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SPD warnt vor Einsparungen bei der Polizei

Am Dienstag begibt sich der Hamburger Senat in Klausur – und am Ende wird der Sparhammer massiv kreisen (die WELT berichtete). Viele Behörden werden über die kommenden Jahre hinweg Personal abbauen müssen, die Rede ist von 7500 Stellen, die wegfallen könnten. Momentan umfasst der städtische Behördenapparat rund 75 000 Mitarbeiter. Aus der CDU kam jetzt der Vorschlag, dass Bezirke ihre Ämter zusammenlegen könnten. „Die Qualität der erbrachten Leistungen muss vorgehen, nicht die Zahl der Standorte“, sagte CDU-Finanzexperte Rüdiger Kruse dazu dem „Hamburger Abendblatt“. Im Gespräch ist zudem, dass Kundenzentren geschlossen werden, auch im sozialen Bereich wird es Einschnitte geben müssen.

Alle Senatoren müssen am Dienstag ihre Vorhaben präsentieren und Sparziele quantifizieren. Auch die Innenbehörde ist gefordert, und hier warnt der SPD-Innenexperte Andreas Dressel im Vorfeld vor einer „Rotstift-Politik bei der inneren Sicherheit“. „Schon die bereits beschlossene Maßnahme bei der Polizei, die Streichung der Präsenzgruppen, bewirkt herbe Einschnitte im Sicherheitsnetz unserer Stadt, nachdem es vorher Stellenabbau und Zusammenlegung von Polizeikommissariaten gegeben hat“, meint er. Die Dienstgruppen-Präsenz (DGP) hätte bislang einen überproportional großen Anteil an der uniformierten Polizeipräsenz. „Und das, obwohl sie nur einen kleinen Teil des Vollzugspersonals der Polizeikommissariate ausmachen.“

Laut Antwort des Senats auf die Kleinen Anfragen mehrerer SPD-Bürgerschaftsabgeordneter ging in den vergangenen Jahren etwa ein Viertel der Polizeipräsenz auf ihr Konto. „In einigen Polizeikommissariaten haben die Mitarbeiter der Präsenzgruppen zeitweise über 50 Prozent der uniformierten Polizeipräsenz gewährleistet“, sagt Dressel. Besonders hoch war der Anteil der Präsenzstunden durch Angehörige der DGP in diesem Jahr bis Ende August mit über 53 Prozent in Altona. In St. Georg lag der Anteil der Präsenzschicht an den Präsenzstunden im selben Zeitraum mit knapp unter zehn Prozent am niedrigsten. „Streicht man die Präsenzgruppen, geht die Polizeipräsenz auf der Straße noch weiter in den Keller“, befürchtet Dressel.

Das sieht der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Joachim Lenders, ähnlich, wenn auch nicht ganz so dramatisch. „Die Präsenzschichten werden aufgelöst, um die Schichten aufzufüllen, die die Peterwagen besetzen sollen. Damit leisten die Beamten an anderer Stelle Präsenz.“ Allerdings sei auch nach Lenders Ansicht die Präsenz der Präsenzschichten besonders hoch gewesen. „Der Name sagte ja alles über ihre Aufgabe aus“, so Lenders. Allerdings sage die Zahl der Präsenzstunden, die die Beamten eine Polizeiwache leisten, nichts über die Sicherheitslage aus. Präsenzstunden würden auch durch bürgernahe Beamte geleistet, die als Kontaktbeamte im Einsatz sind. Zivilfahnder dagegen würden, wie viele andere Polizeieinsätze, nicht unter Präsenz fallen. Geht es um Verbrechensbekämpfung, sind aber gerade die nicht uniformierten Polizisten besonders erfolgreich.

Die Schonfrist für Besitzer illegaler Waffen verstreicht

Bis Jahresende können Pistolen und Gewehre straffrei abgegeben werden – Innensenator Ahlhaus mahnt, Chance auf Rückkehr in die Legalität zu nutzen

Besitzer von illegalen Waffen in Hamburg haben nur noch bis Ende Dezember Zeit, diese straffrei abzugeben. Deshalb fordert Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) die Waffenbesitzer auf, sich an die Hamburger Polizeiwachen zu wenden, wo sie die Waffen anonym und straffrei abgeben können.

Ahlhaus verdeutlicht den Ernst der Lage: „Die jetzige Amnestie ist auf absehbare Zeit die letzte Chance zur Rückkehr in die Legalität. Sie ist ein Ansporn, schnell und unbürokratisch unerlaubte Waffen und die dazugehörige Munition loszuwerden.“

Dahinter steckt das neue, verschärfte Waffenrecht, das im Juli bundesweit in Kraft getreten ist. Es sieht einen Übergangszeitraum vor. Als illegal eingestuft werden erlaubnispflichtige Schusswaffen, Munition und gefährliche Gegenstände wie Butterfly- und Faustmesser. Auch legale Waffen können bei der Polizei abgegeben werden. Dabei müssen allerdings die Personalien genannt werden.

