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Geht draußen feiern nur noch mit Hunderten Polizisten?

Es war noch früh am Silvesterabend, als sich auf dem Jungfernstieg Hunderte junge Männer versammelten, die nicht nur auf die anwesenden Polizisten aggressiv reagierten. Böller seien in die Menge geworfen worden, in der auch Kinder standen, so Augenzeugen. Erst als gegen 22 Uhr eine Hundertschaft der Bereitschaftspolizei an der Binnenalster aufmarschierte, beruhigte sich die Situation.

Ähnlich aggressive Gruppen traten auch in der Großen Freiheit auf. Die Polizei resümierte daraufhin: Ihr Einsatzkonzept sei zwar aufgegangen, aber auch notwendig gewesen. Weshalb ein fahler Beigeschmack bleibt, ungeachtet der anderen mehrere Zehntausend Menschen, die friedlich feierten. Wer sich aggressiv gebärdete, festgenommen wurde oder in Gewahrsam kam, ob es Flüchtlinge waren oder Deutsche mit Migrationshintergrund, ist noch nicht analysiert.

„Wir brauchen mehr sichtbare Polizeipräsenz“

Es erstaunt, dass erneut solch aggressive Gruppierungen auftraten, so wie im vergangenen Jahr, und möglicherweise nur die massive Polizeipräsenz dafür sorgte, dass sich die Bilder nicht wiederholten. Welche Lehren daraus insbesondere für andere Großveranstaltungen zu ziehen sind, wird derzeit bundesweit diskutiert, insbesondere nachdem sich ähnliche Phänomene auch in anderen Großstädten gezeigt hatten. Während CDU und Polizeigewerkschaft DPolG mehr Polizeipräsenz fordern, verweisen Polizei und Innenbehörde darauf, dass jede Veranstaltung einer eigenen Lagebeurteilung unterzogen werden müsse.

„Wir brauchen bei solchen und ähnlichen Feierlichkeiten mehr sichtbare Polizeipräsenz in der Öffentlichkeit. Und wir brauchen ein klares, unmittelbares Einschreiten der Polizeikräfte vor Ort und nicht erst, wenn es zu Straftaten gekommen ist, etwa, indem Platzverweise erteilt werden“, sagte Joachim Lenders, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) und CDU-  Bürgerschaftsabgeordneter. „Probleme, wie sie sich im Speziellen an Silvester zeigen, passieren das ganze Jahr, etwa zum Hafengeburtstag, wenn junge Männer sich zusammenrotten und in den Nachtstunden die Sau raus lassen.“

Immer wieder hätten Polizisten „wie Pappkameraden“ dagestanden, weil sie zu schlecht aufgestellt waren. „Weil sie nicht in der notwendig gebotenen Stärke vor Ort waren. Probleme, wie sie sich im Speziellen an Silvester zeigen, passieren das ganze Jahr, etwa zum Hafengeburtstag, wenn junge Männer sich zusammenrotten und in den Nachtstunden die Sau raus lassen. Wenn es kein Umdenken in den Köpfen gibt, dann werden auch die künftigen Silvesterfeiern und andere Großveranstaltungen ähnlich gesichert werden müssen.“

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Von Polizei angeschossen – Mann noch nicht ansprechbar

logo-weltDer 38-Jährige, der von zwei Beamten niedergeschossen wurde, ist noch nicht vernehmbar. Er hatte zuvor Passanten bedroht und in einem Keller eine schauerliche Nachricht aus Blut hinterlassen.

Mindestens zwei Schüsse gaben Polizisten am Sonnabendabend in Neuallermöhe auf einen möglicherweise psychisch gestörten 38-Jährigen ab, nachdem er die Beamten und mehrere Passanten bedroht haben soll.

 

Doch auch zwei Tage danach sind noch entscheidende Fragen offen. Insbesondere „die Umstände des Schusswaffengebrauchs“ seien nach wie vor unklar, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwältin Nana Frombach, am Montag. „Wir wissen noch nicht, was sich vor Abgabe der Schüsse abgespielt hat.“

Der Angeschossene ist nach einer Operation außer Lebensgefahr. Allerdings konnte er am Montag noch nicht vernommen werden. Er sei noch nicht ansprechbar, hieß es. Und auch die Aussagen der beiden Polizeibeamten liegen noch nicht vor.

Sie konnten noch nicht vernommen werden, sagte Oberstaatsanwältin Frombach. Die Ermittlungen dauerten an. „Im Moment haben wir keine Anhaltspunkte, von einer rechtswidrigen Tat der Polizeibeamten auszugehen.“ Es gebe klare Anhaltspunkte dafür, dass sie aus einer Bedrohungslage heraus gehandelt hätten. Die beiden wurden aus dem laufenden Dienst genommen. Wie in solchen Fällen üblich, wird die Schussabgabe von der Dienststelle Interne Ermittlungen bearbeitet, die Verfehlungen von städtischen Bediensteten aufdecken soll.

