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Autor: Ivonne Kussmann

Justizsenator im Kreuzverhör

Als Justizsenator ist er zuständig für Gerichte, Staatsanwaltschaften und Strafvollzug: Im ersten Teil des HAN-Interviews äußert sich Till Steffen (37) zur Kritik des Landesvorsitzenden der Polizeigewerkschaft, Joachim Lenders, und über den Fall „Pascal E.“, bei dem die Staatsanwaltschaft von einer Schuldunfähigkeit des Täters ausgeht.

Der Justizsenator stellte sich den Fragen von HAN-Mitarbeiter Florian Kleist.

HAN: Ein Grüner als Justizsenator: Wie oft ist Ihnen eigentlich schon signalisiert worden, dass das nicht so richtig zusammenpasst?

So direkt eigentlich noch nicht. Es hat ja schon ein paar grüne Justizminister in anderen Ländern gegeben. So zum Beispiel vor einigen Jahren Wolfgang Wieland in Berlin. Das ist also nicht ganz untypisch, weil die Grünen einen sehr großen Wert auf die Wahrung der Bürgerrechte legen. Deshalb kann dieses typische Wechselspiel zwischen Justiz und Innenbehörde ganz gut bedient werden, wenn auf der Justizseite ein Grüner ist. Was natürlich bei Justiz und bei Innenpolitik eine große Rolle spielt ist, dass wir Grünen deutlich machen, dass wir die Sorgen der Menschen ernst nehmen und reagieren, ohne populistischen Strömungen hinterherzulaufen, die hier immer eine große Rolle spielen.

 Dann kommen wir doch gleich zu den populistischen Strömungen: nämlich dem Schrei nach härteren Strafen. Der Hamburger Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft, Joachim Lenders, hat im HAN-Gespräch in Bezug auf Jugendgewalt kritisiert, dass unter dem „grünen Justizsenator Steffen das Pendel nicht in Richtung härtere Strafbefehle ausgeschlagen ist“. Wie sehen Sie das? Ist bei Ihnen das Pendel in diese Richtung ausgeschlagen?

Also der Punkt ist zunächst: Über die Härte der Strafe entscheiden die Richterinnen und Richter, und das tun sie natürlich unabhängig! Die würden es sich verbitten, wenn der Justizsenator sagen würde: „Jetzt wird es mal Zeit für härtere Strafen!“ Das hat Herr Kusch zwar gemacht, aber es hatte überhaupt keine Wirkung. Es gab zwar eine fehlerhafte Statistik, die das suggerierte. Aber es ist in Wahrheit nicht so, dass sich die Richterinnen und Richter davon beeindrucken lassen würden. Sie urteilen auf der Grundlage von Straftatbeständen mit einem bestimmten Strafrahmen und innerhalb dessen müssen sie eine angemessene Strafe finden. Die Politik hat auf die Frage, wie hart Strafen ausfallen, aufgrund der Gewaltenteilung keinen Einfluss. Ich sehe meine Aufgabe schon darin, die Justiz gegen Kritik zu verteidigen, soweit sie unzutreffend ist. Aber gerade vor dem Hintergrund richterlicher Unabhängigkeit ist es nicht meine Aufgabe, darauf zu drängen, dass sich die Strafen in eine bestimmte Richtung entwickeln.

Nun spielt aber beim Thema Sicherheit auch immer das Gefühl eine Rolle, dass die Täter eine gerechte Strafe erfahren. Wie können Sie das vermitteln?

Ich finde es wichtig, deutlich zu machen, dass die Sachen, die die Gerichte zu entscheiden haben, häufig vielschichtiger sind als das, was dann in den Medien rüberkommt und lediglich durch Schlagzeilen transportiert wird. Wir haben durchaus Fälle, bei denen die Strafe nicht am unteren Ende des Strafmaßes liegt. Wenn Sie an den Fall denken, bei dem jemand am U-Bahnhof Billstedt zusammengetreten wurde: Hier wurde ein Täter zu viereinhalb Jahren verurteilt. Das ist schon eine ganz erhebliche Strafe. Man muss natürlich auch immer sehen: Wir wollen, dass die Leute nicht erneut Straftaten begehen und dabei ist es nicht immer hilfreich, wenn man sie ins Gefängnis steckt. In einigen Fällen leisten wir einen größeren Beitrag, wenn wir die Leute so stabilisieren, dass sie nicht weiter straffällig werden.