Mittlerweile sind fast 4500 Waffen abgegeben worden. Die überwiegende Masse waren legale Schusswaffen. Diese seien nicht aus der Einsicht zurückgegeben worden, dass ihre Besitzer meinen, sie würden keine Waffe benötigen, wie es aus Polizeikreisen heißt, sondern vielmehr aus finanziellen Gründen: Durch das verschärfte Waffengesetz hätten sie sich teure Spezialschränke anschaffen müssen. Gerade Erben von Waffen scheuten die Anschaffungskosten.

Illegale Waffen wurde dagegen kaum abgegeben. „Der Anteil ist verschwindend gering“, sagt ein Beamter. Doch gerade die sind bei Straftaten eingesetzt worden. Eine der rund 60 000 registrierten Schusswaffen, die im Besitz von etwa 20 000 Berechtigten sind, wurde in Hamburg so gut wie nie bei Straftaten benutzt.

Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, zieht eine positive Bilanz: „Jede private Waffe, die aus dem Verkehr gezogen wird, ist ein Sicherheitsgewinn. Man darf nicht vergessen, dass Waffen auch schnell in falsche Hände gelangen können.“

Die für Hamburg zentral zuständige Polizeidienststelle „Waffen- und Jagdangelegenheiten“ hat schon seit März 2007 alle legalen Waffenbesitzer angeschrieben und aufgefordert, die gesetzeskonforme Aufbewahrung ihrer Waffen nachzuweisen. Laut Innenbehörde gab es nur sehr wenige Einzelfälle, in denen die Waffenbesitzer ihrer Nachweispflicht nicht nachkamen. Dann wurde die Aufbewahrung der Waffen vor Ort kontrolliert.

Hamburg verfügt über das zentrale elektronische Waffenregister (Wanda), mit dem Waffenbesitzer automatisch überprüft werden. In der Datei sind derzeit fast 24?800 Inhaber einer Waffenerlaubnis registriert; die Daten werden mit dem Einwohnermeldeamt und dem Bundeszentralregister verglichen.

„Hamburg hat auf Bundesebene in den vergangenen Jahren mehrfach eine Optimierung und Verschärfung des Waffenrechts erreicht“, erklärt Ahlhaus. „Eine Hamburger Bundesratsinitiative war die Grundlage dafür, Waffenverbotszonen einzurichten – und Hamburg hat auch zwei derartige Verbotsgebiete im Bereich der Reeperbahn und des Hansaplatzes eingeführt, in denen das Tragen von Waffen und gefährlichen Gegenständen generell verboten ist.“ In diesen Kontext gehöre auch die aktuelle Waffenamnestie.

Die SPD nennt den Vorstoß des Innensenators zur Amnestie dagegen „absolut überfällig“, so SPD-Innenexperte Andreas Dressel. „Wenn der Innensenator nur halb so viel Werbung für die Waffenamnestie machen würde wie für die Reiterstaffel, wäre für Hamburgs Sicherheit viel gewonnen.“ Somit könne Hamburg keine wirklich erfreuliche Amnestie-Bilanz vorlegen. In Bayern etwa, wo laut Dressel die Amnestie weitaus stärker beworben wurde, seien allein bis Oktober knapp 6500 Pistolen, Revolver und Gewehre abgegeben worden.

Auflösung der Präzenzschichten sorgt für Kritik an Innenbehörde

 Der ganze Schwall Kleinen Anfragen der SPD-Fraktion zur Auflösung der Präsenzschichten bei der Polizei sorgt für erneute Kritik an der Innenbehörde. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) nennt das Vorgehen ein „falsches Signal“. „Die Dienstgruppe Präsenz hat sich nicht nur an Brennpunktkommissariaten etabliert. Sie sind ein wichtiges Instrument zur Kriminalitätsbekämpfung“, meint der stellvertretende Landesvorsitzende Uwe Kossel. „Darüber hinaus werden viele weitere wesentliche Aufgaben durch unsere Kolleginnen und Kollegen der Dienstgruppen Präsenz wahrgenommen“, meint Kossel. Hier werde versucht, ein riesiges Loch im Bereich der Dienstgruppen an den Polizeikommissariaten mit einem anderen Loch zu stopfen.Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) nennt die Auflösung einen „schmerzlichen Verlust“. Die Besetzung der Peterwagen habe aber Priorität. „Die Polizei ist in der Situation, dass sie nicht genug Personal hat.“ Einen Ausweg sieht Lenders nicht. „Personal kann man bei der Polizei nicht einfach einstellen und auf die Straße schicken. Es muss erst ausgebildet werden. Das dauert drei Jahre. So lang kann man nicht warten.“

Ärger gibt es bereits am Rande. In Harburg kündigten Bezirkspolitiker an, dass der Innensenator ihnen versprochen habe, dass es am dortigen Polizeikommissariat keinen Personalabzug geben werde. In der Polizei wird das als ein Eingriff gewertet, der das Konzept in Frage stellt.