Gewerkschaft will Elektroschocker für Beamte

Medienberichten zufolge soll der 38-Jährige bereits am Freitagnachmittag einen Polizeieinsatz ausgelöst haben, nachdem er die Familie seiner Schwester angegriffen hatte. Die Polizei ermittelt wegen eines versuchten Tötungsdeliktes. Er flüchtete, bevor die Polizei eintraf. Am Samstagabend dann soll er, so die ersten Erkenntnisse, nachdem er sich selbst verletzt hatte, blutverschmiert aus einem Keller auf die Otto-Grot-Straße gelaufen sein. Er bedrohte Passanten und versuchte, Autos anzuhalten. In seinen Händen soll er dabei einen Fahrradständer gehalten haben – jene Waffe, mit der er auch die Polizisten bedroht haben soll. Die Beamten gaben zunächst Warnschüsse ab, auf die er nicht reagierte, woraufhin die Polizisten auf seinen Oberkörper zielten.

Auf dem Kachelboden des Kellers, aus dem er blutend hinausgelaufen war, entdeckten die Ermittler mit Blut geschriebene Sätze und Satzfragmente, die keinen zusammenhängenden Sinn ergaben, sowie Fotos von einer dreiköpfigen Familie, möglicherweise seiner eigenen. Der 38-Jährige wird nach seiner Genesung vermutlich in eine psychiatrische Klinik überstellt.

Unterdessen forderte die Polizeigewerkschaft DPolG, Polizeibeamte mit Elektroschockern auszustatten. Sie seien im Vergleich zur Schusswaffe als „die mildere Maßnahme“ anzusehen, sagte Vizelandeschef Freddi Lohse. In jedem Streifenwagen solle mindestens ein Taser sein. Dieser schließe die Lücke zwischen dem Schlagstock und der Schusswaffe, erklärte Lohse. Die Geräte schießen Metalldrähte mit Widerhaken auf den Gegner. Die Elektroden lähmen die Muskulatur des Getroffenen, der dann zu Boden fällt.

Wenn Polizisten im Dienst zu Opfern werden

logo-weltMehrere Hundert Polizisten werden jedes Jahr im Dienst verletzt. Die Entschädigung bleibt ihnen oft verwehrt, weil die Täter nicht zahlen können. Hamburg will deshalb die Gesetze ändern.

Der Anlass war zu banal, als dass Christian Zietz zunächst überhaupt einen Gedanken darauf verschwendete. „Ein Klassiker“, sagt der 32-Jährige. „Das Thema war für mich schon erledigt, noch bevor der Einsatz richtig begonnen hatte.“ An jenem Wochentag im Juni 2011 werden Zietz und seine Kollegin zu einem Hausfriedensbruch in einem der Autohäuser an der Automeile am Hamburger Offakamp gerufen.

 Die Beamten von der nahen Wache, die zur Verstärkung kommen, schickt er weg: Alles im Griff, signalisiert er ihnen. Ein Fehler. Der Grund der Einsatzes steht vor einem Tresen und diskutiert: ein Mann Mitte 40, Osteuropäer. Und psychisch krank. Aber das weiß Zietz noch nicht. „Kommen Sie bitte mit raus“, sagt Zietz, ein sportlich gebauter Zweimetermann noch – dann passiert, was ihn bis heute beschäftigt, fünf Jahre danach.

Wenn Schmerzensgeld jahrelang nicht gezahlt wird

Mit einem Stuhl in den Händen, hoch über dem Kopf erhoben und bereit ihn gegen Zietz zu schlagen, hatte sein Gegenüber in dem Autohaus plötzlich vor ihm gestanden, trotz der beiden Dosen Pfefferspray, die der 32-Jährige bereits gegen ihn geleert hatte. „Ich hab ihn zu Boden gebracht.“ Die beiden Männer rangeln, schlagen, wälzen sich auf dem blanken Fliesenboden, auf dem sich sonst die Nobelkarossen spiegeln. „Das passierte mitten am Tag, vor der Laufkundschaft.“ Zietz verspürt einen stechenden Schmerz in der Wade: Mit einem Biss durch den Stoff der blauen Uniformhose versucht sich der Mann aus der Umklammerung des Polizisten zu lösen. Die Zahnreihen zeichnen sich deutlich auf Zietz Haut ab.

„Ich hab schon einige Widerstände erlebt“, sagt der Bereitschaftspolizist. „Aber das war der heftigste. Das war brutal.“ Zietz hat einen blonden Schopf und ein schmales Gesicht, in dem seine eng anliegenden Augen auffallen. Auf dem Küchentisch vor ihm liegt ein Aktenordner. Der Ordner ist bis an den Rand gefüllt: Schreiben seines Anwalts, der Staatsanwaltschaft, des Gerichts. Es ist die Aktenlage eines Falls, der bis heute kein Ende gefunden hat, obwohl das Urteil längst gesprochen ist. 2000 Euro Schmerzensgeld wurden Zietz vom Zivilgericht längst zugesprochen. Doch gesehen hat er bislang keinen Cent, weil der andere nicht zahlen kann – kein Einzelfall, weshalb die Stadt ihre Fürsorgepflicht ausbauen will. Sie will künftig Schmerzensgeldansprüche von Polizisten und Feuerwehrleuten übernehmen, wenn der Täter nicht solvent ist.