Im Fall „Pascal E.“, der im Juni dieses Jahres an der Bremer Straße erstochen wurde, beantragt die Staatsanwaltschaft die Schuldunfähigkeit des Täters. Viele finden das ungerecht, weil er „nur“ in ein Krankenhaus kommt und nicht ins Gefängnis: Können Sie unter anderem den Angehörigen die Sorge nehmen, dass der Täter nach zwei Jahren wieder rauskommt?

Es ist nicht so, dass die Leute im Maßregelverzug – so heißt die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus – kürzer hinter verschlossenen Türen sitzen als für die gleiche Tat verurteilte Straftäter, sondern es kann – je nachdem – auch länger sein. Es hängt davon ab, ob eine Aussicht auf Besserung besteht. Es kann also sein, dass sie über lange Zeit in einem geschlossenen Krankenhaus sind. Das ist auch nicht gerade witzig, in einem Krankenhaus eingesperrt zu sein. Mit dem Umstand, dass jemand schuldunfähig ist, müssen wir uns abfinden: Aber durch die Einweisung erfolgt der Schutz der Bevölkerung. Die Leute fragen natürlich zu Recht: Moment mal, der ist schuldunfähig, hat einen Menschen umgebracht, passiert das jetzt möglicherweise einfach wieder? Aber das ist eben nicht die Konsequenz: Er wird in ein Krankenhaus eingewiesen, dort behandelt und nur, wenn er sich gebessert hat und nicht mehr gefährlich ist, kann er entlassen werden.

Die Sorge vieler ist, dass die Dauer der Unterbringung dann nicht mehr in den Händen der Justiz liegt, sondern in denen von Gutachtern?

Das ist so nicht richtig: Die Entscheidung über die Freilassung trifft nach wie vor ein Gericht. Das läuft genauso nach den Regeln des Strafgesetzbuchs, aber natürlich auf der Basis von Gutachten. Diese kommen an einer Vielzahl von Stellen zum Tragen, und die Richterinnen und Richter müssen sich selbst überzeugen, ob das, was in dem Gutachten steht auch richtig ist. In vielen Fällen wird die Meinung eines zweiten Gutachters eingeholt, wenn etwas nicht wirklich überzeugend ist. Es ist zwar statt Gefängnis Krankenhaus, aber prozessual gesehen relativ ähnlich, wenn man das Ganze betrachtet.

Autonome drohen Hamburg mit „Naturkatastrophe“ der Gewalt

Die Polizei bereitet sich in Hamburg auf schwere Krawalle zum Auftakt der Innenministerkonferenz vor. Zu den beiden für Sonnabend angemeldeten Demonstrationen werden nach Einschätzung weit mehr Teilnehmer kommen, als vom Veranstalter angegeben. So wird am Nachmittag mit bis zu 1800, am Abend bei der zweiten Demonstration, die vom Bereich Gänsemarkt ins Schanzenviertel geht, mit bis zu 3500 Teilnehmern gerechnet. Mit bürgerlicher Klientel rechnet die Polizei nicht. Der Aufzug dürfte aus den rund 500 Hamburger und vielen auswärtigen Autonomen sowie „Spaßrandalierern“ bestehen. Bundesweit hat die Szene für die Demonstration mobilisiert, die, so die Ankündigung, wie eine „Naturkatastrophe“ über Hamburg hereinbrechen soll.

 Die Polizei hat von Sonnabendabend bis Sonntagmorgen ein Kontrollgebiet eingerichtet, das sich von Eimsbüttel bis St. Pauli erstreckt und das gesamte Schanzenviertel einschließt. Polizisten können so in dem Bereich ohne konkreten Anlass Kontrollen durchführen. Offenbar erwartet die Polizei, dass gewaltbereite Demonstranten Feuerwerkskörper oder Wurfgeschosse mitbringen.

 „Die Zeichen stehen auf Sturm“, sagt Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). „Die Polizei und auch ich persönlich rechnen mit erheblichen Krawallen während und nach der Demonstration.“ Ausschreitungen, so die Einschätzung Lenders, müssten „im Keim erstickt werden“. Dieser Tag ist ein Gradmesser für die gesamte Woche, in der an jedem Tag demonstrative Aktionen gegen die Innenministerkonferenz angekündigt sind. Zu keinem Zeitpunkt dürfe die Polizei zulassen, dass die Ankündigung der Szene „Out of Control“, also: „Außer Kontrolle“, Wirklichkeit werde.