Videoüberwachung des Hansaplatzes wird eingestellt

Nur geringe Erfolge bei der Kriminalitätsbekämpfung – Umbau des Platzes steht bevor – Hickhack um offizielle Entscheidung

Die Videoüberwachung auf dem Hansaplatz wird aller Voraussicht nach eingestellt. Für den anstehenden Umbau des Platzes in St. Georg werden die fünf Videokameras, die den Platz heute noch im Blick behalten, abgebaut, und es sieht so aus, als ob sie danach nicht mehr angebracht würden. Dabei hatte die Anlage erst kürzlich ihren Wert bewiesen. Nach dem brutalen Überfall auf einen behinderten Austauschstudenten aus den USA hatten Bilder aus einer der Kameras erst am Donnerstag zu einer Festnahme geführt.

Zunächst schien es, als ob die offizielle Entscheidung bereits gefallen sei, doch dann erklärte die Innenbehörde, dass man erst den Evaluationsbericht über die Videoüberwachung im nächsten Jahr abwarten wolle. Dennoch gilt es als offenes Geheimnis, dass die Videoüberwachung nicht zu besonders vielen Erfolgen bei der Kriminalitätsbekämpfung geführt hat. Die schwenkbaren Kameras waren im Juli 2007 für rund 400 000 Euro angebracht worden. Auf und um den Hansaplatz geschahen damals rund 300 Straftaten im Jahr. Bei den Anwohnern war die die Videoüberwachung von Anfang an umstritten.

Dementsprechend groß ist die Freude im Stadtteil: „Ich habe Innensenator Ahlhaus dazu gratuliert, dass er diese mutige Entscheidung getroffen hat“, sagt Helmut Voigtland, Vorsitzender des Bürgervereins St. Georg, nachdem er erfahren hat, dass die Kameras abgebaut werden sollen. Dass die Entscheidung doch nicht spruchreif seien soll, dazu sagt er: „Ich hoffe, dass es jetzt auch dabei bleibt.“ Die Kameras seien für den Platz destruktiv und stigmatisierten ihn. „Aus meiner Sicht haben sie auch bei der Kriminalitätsbekämpfung nichts gebracht.“

Ganz anders sieht es die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG). Die Videoüberwachung einzustellen wäre ein „sicherheitspolitischer Irrweg“, es gebe „überhaupt keine fachlichen Gründe, die das rechtfertigen können“, sagt Landesvorsitzender Joachim Lenders. Ende September überführte die Polizei eine Frau, die auf einen am Boden liegenden Mann 16 Mal eingetreten hatte. Selbst bei Tötungsdelikten spielten die Bilder aus den Kameras bei Ermittlungen eine Rolle. „Es sind zwar nicht annährend so viele Fälle wie auf der Reeperbahn, die durch die Kameras aufgedeckt oder aufgeklärt werden“, sagt ein Beamter. „Der Platz ist aber immer noch hoch belastet.“

Das sieht Lenders genauso. „Die Kriminalstatistik ist eindeutig, schwere und gefährliche Körperverletzungsdelikte nehmen weiter zu“, sagt er. Die Kriminalitätsentwicklung scheint nicht für die dauerhafte Demontage zu sprechen. Zwar gibt es insgesamt etwas weniger Vorkommnisse, aber die Zahl der Gewalttaten in St. Georg ist im Vergleich zu 2008 in den ersten sechs Monaten dieses Jahres um 5,8 Prozent auf 128 Taten angestiegen.

Dass die Entscheidung noch nicht gefallen ist, betont auch Antje Möller, Innenexpertin der GAL. „Wir haben generell eine kritische Haltung zu Videoüberwachung als singulärer Maßnahme“, sagt sie. „Aber hier warten wir auf den Evaluationsbericht.“ Dies sei auch kein Zugeständnis an die GAL, schließlich habe man sich im Koalitionsvertrag auf diese Vorgehensweise verständigt.

Dass hinter den Plänen, die Kameras abzubauen, politische Motive stecken, steht für die SPD dagegen fest. „Noch im Frühjahr hat der Senat mitgeteilt, die Zahl der Straftaten sei zurückgegangen. Nun heißt es, die Überwachung bringe nichts. Ist hier fachlich entschieden worden – oder hatten die Grünen bei Ahlhaus gerade einen Gefallen gut?“, fragt SPD-Innenexperte Andreas Dressel. Sollten die Kameras abgebaut werden, sei das „in hohem Maße erklärungsbedürftig“.

So oder so: In St. Georg freut man sich auf die Umgestaltung des großen Platzes. „Die Straßen werden bis an die Häuser aufgepflastert. Wir hoffen, dass sich Außengastronomie dort niederlässt und der Hansaplatz zum lebendigen Mittelpunkt St. Georgs wird“, sagt Voigtländer.

Polizei wehrt sich gegen Vorwurf ungenügender Ermittlungen

Nach Schanzenkrawallen hatte GAL-Justizsenator Steffen die Beamten indirekt kritisiert – Gewerkschaft reagiert empört

Auf Unverständnis und Kritik in Polizeikreisen sind die Äußerungen von Justizsenator Till Steffen (GAL) zur ungenügenden Verfolgung von Gewalttätern nach dem Schanzenfest gestoßen. Steffen hatte am Montag festgestellt, die Verfahrensdauer der Ermittlungen nach Ausschreitungen hänge „immer mit der Qualität der Ermittlungen“ zusammen (die WELT berichtete). Dies könne auch an den Beamten liegen.