Die von der Innenbehörde jüngst vorgestellte Gesetzesänderung wurde einhellig begrüßt. Bis sie allerdings umgesetzt sein wird, kann es noch dauern. In der Innenbehörde rechnet man damit für Anfang kommenden Jahres. Aktuell läuft die Abstimmung zwischen dem Personalamt und den Gewerkschaften und Interessenvertretungen. Eine zweite Senatsfassung würde dann von der Bürgerschaft im Laufe des Jahres beraten und mutmaßlich beschlossen werden. Zweifel gibt es daran eigentlich nicht, waren es doch die Fraktionen der Regierungskoalition, also Rot-Grün, die die Gesetzesänderung beantragt hatten.

 Mit Zinsen und Anwaltskosten belaufe sich die Summe auf mittlerweile fast 2500 Euro, rechnet Zietz, der in der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) organisiert ist, am Küchentisch auf. Doch es geht ihm nicht ums Geld. Es ist keine Summe, von der sein Leben abhängt. Schmerzensgeld soll keine materiellen Schäden decken, dafür gibt es die verschiedensten regulären Töpfe der Beamtenversorgung der Stadt. Es soll die immateriellen Schäden lindern, die Zietz erlitten hat. Mit seinen Worten: „Das Schmerzensgeld ist meine Genugtuung dafür, dass der andere Mist gebaut hat.“ Doch die Genugtuung ist bislang ausgeblieben.

Die Angst vor Infektionen

Menschenbisse sind nicht ohne, gefährlicher als Katzen- oder Hundebisse, deutlich infektiöser. Später im UKE wird sein Bein eingegipst. Das soll die Gefahr einer Entzündung mindern. Knapp zwei Wochen setzt er sich Thrombosespritzen, humpelt im Gips, dann kann er wieder zum Dienst. Was bleibt, ist die Angst vor einer Infektion mit HIV oder Hepatitis B. Monate dauert es, fast ein Jahr, bis er Sicherheit hat. Keine Antikörper, kein HIV. „Das hat mich überaus belastet. Ich will nicht wissen, was ist, wenn man mal in eine Drogenspritze fasst.“

630 Polizeibeamte und 24 Feuerwehrleute sind nach offizieller Zählung im vergangenen Jahr Opfer von Angriffen geworden. Die Zahlen, insbesondere bei den Beamten der Berufsfeuerwehr, dürften noch deutlich höher liegen, wie nicht zuletzt die Diskussion um die zahlreichen nicht angezeigten Gewaltvorfälle im Rettungsdienst aufgezeigt hatte. Allein in diesem Jahr gab es bereits mehr als 180 Fälle, in denen Polizisten durch Dritte verletzt wurden, vor allem bei Widerstandshandlungen, sagt Thomas Jungfer, der stellvertretende Landeschef der DPolG. Und: „Es liegt in der Natur der Sache, dass Polizisten aufgrund ihrer Tätigkeit eher angegriffen werden und es deshalb Sicherheit geben muss.“

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CDU empört über Linke

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Die jüngste Großrazzia gegen Drogendealer auf dem Hamburger Kiez mit 260 Beamten und 34 Festnahmen hat zu einem veritablen Streit in der Hamburgischen Bürgerschaft geführt. Während die Linken den Einsatz «einer mit Maschinenpistolen bewaffneten und vermummten Sondereinheit» unweit der Hafenstraße als überzogen bewerten und Aufklärung von Innensenator Andy Grote (SPD) verlangen, bezichtigt die CDU die Linken einer schändlichen Voreingenommenheit. Die Deutsche Polizeigewerkschaft sprach am Mittwoch von unerträglichen und anmaßenden Vorwürfen und Unterstellungen.

Die Polizei geht seit Wochen verstärkt gegen die Dealerszene in St. Pauli vor. Zuletzt rückte sie nach eigenen Angaben am Montagabend mit 260 Beamten in der Bernhard-Nocht-Straße an und nahm unter dem Protest von rund 150 Demonstranten 34 mutmaßliche Drogenhändler fest. Außerdem durchsuchte sie bei der Razzia gegen den organisierten Drogenhandel eine Wohnung, von der sie vermutete, dass sie von Dealern als Rückzugsort genutzt wird. Die Ausbeute des Einsatzes: 50 Tütchen mit insgesamt 91 Gramm Marihuana, 9 Kügelchen Kokain sowie 12 Mobiltelefone.

Aus Sicht der Linken ein völlig überzogenes Vorgehen, das offensichtlich auf Einschüchterung der betroffenen Afrikaner abzielte. «Der Einsatz einer mit Maschinenpistolen bewaffneten und vermummten Sondereinheit steht in keinem Verhältnis zum Anlass, dem Verdacht des Verstoßes gegen das BtMG (Betäubungsmittelgesetz).» Hinzu komme, dass Grundlage für das Eindringen der Beamten in das linke Wohnprojekt «Plan B» ein mehr als zwei Monate alter Durchsuchungsbeschluss gewesen sei. Und in dem sei es im Wesentlichen auch nur um Beihilfe zur Veräußerung einer Kleinmenge Marihuana durch Unbekannte gegangen.