„Freibrief für die Raser“

Raser-Richter Helmut Knöner bekommt von vielen Recht: Autofahrer würden in die Falle gelockt, es müssten neue Regeln her. Dem widerspricht der ADAC. Das NRW-Ministerium verteidigt die Kontrollen.

Kontrolle oder Falle? Schon am Begriff scheiden sich die Geister. Die Städte wehren sich gegen Knöners Anschuldigung der Abzocke, doch viele geben dem Richter recht: Autofahrer würden in die Falle gelockt, es müssten neue Regeln her.

Dem widerspricht der ADAC. Es sei unzumutbar, per Gesetz festzulegen, wo und wie gemessen wird. Das führe zu einem „Blitzatlas“ und damit zu einem „Freibrief für Raser.“ Allerdings habe man auch schon festgestellt, dass in den Ferien vor Schulen geblitzt würde. Das müsse aufhören.

Wolfgang Beus (51) vom NRW-Innenministerium ist sauer auf den Richter: „Raserei ist Unfallursache Nummer 1. Tempokontrollen sind vorbeugende Maßnahmen, haben mit Geldschneiderei nichts zu tun.“

Das Bundesjustizministerium bestreitet, dass es, wie Knöner behauptet, keine Rechtsgrundlage für Radarfallen gebe. Das sei in der Strafprozessordnung geregelt.

Und Joachim Lenders (Foto), stellv. Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, sagt: „Ich kann die Auffassung des Richters nicht nachvollziehen. Eine Geschwindigkeitsüberschreitung bleibt eine Geschwindigkeitsüberschreitung. Ich will aber nicht ausschließen, dass manche Kommunen gern dort blitzen, wo es sich lohnt.“

Und der Richter? Kriegt der jetzt Ärger? Helmut Knöner fürchtet das nicht. „Vor Auseinandersetzungen mit meinem Dienstherrn habe ich keine Angst.“

So werden unsere Polizisten verheizt

20 000 Polizisten, 28 Stunden ohne Pause im Dienst, ohne Verpflegung, dafür im Stein-, Flaschen- und Molotowcocktail-Hagel.

Verletzt von prügelnden Horden, sogar angegriffen mit Mordwerkzeugen. Von vielen Medien beschimpft, von einigen Politikern belächelt. Und das alles für einen Monatsverdienst von 1800 bis 2000 Euro.

Was in den letzten drei Tagen rund um den Atommüll-Transport nach Gorleben mit unseren Polizisten passiert, ist eine Schande.

Jetzt sagt Joachim Lenders (48), stellv. Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft: „Unsere Kollegen, die im Einsatz für den Staat ihr Leben riskieren, sind die Deppen, ja die Ärsche der Nation.“

BILD erfuhr aus Polizeikreisen, was in den Wäldern vom Wendland passierte: Die Gewalttäter unter den Demonstranten spitzten Holzpflöcke an, gingen damit auf die Beamten los. Sie schleuderten Brandsätze, Steine und Flaschen auf Polizisten, setzten ein besetztes Räumfahrzeug in Flammen.

Joachim Lenders: „Es ist doch egal, ob die Kollegen für oder gegen Atomkraft sind – sie machen ihren Job! Und stehen wie Schießbudenfiguren im Stein- und Brandbombenhagel der Chaos-Horde.“

Eine Hamburger Beamtin: „Wenn mir im Restaurant das Essen nicht schmeckt, werfe ich doch auch keine Brandbomben auf den Kellner.“

Bundespolizist Jürgen D. (42) aus Köln über seine Arbeit auf den Castor-Gleisen: „Man trägt die Leute weg, und dann stellt man sich wieder hinten an und trägt den Nächsten weg. Und zwischendurch denkt man: Hoffentlich ist das bald vorbei.“

Das dauerte allerdings.

Hauptkommissar Joachim Lenders: „Die meisten Einsatzkräfte waren von Sonntag, 7 Uhr, bis Montag, 11 Uhr, im Einsatz. 28 Stunden! Die Krawallmacher hatten sämtliche Versorgungswege abgeschnitten. Es konnte für die völlig erschöpften Polizisten keine Verpflegung angeliefert werden. Nichts zu essen, nichts zu trinken. Dazu die Kälte!