Der Senat war gestern bemüht, die Wogen rasch wieder zu glätten: Justiz- und Innenbehörde stellten sich am Dienstag wieder als einig dar. Gemeinsames Ziel des Senates sei die energische Verfolgung von Straftätern.

Steffens Äußerungen hatten in Hamburgs Polizeikreisen am Dienstag für große Verärgerung gesorgt. Offiziell äußerte sich Joachim Lenders, der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft. Er nannte die Kritik Steffens „substanzlos“. „Die unberechtigte und polemische Kritik des Justizsenators diskreditiert die Hamburger Polizei.“ Die substanzlose Kritik sei eines Senatsmitglieds unwürdig und ohnehin nur ein „Eigentor“. Lenders betont, dass die Staatsanwaltschaft für die Anklageerhebung zuständig sei. Vom Justizsenator erwarte er eine Entschuldigung.

Die Opposition verfolgt die Auseinandersetzung kopfschüttelnd: „Ich erwarte, dass die Senatoren sich um eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen Polizei und Justiz sorgen und nicht wie die Kesselflicker streiten“, sagte SPD-Innenexperte Andreas Dressel, der am Vortag darauf hingewiesen hatte, dass sich die Verurteilungen von Gewalttätern nach dem Schanzenfest 2008 bis weit in dieses Jahr hineinziehen.

Innerhalb der Polizei hält man sich mit Kritik offiziell zurück. Dort will man Steffens Äußerungen nicht kommentieren.

„Die Kritik des Justizsenators war keineswegs polemisch“, sagt Steffens Sprecher Thorsten Fürter. „Er hat auf den Zusammenhang zwischen der Ermittlungsarbeit vor Ort und der Möglichkeit, Täter zu verurteilen, hingewiesen. Gleichzeitig hat er aber betont, dass die Zusammenarbeit zwischen der Staatsanwaltschaft und der Polizei beim jüngsten Schanzenfest schon sehr viel besser gelaufen ist.“ Ebenso, wie diesmal Staatsanwälte im Schanzenviertel vor Ort waren, habe auch die Polizei Wert darauf gelegt, Beweise vor Ort zu sichern, etwa gleich Blutproben zu nehmen. „Es gibt ein gemeinsames Interesse daran, dass Straftäter verfolgt werden.“

Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU), der in einer ersten Stellungnahme noch verärgert reagiert hatte, betonte am Dienstag ebenfalls die „gute Zusammenarbeit“, über die er am Dienstag mit Steffen gesprochen habe. Ahlhaus: „Trotzdem muss es unser gemeinsames Ziel bleiben, die Verfahrenswege weiter zu beschleunigen und zu noch besseren Ermittlungsergebnissen zu kommen. So wollen wir die Zahl der qualifizierten Festnahmen, bei denen wir den Gewalttätern möglichst hieb- und stichfest ihre Taten nachweisen und sie dem Haftrichter zuführen können, noch weiter erhöhen.“ Dazu habe die Polizei am Wochenende erstmals 50 zusätzliche Beamte für Vernehmungen vor Ort eingesetzt, um das Verfahren in Richtung Justiz zu beschleunigen.

Gewaltorgie mit politischem Nachspiel

Nach Schanzen-Krawallen: Justizsenator fordert Polizei auf, verwertbare Beweise zu liefern – Viele Betrunkene

Das zweite Schanzenfest am Wochenende und die gewalttätigen Ausschreitungen in der Nacht sorgen für Debatten in Hamburg: Morgen wird sich die Bürgerschaft in ihrer Aktuellen Stunde mit den Krawallen befassen. Dabei gehen die Bewertungen weit auseinander.

Laut Bilanz der Polizei gab es 47 Festnahmen in der Nacht zum Sonntag. Die meisten Täter kommen aus Hamburg. Aber auch ein 22-jähriger Schweizer wurde in Haft genommen. Er hatte vor der Roten Flora mindestens 20 Flaschen auf Polizisten und Wasserwerfer geworden, zudem hatte er Barrikaden gebaut. „31 der Festgenommenen standen unter Alkoholeinfluss“, sagt Polizeisprecher Ralf Meyer. „Sie waren nicht angeheitert, sondern in der Regel richtig betrunken.“ Nur sieben Festgenommene sind laut dem Staatsschutz dem Kern der linksautonomen Szene zuzuordnen.

Das untermauert die Einschätzung der Polizei, dass viele Krawallmacher das Schanzenfest als willkommenen Anlass für Ausschreitungen ansehen. Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Polizeigewerkschaft, sagt: „Das ist für die Täter eine Gelegenheit, eine Gewaltorgie auszuleben.“

Für die SPD stand am Montag die Strafverfolgung im Vordergrund: „Gewalttäter haben einmal mehr alle Hoffnungen auf ein friedliches Schanzenfest zunichte gemacht. Es kann nicht sein, dass sie sich erst irgendwann im nächsten Jahr dafür verantworten müssen“, sagt SPD-Innenexperte Andreas Dressel, der auf Senatsanfragen der SPD verweist.