CDU-Opposition und Polizeigewerkschaft reagierten empört auf die Vorhaltungen der Linken. «Die Voreingenommenheit und Engstirnigkeit der Linken gegenüber Hamburgs Polizeibeamten, die tagtäglich für die Sicherheit auf unseren Straßen sorgen und hervorragende Arbeit leisten, ist eine Schande und leistet der Gewalt gegen Polizeibeamte Vorschub», erklärte der CDU-Innenexperte Dennis Gladiator. Sein Fraktionskollege und Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, Joachim Lenders, sagte: «Die Vorwürfe und Unterstellungen der Linkspartei sind unerträglich und anmaßend.»

Der Polizeieinsatz habe weder bürgerkriegsähnliche Züge gehabt noch sei er unverhältnismäßig gewesen, wiesen CDU und Polizeigewerkschaft die Linken-Kritik zurück. Wer der Polizei Willkür und Rassismus unterstelle, «äußert sich wider besseres Wissen, um eigene politische Interessen durchzusetzen und Stimmung auf dem Rücken von Polizistinnen und Polizisten zu machen», erklärte Lenders.

Aus Sicht des Innenexperten Gladiator war die Razzia sinnvoll und notwendig. Das zeigten schon die hohe Zahl an Festnahmen und die «erhebliche Mengen Marihuana und Kokain», die sichergestellt wurden. Forderungen der Linken nach einer Sondersitzung des Innenausschusses lehnte auch die FDP ab: «Der Polizeieinsatz in der Hafenstraße war richterlich angeordnet und damit legitimiert.»

Hamburgs Dealer-Szene wird immer aggressiver

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Die Zahl der Drogendelikte ist deutlich angestiegen. In der Schanze und auf St. Pauli werden Kokain und Hasch am helllichten Tag verkauft. Auch insgesamt nimmt die Kriminalität in Hamburg leicht zu.

Auf St. Pauli, sagt Alban Qoku, bekomme man leichter Koks als in Kolumbien. Donnerstagmittag, der 45-Jährige steht vor seinem Laden in der Silbersackstraße. Seit drei Jahren betreibt er das „Rock Café“ (Werbespruch: „Das Original! Kultig, kernig, kiezig“), in dem Rockbands an den Wochenenden Konzerte spielen. Qoku, ein Mann mit langem Bart und fester Stimme, ist genervt. „Hier auf der Ecke wird so aggressiv gedealt, dass es schlecht fürs Geschäft ist und die Politik lässt uns im Stich“, sagt er. Seit Jahren nehme der Drogenverkauf zwischen Balduintreppe und Reeperbahn stetig zu – inzwischen würden die Dealer sogar Kinder ansprechen. „Es wird immer mehr“, sagt Alban Qoku. Und die aktuelle Kriminalitätsstatistik gibt dem Clubbetreiber recht. Gestern wurden die Zahlen vorgestellt.

Im vergangenen Jahr ist die Zahl der registrierten Rauschgiftdelikte in Hamburg um knapp elf Prozent auf rund 9400 Fälle gestiegen, die Fallzahl im Bereich Handel und Schmuggel ist sogar um knapp 16 Prozent auf knapp 1800 angestiegen. Bei der Bewertung der Daten sei jedoch zu berücksichtigen, dass es sich bei den aufgeführten Fällen um sogenannte Kontrolldelikte handelt. Heißt: Höhere Fallzahlen können auf eine höhere Kriminalität hindeuten. Sie können jedoch auch schlicht Ergebnis verstärkter Kontrollen sein.

Kriminalität steigt insgesamt

Das nicht geringer werdende Drogenproblem auf St. Pauli und in St. Georg steht symptomatisch für die Herausforderungen in anderen wichtigen Kriminalitätsbereichen, in denen es die Polizei trotz einer Bündelung von Ressourcen bislang nicht geschafft hat, durchschlagende Erfolge zu erzielen: So konnte auch eine Soko „Castle“, die seit August gegen Einbrecherbanden im Einsatz ist und bereits 62 Haftbefehle vollsteckte, die Einbruchszahlen nicht grundlegend senken. 9006 Einbrüche wurden im vergangenen Jahr versucht oder begangen, ein Fünftel mehr als im Jahr zuvor. Immerhin: Fast 42 Prozent blieben im Versuch stecken, wurden nicht beendet, weil Nachbarn die Polizei riefen oder die Einbrecher an der Sicherheitstechnik scheiterten.

Eine anderes großes Problem sind die Taschendiebstähle: 20.237 Taten wurden 2015 gezählt – vor zehn Jahren waren es weniger als halb so viele. Bundes- und Landespolizei ermitteln derzeit gemeinsam, vor allem verdeckt, gegen die zumeist nordafrikanischen und rumänischen Taschendiebe, fast 900 Tatverdächtige wurden im vergangenen Jahr ausgemacht. Insgesamt machten Diebstahlsdelikte, unter die auch Einbrüche fallen, die Hälfte der Gesamtzahl aller Straftaten aus. Und die stieg im vergangenen Jahr auf fast 244.000 und damit auf ein neues Zehnjahres-Hoch. Doch es gab auch positive Entwicklungen: Bei der Zahl der Körperverletzungen gab es einen leichten Rückgang. „Neben positiven Entwicklungen gibt es auch Bereiche, mit denen wir nicht zufrieden sein können“, so Innensenator Andy Grote zur aktuellen Kriminalitätsstatistik. Die Ergebnisse zeigten jedoch eine insgesamt stabile Sicherheitslage.