Schlimm auch vor allem für weibliche Polizisten: Auch Dixi-Klos konnten nicht in die Wälder geliefert werden.“

Entsetzt ist der Polizei-Gewerkschafter auch über Teile der Politik: „Da pflanzt sich die Grünen-Chefin Claudia Roth mit als Demonstrantin auf die Straße und schafft es nicht einmal, Verständnis für die Polizisten zu äußern, die dort einfach nur ihren Job machen.“

Übrigens: Die Polizisten, die gestern nach 28 Stunden Kampf ein paar Stunden Ruhe hatten, mussten ab 22 Uhr wieder in den Wald. Um sich beschimpfen, bewerfen, bespucken, schlagen zu lassen. Als Deppen der Nation.

Der Kampf geht in die nächste Runde

Aufmerksamen Auto- und Radfahrern sind sie bestimmt schon aufgefallen. An sechs markanten Punkten im Landgebiet stehen seit kurzem Anhänger. An ihrem Metallgestänge wurde jeweils ein weißes Banner sorfgältig befestigt. Darauf ist in blauer Schrift zu lesen: „Wir fordern den Erhalt der Polizeiposten in unserer Region!“ oder „Hände weg von den Polizeiposten!“. Links und rechts der eindeutigen Forderungen prangt das Logo der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Am Freitagabend hatten Gewerkschafter die Anänger platziert. Unterstützung erhielten sie dabei von Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr Neuengamme und der „Gemeinschaft Vier- und Marschlande“. am Sonnabend ging´s dann weiter mit der mittlerweile vierten Unterschriften-Aktion am Vierländer Markt. „Einige kommen nur, um zu dokumentieren, dass sie gegen die Abschaffung der sieben Polizeiposten sind“, sagt der stellvertretende DPolG-Landesvorsitzende Klaus Vöge. 80 Prozent der Menschen wüssten bereits worum es geht 4500 Unterschriften hat er schon zusammen. „Und wir machen weiter“, sagt Vöge, „solange, bis die Innenbehörde von der geplanten Zentralwache abrückt.“

Proteste gegen eine zentrale Wache

Unterschriftenaktion Bürger kämpfen für den Erhalt der sieben Polizeiposten im Landgebiet

Gut 1200 Unterschriften für den Erhalt der sieben Polizeiposten im Landgebiet haben Mitglieder der Polizei-Gewerkschaft (DPolG) binnen weniger Stunden am Wochenende gesammelt. Zudem wurden hunderte Gespräche am Infostand vor dem Vierländer Markt geführt. Eindeutiger Tenor: „Wir werden für den Erhalt kämpfen.“ Der Hamburger Sparkurs sieht die Einrichtung einer sogenannten Zentralwache mit nur vier Beamten im Landgebiet vor. Wo dieser zentrale Ort in den weitläufigen Vier- und Marschlanden sein soll, ist offenbar noch völlig unklar. Klar ist aber: Mit der Einrichtung würde Polizeipräsenz von der Straße genommen – entgegen dem Versprechen des Christoph Ahlhaus (CDU) sowohl als Innensenator, als auch als Bürgermeister vor den Sparbeschlüssen gegeben hatte. Mit einer Aufstockung im Landgebiet durch Beamte des Bergedorfer Polizeikommissariats 43 sei mangels Kapazität nicht zu rechnen. Polizeihauptkommissar und Personalratsmitglied Klaus Vöge, der zum erweiterten Vorstand der DPolG gehört, sowie einige Polizeiposten erlebten am Freitag und Sonnabend viele erboste Vierländer. Erbost über die Hamburger Spar-Entscheidungen, erbost aber auch über die wenig konkrete Haltung lokaler Politiker. Vereine und Verbände, wie auch die „Gemeinschaft Vier- und Marschlande“ (GVM) wollen geharnischte Briefe an den Innensenator Heino Vahldiek (CDU) schreiben, verlangen Antworten. „Hier wird gegen den Bürgerwillen gearbeitet“, sagte Vöge. „So nicht! Nicht mit uns!“, so und ähnlich äußerten sich viele zu den Sparbeschlüssen und setzten ihre Unterschrift auf die Liste. „Ich verstehe diese Maßnahme nicht“, sagt Katrin Podein (44) aus Curslack. „Die Präsenz der Polizei im Landgebiet ist einfach wichtig. Schließlich will man nicht in der Warteschleife landen. Und es ist menschlicher, weil man den persönlichen Kontakt hat.“ Ein Sicherheitsproblem sieht auch Sven Klaffehn (36) aus Kirchwerder. Er wohnt im Neubaugebiet, und das ist ziemlich weitläufig. „Wenn man bei Problemen einen direkten Ansprechpartner hat, ist das ein großer Vorteil“, meint er. „Ich bin zwar noch gut beieinander und kann auch noch Auto fahren, aber unser Dorfsheriff gibt mir das Gefühl der Sicherheit.“ Gegner des Erhalts der Polizeiposten melden sich am Wochenende nicht zu Wort.