Demnach mussten sich die Gewalttäter aus dem Jahr 2008 teils noch nicht vor Gericht verantworten. Aus 81 Strafanzeigen waren 57 Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, 17 landeten bisher vor Gericht.

Justizsenator Till Steffen (GAL) sagte dem Sender „Hamburg 1“, die Verfahrensdauer der Ermittlungen nach Straftaten bei solchen Ausschreitungen hinge „immer mit der Qualität der Ermittlungen“ zusammen. Dies könne auch an den Polizeibeamten liegen, erklärte Steffen. „Je besser ermittelt wird, desto schneller kann Anklage erhoben werden. Je unklarer die Ermittlungsergebnisse sind, um so eher muss dann auch noch mal die Akte an die Polizei zurückgegeben werden.“

Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) stellte sich hinter den Polizeieinsatz: „Wir hatten es am Wochenende mit zahlreichen gewaltbereiten Straftätern zu tun, daher war der starke und kompromisslose Polizeieinsatz absolut notwendig.“

„Es war bis zum späten Abend ein friedliches Fest“, zieht GAL-Innenexpertin Antje Möller Bilanz. Danach habe man die „bittere Erfahrung“ machen müssen, dass es in der Nacht doch zu Ausfällen gekommen sei. Das veränderte Konzept der Polizei nannte sie erfolgreich. Ihre Schlussfolgerung: „Es gibt keinen Grund, wegen solcher Ausfälle das Schanzenfest nicht zu ermöglichen.“

Auch für Altonas CDU-Fraktionschef Uwe Szczesny haben das Schanzenfest und die Krawalle wenig miteinander zu tun. „Die Botschaft an die Organisatoren ist: Meldet dieses Fest künftig an.“ Sehr viel kritischer sieht Christiane Schneider (Linke) den Einsatz. „Bis um 1.20 Uhr war es ein friedliches Fest. Das änderte sich. Wenn aber vonseiten der Behörde Krawalle ankündigt werden, dann kommt es schließlich auch dazu“, stellt sie fest. Der Polizeieinsatz nach den Ausschreitungen vor der Polizeiwache sei „absolut unverhältnismäßig“ gewesen. Schneider fragt auch, warum es an der Polizeiwache an der Stresemannstraße, die angegriffen wurde, keinerlei Objektschutz gegeben habe. Das Gebäude sei nicht besonders gesichert gewesen, es habe kaum Licht gebrannt. Dies nennt sie „fast schon eine Einladung an Krawallmacher“.

Schanze-Krawalle: Randalierer greifen Polizeiwache an

Nach friedlicher Partynacht eskaliert die Lage auf dem Schulterblatt erneut – Polizei nimmt 40 Gewalttäter fest

Fast blieb es ein ruhiges Schanzenfest: Tausende feierten friedlich vom Nachmittag bis weit nach Mitternacht auf dem Schulterblatt, die Polizei hielt sich zurück, Ärger gab es keinen. Doch Krawallmacher suchten dann doch die Eskalation. 150 bis 200 Randalierer stürmten gegen 1.45 Uhr auf die Polizeiwache an der Lerchenstraße zu. Das war das Ende der bis dahin friedlichen Veranstaltung. Bei der Verfolgung der Randalierer kam es rund um die Rote Flora zur Straßenschlacht, die bis etwa 3 Uhr andauerte.

An Flohmarktständen, vor Bierbuden und in den anliegenden Kneipen hatten mehrere Tausend Menschen friedlich den Abend im Szeneviertel verbracht. Dichtgedrängt standen die Menschen auf der Straße. Die Polizei hielt sich völlig zurück, kein einziger uniformierter Beamter tauchte auf. Die Masse der rund 2000 Polizisten stand auf dem Heiligengeistfeld in Bereitschaft.

Nachdem der Flohmarkt aber beendet und eine Bühne abgebaut war, loderten erste Feuer. Im Schanzenpark schlugen die Flammen mehrere Meter hoch. Immer neues Material, darunter ganze Plastikmülleimer, wurde herangeschleppt und in die Flammen geworfen. Auch Feuerwerkskörper und Feuerzeuge flogen in die Flammen. Es knallte und zischte. Die Dunkelheit hüllte den pechschwarzen Rauchpilz ein. Auf der Piazza in der Straße Schulterblatt sorgten selbsternannte Ordnungshüter aus der linken Szene für Ruhe. Immer wieder machten sie kleineren Krawalltrupps klar, dass man feiern wolle. Es schien zunächst, als würde es klappen.