Kritik am Senat

Die Gewerkschaften sahen das nicht so: „Es hilft nichts, einige personalintensive Einsätze gegen Einbrecher zu fahren, um sich dann in anderen Bereichen zu entblößen“, sagte Joachim Lenders, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft. Um den Kampf gegen Einbrecher zu gewinnen, müsse die Stadt mehr uniformierte Polizei auf die Straße bringen und Zivilfahnder einsetzen. Wer immer weniger Personal in die immer komplexer und komplizierter werdende Kriminalitätsbekämpfung investiert, dürfe sich doch wahrlich nicht über dieses Ergebnis wundern, betonte der Landeschef des Bundes Deutscher Kriminalisten, Jan Reinecke. Der Personalmangel etwa bei der Kripo habe dazu geführt, dass sich an vielen Dienststellen die unbearbeiteten Vorgänge stapeln würden. Organisierte Kriminalität könne so nur noch rudimentär verfolgt werden.

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Polizeigewerkschaft fordert Verbesserung

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Personalmangel, Einsatzbelastung, Überstunden: Die Polizeigewerkschaft DPolG hat bei einem ersten Treffen mit Hamburgs neuem Innensenator Andy Grote (SPD) die angespannte Personalsituation bei der Polizei angemahnt. Diese werde zu einer reinen Notrufpolizei, die kaum noch präventiv Präsenz zeige. Landeschef Joachim Lenders forderte Grote mit Blick auf die aktuelle Sicherheitslage auf, die Rahmenbedingungen nachhaltig zu verbessern.

CDU fordert fünf Euro Zulage für Polizisten

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Zwischen 77 Cent und 3,13 Euro erhält ein Polizist in Hamburg, wenn er nachts oder an Wochenenden eingesetzt wird. Die CDU hält das für viel zu niedrig und will die Zuschläge erhöhen. Die Zuschläge entsprechen wohl eher einer symbolischen Geste, als dass mit ihnen belastende Schichtarbeit ausgeglichen wird: Zwischen 77 Cent und 3,13 Euro erhält ein Polizist in Hamburg, wenn er in der Nacht oder an Wochenenden und Feiertagen eingesetzt wird. Die maximale Wechselschichtzulage liegt bei knapp 51 Euro.

Die CDU-Bürgerschaftsfraktion hält diese Erschwerniszuschläge für viel zu niedrig. Mit einem Antrag in der Bürgerschaft will sie die Zuschläge erhöhen und vereinheitlichen. Das Ziel: den Polizeiberuf attraktiver machen, den Schichtdienst stärken. Am Montag soll der Antrag eingebracht werden.

Die von Polizisten geleisteten Sonntags-, Feiertags- und Nachtdienststunden sollten künftig einheitlich mit fünf Euro je Stunde vergütet werden, fordert die CDU. Sie rechnet dadurch mit Mehrkosten von 7,7 Millionen Euro pro Jahr und hofft auf die Unterstützung der rot-grünen Regierungskoalition. Denn die hatte im Koalitionsvertrag angekündigt, prüfen zu wollen, „inwieweit der Schichtdienst finanziell besser berücksichtigt werden könnte“. Laut CDU sind in Hamburg etwa 2900 Polizeibeamte im Wechselschichtdienst und noch einmal 1000 im Schichtdienst eingesetzt. „Wir sind der Auffassung, dass endlich eine gerechte und angemessene Bezahlung für die Kolleginnen und Kollegen der Polizei erfolgen muss, die tagtäglich für die Sicherheit in dieser Stadt sorgen und ihre Gesundheit für das Gemeinwesen opfern“, heißt es in dem von Joachim Lenders, CDU-Bürgerschaftsabgeordneter und Landeschef der Polizeigewerkschaft DPolG, vorangetriebenen Antrag. Viele Polizisten verrichteten „über Jahrzehnte ihren Dienst gegen die ‚innere‘ Uhr“. Die CDU verweist auf die Zuschläge in Schleswig-Holstein: Dort erhalten Polizisten einheitlich 3,15 Euro, ab 2016 sogar 3,50 Euro. Noch höher seien die Zuschläge in der Privatwirtschaft. Es stehe außer Frage, dass die „Polizei rund um die Uhr für den Bürger da sein muss, um Sicherheit und Ordnung in dieser Stadt zu gewährleisten“, so die CDU. Dabei könne es keine Ausnahme geben. Polizisten müssten deshalb „mit den negativen gesundheitlichen Folgen des Schichtendienstes leben“. Es sei daher nur fair und angemessen, wenn diesen Umständen dadurch Rechnung getragen werde, „eine entsprechende finanzielle Vergütung vorzunehmen“.

