer mit einer Verurteilung nach dem wesentlich milderen Jugendstrafrecht rechnen. In 97 Prozent der Verurteilungen von 18- bis 20-Jährigen war das der Fall. Diese Zahl ist im Vergleich zum Vorjahr konstant geblieben.
„Die Statistik zeigt angesichts der vielen Verurteilten mit Vorstrafe und der hohen Zahl von Heranwachsenden, die nach dem Jugendstrafrecht belangt werden, dass junge Gewalttäter damit rechnen können, milde Richter zu finden“, sagt der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Joachim Lenders. Das sei in ganz Deutschland, aber insbesondere in Hamburg so. Lenders: „Das fördert am Ende gerade bei jüngeren Leuten die Akzeptanz von Gewalt mit manchmal, wie sich in London zeigt, verheerenden Konsequenzen.“