Gegen 1 Uhr war es dann mit der Ruhe vollens vorbei. Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, wurde Augenzeuge. „Ich saß gerade im Wagen an der Budapester Straße und wollte etwas essen“, sagt er. Dann tauchten plötzlich 150 bis 200 Vermummte auf. Ein Verkehrsposten der Polizei, der die Autos um das Schanzenviertel herumleitete, ergriff die Flucht. „Dann rannte der Mob die Straße hoch. Fahrzeuge, die auf der Straße unterwegs waren, wurden angegriffen und beschädigt. Die Gruppe ging auf die Wache los. Mit einem Verkehrsschild hebelten sie ein Fenster auf und warfen Böller hinein. Im ersten Stock gingen Scheiben zu Bruch. Danach wurde ein Bushäuschen zerstört und Feuer gelegt“, sagt Lenders. „Alles ging blitzschnell. Als Einsatzkräfte herankamen, flüchtete die Gruppe durch die Juliusstraße Richtung Piazza.“

Einem Journalisten, der die Szene ebenfalls beobachtete und der sie später auf der Piazza identisch schilderte, drohte ein dunkel gekleideter Mann Schläge wegen der „Lügen“ an. Die Szene hatte schnell ihre Version über den Angriff auf die Polizeiwache. „Das waren doch zivile Bullen“.

Mit dem Angriff auf die Polizeiwache kippte die Situation. Die Einsatzkräfte vom Heiligengeistfeld rückten an. „Bei der Verfolgung gab es massiven Flaschenbewurf“, sagt der Chef der Bereitschaftspolizei, Hartmut Dudde. Es folgte die Räumung des Schulterblatts von zwei Seiten. Die Masse der Feiernden, viele schon erheblich alkoholisiert, hatte nichts von dem Angriff auf die Polizei mitbekommen. Die meisten wurden völlig überrascht, räumten aber nicht die Straße. Es kam zum Schlagstock- und Wasserwerfereinsatz. Festnahmeeinheiten rannten los und gingen zuweilen wahllos auf Menschen zu. Flaschen und Steine wiederum flogen auf Einsatzkräfte. Es gab vor allem auf der Seite von Krawallmachern und Passanten Verletzte. Randalierer errichteten kleine Barrikaden, legten Feuer. In Trupps zogen Vermummte im Umfeld durch das Viertel. An der Ludwigstraße plünderten sie einen Computerladen. Es gab mehrere Festnahmen. Immer wieder kam es zu Steinwürfen und Brandstiftungen. Erst am frühen Morgen beruhigte sich die Situation.

Bei den Krawallen hat es nach Polizeiangaben mindestens 60 Verletzte und 130 Fest- und Ingewahrsamnahmen gegeben. Allein am frühen Sonntagmorgen kam es zu 47 Festnahmen und 20 Ingewahrsamnahmen. Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) sprach von einem „enormen Gewaltpotenzial“ und lobte den Einsatz der Beamten. Man sei konsequent eingeschritten, als es zu Straftaten kam.

Reiterstaffel statt Fußstreifen und Polizeiposten

Innensenator Ahlhaus baut die Hamburger Polizei um – Kritik von Opposition und Gewerkschaften

Weniger Fußstreifen, Schließung von Polizeiposten im Osten der Stadt und Wiedereinführung der 1975 abgeschafften Reiterstaffel – das sind die Eckpunkte der „organisatorischen Anpassung der Hamburger Polizei“, die Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) gestern vorgestellt hat. Dabei gab er auch die Auflösung der „Dienstgruppen Präsenz“ bekannt. Die sogenannten „Präsenzschichten“ waren erst 2003 eingeführt worden. Durch vermehrte Streifengängen und Personenkontrollen sollten sie für mehr Sicherheit in Problemgebieten sorgen. Die 200 Beamten dieser Gruppe werden nun zum Großteil in die Schichten der Wachen zurückgeführt. So will man die Unterbesetzung der Peterwagen ausgleichen.

Das ist allerdings nicht der einzige Punkt, der den Hamburgern sauer aufstoßen könnte. Auch die Polizeiposten in den Vier- und Marschlanden zwischen Moorfleet und Neuengamme stehen zur Disposition. Dafür bekommt die Polizei ihr „Leuchtturmprojekt“: Die Reiterstaffel wird wieder eingeführt. Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) erteilte Polizeipräsident Werner Jantosch einen entsprechenden Prüfauftrag. Dabei geht es nicht darum, ob die Reiter nützlich sind. Es geht nur noch um die Umsetzung.

„Organisatorische Anpassung“ nennt die Behördenleitung das Notprogramm, durch das die Zahl der Fußstreifen deutlich abnehmen wird. Denn eine Erhebung hatte ergeben, dass an vielen Wachen nicht mehr die Streifenwagen im nötigen Umfang besetzt wurden. Zu mehrere sogenannte Prioritätseinsätze, Alarmauslösungen oder Schlägereien, konnten nicht genügend Streifenwagen ausrücken.

„Keine einzige Stelle wird eingespart oder von der Straße weggenommen“, verspricht Ahlhaus. 130 Polizisten werden auf die Schichten verteilt. Dort fehlen laut einer internen Erhebung mindestens 119 Polizisten. Angekündigt wurde auch eine mögliche Verschiebung des Personals zwischen den Wachen. Im Klartext bedeutet das, dass es an einigen Revieren mehr, an anderen Wachen weniger Personal geben wird. Details wollte Polizeipräsident Werner Jantosch nicht nennen.