Schmerzensgeld für Polizisten

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Mit Blick auf die Ausschreitungen will die rot-grüne Koalition Beschäftigte im öffentlichen Dienst besser schützen. So soll künftiger Staat Schmerzensgeldansprüche von Beamten und Angestellten übernehmen und bezahlen, falls sie auf dem herkömmlichen Weg nicht durchsetzbar sind. Vor allem Polizisten und Feuerwehr seien einem erhöhten Risiko ausgesetzt und müssten vom Staat aufgefangen werden. „Es ist letztlich nicht fair, die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes mit dem Problem nicht durchsetzbar Forderung alleinzulasse, das sie ohne ihre besondere Aufgabe im Dienst des Staates nicht hätte“, heißt es in dem Antrag von SPD und Grünen, der in der Bürgerschaft diskutiert wurde und der auch die Zustimmung der CDU fand. Diese verwies darauf, dass von ihr der Vorstoß kam: „Opposition wirkt.“

Begünstigen improvisierte Unterkünfte Gewalt?

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In diesem Jahr mussten in Hamburg bereits 81 Schlägereien unter Flüchtlingen geschlichtet werden. Jetzt werden ständige Außenposten geprüft. Unterdessen demonstrieren Migranten gegen unbeheizte Zelte. Der Anlass war nichtig und zeigte doch exemplarisch auf, wie blank die Nerven der Flüchtlinge lagen. Frauen und Kinder waren zu ihrem Schutz bereits aus dem ehemaligen Max Bahr-Baumarkt an der Kurt-A.-Körber Chaussee geschickt worden, dann gingen die afghanischen und syrischen Männer mit Stangen und Holzlatten, die aus dem zerstörten Mobiliar der Unterkunft stammten, aufeinander los. 80 Polizisten waren nötig, um die aufgebrachte Masse zu trennen. An einem Schlüssel für die Duschkabinen soll sich die Auseinandersetzung entzündet haben, heißt es in der Antwort auf eine Senatsanfrage des CDU Innenexperten Dennis Gladiator. „Angeblich hatte ein afghanischer Bewohner einen Schlüssel für die Duschkabinen erhalten, um dort abschließen zu können“, heißt es dort. „Einen solchen Schlüssel hatten die syrischen Bewohner bisher nicht erhalten und fühlten sich dadurch zurückgesetzt.“ Fünf Bewohner und drei Sicherheitsleute wurden verletzt. Die Massenschlägerei vom 30. September in der umstrittenen Bergedorfer Unterkunft war nur eine von zahlreichen weiteren Auseinandersetzungen in Erstaufnahmeeinrichtungen, die nur mit Großaufgeboten der Polizei in den Griff zu bekommen waren. Insgesamt 81 Schlägereien zählt der Senat in einer der „Welt“ vorliegenden Auflistung der Polizeieinsätze für das laufende Jahr auf. Deutlich mehr als bislang bekannt.

Insgesamt wurde die Polizei seit Januar mehr als 1000 Mal in die 26 bestehenden oder bereits geschlossenen Erstaufnahmeeinrichtungen gerufen: Zu Streits, ausgelösten Brandmeldern, Diebstählen. Sie kamen wegen Verkehrsbehinderungen, Vermisstenanzeigen und Hausfriedensbrüchen. Doch es waren nicht die einfachen Delikte, die die Polizei in Atem hielten, ungeachtet der Masse an Flüchtlingen. Es waren randalierende Personen, Körperverletzungen und eben jene Schlägereien, die immer wieder für Großeinsätze sorgten – und die auch als Gradmesser für die aktuelle Flüchtlingssituation taugen. Je mehr Probleme die Stadt hat, Flüchtlinge angemessen unterzubringen, desto häufiger entladen sich Auseinandersetzungen, wie im benannten Fall. Die Senatsantwort zeigt entsprechend deutlich auf: Seit Anfang September, seitdem die Stadt immer öfter auf unkonventionelle und teils auch unwürdige Unterbringungsmöglichkeiten wie die Messehalle oder ehemalige Baumärkte zurückgriff, vervielfachte sich auch die Zahl der zu schlichtenden Schlägereien. Von den insgesamt 81 großen Schlägereien passierten 34 (über 40 Prozent) allein seit Anfang September. Brennpunkte waren dabei unter anderem die Erstaufnahme am Grellkamp in Langenhorn, die erst Ende August von 500 auf 780 Plätze erweitert wurde, und in der die Polizei vier Schlägereien von September bis Oktober schlichten musste, und die 1500 Plätze umfassende Erstaufnahme in der ehemaligen Globetrotter-Zentrale am Bargkoppelstieg in Rahlstedt, in der fünf Schlägereien in den beiden Wochen vom 23. September bis zum 3. Oktober gezählt wurden. Die meisten Flüchtlinge an der Kurt-A.-Körber Chaussee, die in ihrer Unterkunft seit deren Einrichtung am 23. September bereits vier Schlägereien miterleben mussten, waren zuvor in der Messehalle an der Karolinenstraße untergebracht gewesen. Auch in der Messe hatten sich die Spannungen immer weiter verschärft, die sich kurz vor der Auflösung der Erstaufnahme am 26. September in sechs Schlägereien entluden.