Farbanschlag auf das Haus von Senator Vahldieck

Ein Farbanschlag ist auf das Wohnhaus von Innensenator Heino Vahldieck (CDU) verübt worden. In der Nacht zum Freitag warfen bislang unbekannte Täter mit roter Farbe gefüllte Christbaumkugeln gegen das Gebäude auf der Uhlenhorst. Der Senator und die anderen Bewohner des Hauses schliefen zur Tatzeit. „Ich kann den Sinn und Zweck dieser Aktion nicht erkennen“, sagte Vahldieck der WELT. „Für eine sachliche politische Diskussion stehe ich immer zur Verfügung – dann aber bitte so, wie es in einem demokratischen Rechtsstaat üblich ist. Feige nächtliche Farbattacken auf ein Wohnhaus bringen uns keinen Schritt voran.“

 Eine vorbeifahrende Peterwagenbesatzung hatte die Tat um kurz nach drei Uhr bemerkt. Den Beamten war sofort die im Eingangsbereich verspritzte Farbe aufgefallen. Die Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamtes ermittelt. Dort vermutet man den oder die Täter in der Linksautonomen-Szene. Das genaue Motiv ist unklar. „Weder Täterhinweise noch eine Bekennung liegen vor“, sagt Hauptkommissar Andreas Schöpflin. Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, sieht das anders. „Das ist ein ganz klarer Vorbote der in Hamburg stattfindenden Innenministerkonferenz. Wir werden uns noch auf weitere vergleichbare Anschläge einstellen müssen.“ Bereits am 12. Dezember 2007 war das Haus Ziel eines Farbanschlags geworden. Damals hatte sich eine Gruppe „Kontrollverlust“ zu dem Anschlag bekannt. „Wir dürfen uns an solche Übergriffe nicht gewöhnen. Gewalt und psychischer Druck dürfen nicht bagatellisiert und vor allem nicht toleriert werden“, meint SPD-Fraktionschef Michael Neumann.

 Der aktuelle Anschlag in der Nacht zum Freitag ist die zweite offensichtlich politisch motivierte Tat innerhalb von zwei Tagen. In der Nacht zum Donnerstag hatten unbekannte Täter den Wagen von GdP-Chef Konrad Freiberg zerstört. Einen Zusammenhang zwischen den Taten sieht die Polizei nicht. Die Kripo sucht jetzt Zeugen, die sich unter Telefonnummer 4286-56789 melden können.

Graffiti-Gesetz kann Schmierer nicht stoppen!

Mehr Fälle trotz härterer Strafen +++ Aufklärungsquote unter 25 Prozent

Der Gesetzgeber wollte die Schmierereien endlich stoppen – doch es wurde nur noch schlimmer! Die Zahl der Graffiti-Deliktein Hamburg ist in den vergangenen Jahren dramatisch gestiegen.

2694 Fälle waren es noch 2005, im vergangenen Jahr wurden 4368 angezeigt – ein Anstieg von über 60 Prozent!

Weniger als ein Viertel der Delikte wird aufgeklärt. Der Sachschaden bleibt so zum allergrößten Teil an Privatleuten und der Stadt hängen.

Dabei wurde 2005 bundesweit das sogenannte Graffiti-Bekämpfungsgesetz eingeführt. Heißt: Illegales Sprayen ist immer eine Straftat und kann Geldbußen und Haft zur Folge haben.

„Die Zahlen zeigen leider, dass es nicht gelungen ist, die Täter abzuschrecken“, so Joachim Lenders (48), Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft.

WORAN LIEGT’S?

„Ein Grund könnten die allgemeinen Verrohungstendenzen der Jugendlichen sein. Zwischen steigender Jugendgewalt und Vandalismus gibt es Zusammenhänge“, so SPD-Innenexperte Andreas Dressel. Fast die Hälfte aller überführten Sprayer sind männliche Jugendliche.