Vor dem Aus stehen auch die sieben Polizeiposten im Osten Hamburgs. Drei Beamte werden in naher Zukunft pensioniert. Sie haben ihren Dienstraum im eigenen Haus, das sie weiter bewohnen werden. Ersatz ist da kaum zu beschaffen. „Wir werden ganz genau hinschauen, ob wir sie wieder besetzen“, sagt Ahlhaus. Man wolle aber in Abstimmung mit den Bürgern und der örtlichen Politik vorgehen. Denen will man eine mögliche Alternativlösung anbieten. Eine zentrale Außenstelle in den Vier- und Marschlanden mit zehn Polizisten könnte eingerichtet werden.

Begeistert sind der Innensenator und der Polizeipräsident von der geplanten Reiterstaffel. Zehn Beamte sollen durch Hamburg galoppieren. Als Einsatzgebiet schweben der Polizeiführung der Stadtpark, der Friedhof Ohlsdorf oder der Elbstrand vor. Aber auch bei Demonstrationen oder bei Fußballeinsätzen könnten Ross und Reiter Eindruck machen. 600 000 Euro, ohne Personal, würde die Einführung kosten. Zusätzliche Mittel oder Beamte wird es nicht geben. Dabei hatte Hamburgs Polizei bis 1975 sogar 40 Reiter im Einsatz. Die waren aber so uneffektiv, dass sie abgeschafft wurden. Maximal vier Stunden könnte ein Pferd pro Schicht unterwegs sein. Ansonsten wird es gesattelt, gestriegelt oder im Hänger transportiert. Das war auch der Grund, warum die Wiedereinführung der Reiterstaffel in den vergangenen Jahren mehrmals abgelehnt wurde.

Opposition und Gewerkschaften üben Kritik. „Nach der teuren Polizeischießanlage nun eine teure Reiterstaffel. Und für die örtlichen Polizeidienststellen ist nicht genug Personal da“, sagt SPD-Innenexperte Andreas Dressel. „Innensenator Ahlhaus sollte seine Pflichtaufgaben erledigen, bevor er sich als Kürtänzer betätigt.“

Freddi Lohse von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) sagt: „Die medienwirksame Wiedereinführung der Reiterstaffel kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass de facto zeitgleich die Auflösung der Präsenzgruppen an den Polizeikommissariaten angekündigt wurde.“

In die gleiche Richtung geht die Kritik des stellvertretenden Landesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Uwe Koßel. „Die geplante Auflösung ist das falsche Signal. Die Dienstgruppen Präsenz haben sich nicht nur an den Brennpunktkommissariaten etabliert“, sagt er. „Sie sind ein wichtiges Instrument zur Kriminalitätsbekämpfung und nehmen weitere Aufgaben wahr.“

Weniger Flaschen auf dem Kiez

Beschlossenes Verbot gilt nur an Wochenenden und in den Nachtstunden

Bislang waren legale Waffen wie Messer, Reizgas oder Gaspistolen auf dem Kiez verboten. Jetzt macht sich auch strafbar, wer mit einer Flasche über die Reeperbahn läuft. Die Bürgerschaft hat das Flaschenverbot beschlossen. Es gilt nicht durchgängig, sondern nur an den Wochenenden von 22 bis 6 Uhr sowie vor und an Feiertagen. Der Grund: Flaschen werden oft als Waffe eingesetzt, mit der Kontrahenten schwere, sogar lebensbedrohliche Verletzungen zugefügt werden können.

Zwar ging die Zahl der schweren und gefährlichen Körperverletzungen, bei denen Flaschen eingesetzt wurden, im vergangenen Jahr zurück. Das ist Innensenator Christoph Ahlhaus aber nicht genug, zumal in diesem Jahr eine Stagnation zu beobachten sei. „Jede Tat ist eine zu viel“, sagt Ahlhaus. Das Flaschenverbot sei absolut erforderlich, um den Kiez sicherer zu machen. Es soll ein weiterer Baustein in dem Sicherheitspaket sein, das aus hoher Polizeipräsenz, Videoüberwachung und zahlreichen Verboten besteht. „Alle Menschen, die sich dort vergnügen wollen, sollen das nicht um den Preis der eigenen Sicherheit machen“, so Ahlhaus. Er betonte, dass es ihm bei dem Flaschenverbot nicht um den Inhalt, sondern um die Verpackung ginge. Ahlhaus versichert: „Wir wollen den Kiez nicht trocken legen.“

Die SPD mahnte eine konsequente Durchsetzung des Verbots an. „Dafür brauchen wir ausreichend Polizei auf der Straße. Doch gerade bei der Polizei gibt es immer neue Personalengpässe und einen schleichenden Personalabbau. Das ist eine Hypothek für die Umsetzung eines vernünftigen Gesetzes“, sagte SPD-Innenexperte Andreas Dressel. Er reklamiert den Anstoß zu dem Gesetz für seine Partei. Die SPD hätte ein Gesetz zum zeitlich beschränkten Glasflaschenverbot lange vergeblich gefordert. Dressel: „Wir sehen den Kurswechsel des Innensenators in dieser Frage auch als einen Erfolg unserer Hartnäckigkeit.“

Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), sieht ebenfalls Probleme in der praktischen Umsetzung. „Wir sehen das Gesetz als nötig und sinnvoll an, damit der Kiez sicherer wird. Aber allein der Umstand, dass man im Umfeld 20 Glascontainer aufstellen will, damit dort Flaschen vor dem Betreten der Verbotszone entsorgt werden können, zeigt schon die Dimension, mit der wir es zu tun haben werden.“ Man müsse für eine konsequente Durchsetzung noch mehr Beamte auf dem Kiez einsetzen, auf dem bereits jetzt die höchste Polizeidichte Europas herrscht. Zudem werden vermutlich viele Menschen weiter Glasflaschen aus Unkenntnis mitbringen.