„Auch die wahrlich nicht optimalen Bedingungen rechtfertigen nicht die Gewaltausbrüche“, kritisierte CDU-Experte Dennis Gladiator. Die hohe Zahl der Einsätze zeige deutlich, dass die Polizei mehr Personal benötige, um den Schutz der Bewohner der Unterkünfte aber auch der Anwohner gewährleisten zu können. Wie die Senatsantwort aufzeigt, wurden bei Schlägereien regelmäßig mehr als zehn, teils auch mehr als 20 Peterwagen-Besatzungen eingesetzt. Die Zunahme an Schlägereien erklärt der Betreiber fördern & wohnen mit der belastenden Unterbringungssituation in Hallen und Zelten. „Die Menschen werden dadurch dünnhäutiger, reizbarer“, sagte Sprecherin Susanne Schwendtke. Aktuell seien in Hamburg etwa 14.000 Menschen in Erstaufnahme. Um Obdachlosigkeit zu vermeiden, würden improvisierte Standorte geschaffen, die kaum Privatsphäre bieten und in denen begehrte Ressourcen wie etwa Duschen oder Waschmaschinen knapp seien.

„Viel Zeit verbringen die Menschen mit Warten“, sagte Schwendtke. Durch die extrem hohen Zuzugszahlen verzögerten die Registrierung oder die Auszahlung von Taschengeld. „Das ist derzeit einfach nicht anders machbar. Bei einigen Bewohnern macht sich Enttäuschung breit und eine gereizte Stimmung, in der der dringende Wunsch eines Zeltbewohners nach einem Container-Platz zu einer Schlägerei führen kann. Unter den gegebenen Bedingungen, den weiterhin hohen Zuzugszahlen, ist es für Betreiber äußerst schwierig, die Atmosphäre in den Notaufnahmen nachhaltig zu verbessern.“ Mittlerweile wird geprüft, ob das flexible Einsatzkonzept der Polizei ergänzt werden muss. Hintergrund sind die benannten Einsatzzahlen aber auch Pläne, Großunterkünfte mit 3000 Flüchtlingen zu errichten. An Großstandorten könnte die Polizei künftig Außenposten errichten, um Präsenz zu zeigen und im Bedarf schneller vor Ort zu sein, heißt es aus Behördenkreisen. Bislang wird die Polizei erst aktiv, wie bei anderen Lagen auch, wenn der Sicherheitsdienst oder Bewohner den Notruf wählen. Die Gedankenspiele beschränken sich nach Informationen der „Welt“ auf Container-Wachposten, wie sie bereits zum Schutz jüdischer Einrichtungen oder der Bürgermeisterwohnung aufgestellt wurden, besetzt mit zwei Beamten. Um den Personalkörper der Polizei nicht weiter zu belasten, kann sich die Innenbehörde vorstellen, auf angehende Polizeipensionäre zurückzugreifen, die weiterarbeiten wollen. Mehrere hundert Beamte müssten für eine solche Bewachungsaufgabe gewonnen werden, heißt es, um die Posten rund um die Uhr besetzen zu können. Bei der Polizei sind die Pläne bereits angekommen. Bestätigt werden sie offiziell nicht. „Wir prüfen diverse Einsatzkonzepte abhängig von Standorten und den Zugangszahlen von Flüchtlingen“, erklärte Innenbehörden-Sprecher Frank Reschreiter.

Bei der Polizeigewerkschaft DPolG stoßen die Überlegungen auf Kritik: „Das ist völlig unausgegorenen“, sagte Landeschef Joachim Lenders (CDU). Wenn die Polizei schneller reagieren wolle, müsse sie dauerhaft mit starken Kräften vor Ort sein. Dies sei allerdings bei der aktuellen Personalsituation nicht leistbar. Ein „Meldekopf“ mit zwei Beamten vor Ort hingegen, die dann auch nur den Notruf wählen würden, mache keinen Sinn. „Das ist durch die Sicherheitsdienste längst gewährleistet.“

Ungeachtet der bestehenden Herausforderungen werden die niedrigen Temperaturen zu einem immer größeren Problem. Am gestrigen Nachmittag protestierten 100 Flüchtlinge aus der Unterkunft an der Schnackenburgallee friedlich gegen ihre Unterbringung in Zelten. „Wir wollen ein festes Dach über dem Kopf. Ansonsten können wir auch auf dem Rathausplatz schlafen“, erklärte der 24-jährige Jad. Vertreter der Flüchtlinge wurden von Mitgliedern der Grünen im Rathaus empfangen. Fraktionschef Anjes Tjarks und die flüchtlingspolitische Sprecherin Antje Möller erklärten den Asylbewerbern, welche Verbesserungen bei der Flüchtlingsunterbringung geplant seien. „Familien mit Kindern sollen als erste woanders hingebracht werden“, sagte Möller. Sie riet den Flüchtlingen, eine Liste mit besonders schwierigen Fällen zu erstellen. Die Grünen-Abgeordnete bestätigte, dass es kranke Kinder in den Zelten gebe und Menschen auf dem Boden auf Luftmatratzen schlafen müssen. Ziel sei: „Alle aus den Zelten herausbekommen.“

CDU: Linksautonome halten sich nicht an Verträge

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In der Auseinandersetzung um das linksalternative „Kollektive Zentrum“ im Münzviertel besteht der Senat auf die Erfüllung aller Verträge. Gleichzeitig rieten Rot-Grün und FDP zur verbalen Abrüstung. 