Laut Ermittlungsgruppe Graffiti der Hamburger Polizei (10 Mitarbeiter) lassen sich Sprayer durch Gesetze wenig beeindrucken: „Sie wollen den Ruhm in ihrer Szene haben.“

Besonders betroffen: der öffentliche Nahverkehr!

Die Beseitigung der Vandalismus-Schäden beliefen sich 2009 für die Hochbahn auf 3,8 Millionen Euro (U-Bahn 1,6 Mio., S-Bahn: 1 Mio., Busse 1,2 Mio.). Allein die Beseitigung der Graffiti an U-Bahnen schlug mit 394 000 Euro zu Buche.

Bedeutet: Dauereinsatz für die Reinigungsteams. So sind bei der Hochbahn täglich Mitarbeiter unterwegs, die Graffiti entfernen.

Sprecher Christoph Kreienbaum: „Eine saubere Wand schreckt ab. Bei uns geht keine U-Bahn mit Graffiti auf die Strecke.“

Graffiti-Sprayer nicht zu stoppen

Die Zahl der Graffiti-Schmierereien nimmt in Hamburg weiter zu – trotz „Graffiti-Bekämpfungsgesetz“, das jetzt seit fünf Jahren in Kraft ist. Nach Recherchen des NDR-Magazins „Menschen und Schlagzeilen“ gibt es in der Hansestadt einen Anstieg dieser Delikte um 60 Prozent im Vergleich zu 2005 und 2009. Drei Viertel der Schmierereien werden von der Polizei nicht aufgeklärt. Die Zahlen belegten, dass die Gesetzesverschärfung wirkungslos sei, wenn man das Ziel erreichen wollte, Täter abzuschrecken, so Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Polizeigewerkschaft.

Gewerkschaft kämpft für die Polizeiposten

AKTION Unterschriftensammlung vorm Vierländer Markt

Sang- und klanglos will die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) Hamburg die geplante Auflösung der sieben Polizeiposten in den Vier- und Marschlanden nicht hinnehmen. Ganz im Gegenteil. Morgen zwischen 14 und 18 Uhr
postieren sich Gewerkschaftsmitglieder vor dem Eingang des Vierländer Marktes am Neuengammer Hausdeich 215und informieren die Bürger in Gesprächen und anhand von Flugblättern über die Senatspläne. Außerdem sammeln sie Unterschriften für den Erhalt der „bürgernahen Dorfsheriffs“. „Dies wird die erste von weiteren Aktionen sein“, sagt der DPolG-Landesvorsitzende Joachim Lenders.

Vor einem Jahr konnte die Gewerkschaft zusammen mit den Bürgern schon einmal die geplante Schließung der sieben dezentralen Polizeiposten verhindern. Mehrere tausend Unterschriften führten dazu, dass der damalige Innensenator und
heutige Erste Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) – zumindest vorläufig – von seinem Vorhaben Abstand nahm. Nun stehen die kleinen Dienststellen – als ein Mosaiksteinchen, um den Haushalt zu konsolidieren – erneut auf dem Prüfstand.

Der Zeitpunkt scheint günstig, denn vier der sieben Beamten gehen 2011 in den Ruhestand. Die drei verbleibenden Polizeiposten sollen künftig zusammen mit einem vierten Kollegen in einer zentralen Außenstellen ihren Dienst versehen
Lenders hegt starke Zweifel, dass auf diese Weise viel Geld gespart werden kann: „Erstens frage ich mich, wo dieser zentrale Punkt in den Vier- und Marschlanden sein soll. Zweitens muss sich ein geeignetes Gebäude finden. Sollte es erst
errichtet werden müssen, wird jawohl eher Geld verplempert als gespart.“

Für ihn gibt es keine Alternativen zu den Polizeiposten, die Ansprechpartner für jeden und alles seien. Die DPolG habe aus vergangenen Auflösungen und Zusammenlegungen gelernt. „Sie führen immer zu Präsenzverlusten und zur Verwaltung der Kriminalität in den jeweiligen Bereichen“, sagt der Landesvorsitzende.

Für Lenders, selbst ehemaliger CDU-Bürgerschaftsabgeordneter, ist das Verhalten der Bergedorfer CDU-Politiker „unverständlich“. „Ich erwarte, dass sie sich für die Interessen des Bezirks und seiner Bürger stark machen.“