Polizeieinsatz und „qualifizierte Duldung“ im Kreuzfeuer der Politik

Innensenator: Konzept der Stärke ist aufgegangen – SPD fordert politische Aufarbeitung – Kritik an Altonas Bezirksamtschef

Die Fragen, ob man die gewalttätigen Randalierer beim Schanzenfest besser hätte unter Kontrolle bringen können und ob die Polizei richtig gehandelt hat, bestimmen am Tag nach dem Schanzenfest die politische Debatte. Aber auch der Bezirk steht in der Verantwortung, der das Fest tagsüber geduldet hatte. Politiker quer durch alle Parteien zeigten sich entsetzt von der Randale. Bis auf die Linke verurteilen sie unisono das Verhalten der Demonstranten.

„Diesen gewaltbereiten Straftätern ging es nur um Störung und Krawall und sonst gar nichts“, sagte Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) am Sonntag. „Aufgrund der von vornherein hohen Gewaltbereitschaft einer Vielzahl von Extremisten war es richtig und notwendig, diesen Straftätern mit besonders stark aufgestellten Polizeikräften zu begegnen. Dieses Konzept der Entschlossenheit, der Stärke und der frühzeitigen Präsenz ist aufgegangen.“

Die SPD mahnt, die Krawalle müssten jetzt politisch aufgearbeitet werden, um Ursachen und Konsequenzen zu klären. Auch die Jusos setzen ein Zeichen: „Wer mutwillig Steine auf andere Menschen schmeißt und damit Menschenleben in Gefahr bringt, gehört dafür mit der vollen Härte des Gesetzes zur Verantwortung gezogen“, meint der Juso-Landeschef Nicholas Gildemeister.

Allerdings steht die Frage im Raum, ob der Bezirk Altona richtig gehandelt hat. SPD-Innenexperte Andreas Dressel nimmt die Differenzen zwischen der Innenbehörde und dem Bezirksamt ins Visier: „Dass Innensenator und Bezirksamtsleiter in dieser zentralen Frage auf unterschiedlichen Wellenlängen gefunkt haben, darf sich nicht wiederholen. Es kann nicht sein, dass hier Verantwortlichkeiten hin- und her geschoben werden.“

Noch einen Schritt weiter geht Joachim Lenders von der Deutschen Polizeigewerkschaft. „Den Raum für diese Gewaltorgie haben die Bezirkspolitiker und der Bezirksamtsleiter zu verantworten, weil sie mit dem neu erfundenen Begriff der qualifizierten Duldung einen rechtsfreien Raum geschaffen haben“, sagt er. „Es ist billig, wenn der Bezirksamtsleiter so tut, als sei er nur für das Fest tagsüber und nicht für die Nacht verantwortlich. Politiker, die Verantwortung und Haftung einfordern, sollten diesen Maßstab auch mal an sich selbst anlegen.“

Bezirksamtschef Jürgen Warmke-Rose weist dies zurück: „Auch aus heutiger Sicht war es kein Fehler, dieses Fest so zu dulden“, sagt er. „Die Straftaten, die ab 23.30 Uhr begangen wurden, können nicht darauf zurückgeführt werden, dass es vorher ein friedliches Fest gab, an dem zu einhundert Prozent andere Leute teilgenommen haben.“ Viel schlimmer wäre es geworden, wenn das Fest ab dem Morgen wegen Ordnungswidrigkeiten untersagt worden wäre. Altonas CDU-Fraktionschef Uwe Szczesny findet es bestürzend, dass ein sehr hoher Anteil an „bewussten Krawalltouristen“ zu der Randale in die Schanze gekommen war. Aber auch er sieht es nicht als Fehler, das Fest zugelassen zu haben, man habe es ohnehin nicht verhindern können.

Ahlhaus ist anderer Meinung: „Ich halte es nicht für richtig, dass hier einer Gruppe, die sich nicht verhandlungsbereit gezeigt hat, Rabatt eingeräumt wurde.“ Den Krawalltouristen gegenüber müsse der Rechtsstaat deutlich zeigen, dass er sich nicht auf der Nase herumtanzen lasse. Erst dann würden die Randalierer erkennen, dass es sich für sie nicht lohne, Krawall zu machen.

Einzig die Linke nimmt eine andere Haltung zum Schanzenfest ein: Die Links-Innenexpertin Christiane Schneider spricht von „unprovozierter Polizeigewalt“ gegenüber friedlichen Demonstranten und der gewaltsamen Unterdrückung „politisch unliebsamer Lebensäußerungen“. Schneiders Fazit: „Polizeiknüppel und Wasserwerfer lösen keine gesellschaftlichen Probleme“.