Hamburgs Finanzbehörde besteht beim umstrittenen linksalternativen „Kollektiven Zentrum“ (KoZe) im Münzviertel auf Einhaltung der Verträge. „Es hat mit Demokratie nichts zu tun, wenn Leute auf anderer Leute Grundstücke gehen und sagen, das gehört jetzt uns“, sagte Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) am Donnerstag in einer Aktuellen Stunde der Hamburgischen Bürgerschaft. Das sei auch nicht verhandelbar. Es gebe aber weiter ein Gesprächsangebot über einen alternativen Standort des KoZe. „Das ändert nichts daran, dass der Senat das Wohnungsbauprojekt (…) so umsetzt, wie es (…) mit dem Käufer vertraglich vereinbart ist.“ Der Investor HBK will auf dem 8500 Quadratmeter großen Areal mittelfristig rund 400 Wohnungen bauen. Das KoZe residiert auf dem Gelände der früheren Gehörlosenschule in einem Teil der ehemaligen Kita, nutzt tatsächlich aber mehr Platz als im kurzfristig kündbaren Mietvertrag vereinbart. Empört reagierten die KoZe-Betreiber, als Bauarbeiter am Mittwoch unter Polizeischutz begannen, Teile der Gehörlosenschule abzureißen. Sie fürchteten, dass das KoZe dem Erdboden gleich gemacht werden könnte – was die Finanzbehörde wiederum verneinte. Die Bagger seien nur angerückt, um das Gelände für Container zur Unterbringung von Obdachlosen während des Winters vorzubereiten. Vermietete Flächen würden nicht angetastet. Gleichwohl protestierten noch am Abend rund 700 Sympathisanten gegen einen Abriss des KoZe. Die Linken werfen Finanzsenator Tschentscher vor, die KoZe-Leute nicht vorab über die Bauarbeiten informiert zu haben. Überhaupt geriere sich die Finanzbehörde dort wie eine absolutistische Machthaberin. Sie verweigere Gespräche und schicke stattdessen die Polizei, sagte die Linken-Abgeordnete Christiane Schneider. Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen bestritten dies. Es gebe sehr wohl Gespräche. Gleichzeitig betonten beide, dass das KoZe erhalten und später an anderer Stelle weiterarbeiten solle. Die FDP rief alle Beteiligten zu einer verbalen Abrüstung auf. Eine „aufgeregte Klassenkampfrhetorik“ nütze niemandem.

CDU und AfD folgten diesem Vorschlag in der Aktuellen Stunde nicht. So warf der CDU-Abgeordnete und Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Joachim Lenders der Finanzbehörde Realitätsferne vor, wenn sie glaube, dass Linksautonome sich an Verträge hielten. „Aus Hafenstraße, Roter Flora haben Sie nichts gelernt. Sie lassen einen neuen linksautonomen Hotspot in dieser Stadt im Münzviertel entstehen“, sagte Lenders und forderte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) auf, „diesem unerträglichen Schauspiel in seinem Senat ein Ende zu bereiten“. Ähnlich äußerte sich der AfD-Abgeordnete Dirk Nockemann. Die Stadt brauche nicht noch einen Ort, von dem sich „Aktivitäten linker Chaoten steuern lassen“.

Rund 700 Menschen hatten am Donnerstagabend gegen den Abriss des „Kollektiven-Zentrums“ demonstriert. Während der Protestzuges vom Münzviertel bis nach St. Pauli seien zwar ein paar Böller geflogen, im Grunde seien die Teilnehmer aber friedlich geblieben, sagte ein Polizeisprecher am Donnerstagmorgen. Ebenfalls am Mittwochabend war es nach Redaktionsschluss der „Welt“ – in einer Bürgerschaftsdebatte zur Flüchtlingsproblematik zu einem Eklat gekommen. Die Rechtskonservative AfD hatte das geplante zentrale „Forum Flüchtlingshilfe“ scharf kritisiert. So unterstellte der der AfD-Abgeordnete Alexander Wolf unter anderem, dass 1,7 Millionen Euro für „Pro-Asyl-Organisationen und Pro-Asyl-Propaganda ausgegeben würden. Das befördere die „Massenimmigration“, zumal etliche Flüchtlinge sich nicht integrieren wollten und viele nur aus wirtschaftlichen Gründen kämen. Während die Linken bei Wolfs Rede aus Protest den Saal verließen, sagte die partei- und fraktionslose Abgeordnete Nebahat Güclü im Anschluss: „Herr Doktor Wolf, (…) Sie sind eine Schande für dieses Parlament“. Selbst Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) platzte der Kragen. Unter Hinweis auf die Bilder von aus Syrien oder Afghanistan fliehenden Menschen sagt er in Richtung AfD: „Die kommen aus blanker Not. Machen Sie die Augen auf – Himmel, Arsch und Zwirn.“ Nicht ganz so drastisch, aber ebenfalls deutlich reagierten die übrigen Fraktionen. So sagte SPD Fraktionschef Andreas Dressel: „Sie haben einmal mehr die Maske fallen lassen und hervorgekommen ist die hässliche Fratze der Ausländerfeindlichkeit.“ Das Parlament beschloss angesichts der erwartetet rund 30.000 Schutzsuchenden letztlich mit den Stimmen von SPD, Grüne, CDU, FDP und Linken ein zentrales „Forum Flüchtlingshilfe“.