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Polizeigewerkschaft sieht „verheerendes“ Signal

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Staatsanwaltschaft zieht überraschend Revision gegen ein Urteil zu Angriffen auf Beamte in Neuwiedenthal zurück. Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers führt schriftliche Urteilsbegründung an, die zu dem Rückzieher geführt habe.

Der Fall hatte Entsetzen ausgelöst, das Urteil auch: Im Juni 2010 griff ein aufgebrachter Mob in Neuwiedenthal Polizisten an. Mehrere Beamte wurden verletzt, einer schwebte sogar kurzzeitig in Lebensgefahr. Doch das Urteil gegen einen der Angeklagten lautete Freispruch, die Staatsanwaltschaft ging daraufhin in Revision. Doch die wurde jetzt klammheimlich zurückgezogen, angeblich wegen mangelnder Erfolgsaussichten. Die Entscheidung dürfte das mittlerweile durch einige andere Vorgehensweisen zerrüttete Verhältnis zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei weiter verschlechtern.

Der Angeklagte Amor S. (32), der einen Polizisten schwer verletzt haben soll, hatte den Gerichtssaal im vergangenen Jahr als freier Mann verlassen. Der Hauptbelastungszeuge, ein Polizist, hatte zwar gegenüber der Richterin den Mann eindeutig als Täter identifiziert, dann aber gegenüber der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung von seinem Recht auf Zeugnisverweigerung Gebrauch gemacht. Er selbst war auch angezeigt worden. Dieses Zeugnisverweigerungsrecht wäre ihm zu Unrecht gewährt worden, ist die Einschätzung von Rechtsanwalt Walter Wellinghausen, der die Nebenklage vertritt. Diese Meinung vertrat auch die Staatsanwaltschaft während des Verfahrens und bei Einreichung der Revision. „Ich bin mir sicher, dass das Urteil vor dem Bundesgerichtshof keinen Bestand hat“, sagt Wellinghausen. Die Staatsanwaltschaft hat mittlerweile eine andere Sicht. Laut Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers war es die Prüfung der schriftlichen Urteilsbegründung, die zu dem Rückzieher geführt hat. „Das war eine sehr bewusste Entscheidung“, sagt Wellinghausen, der seine Revision aufrechterhält.

„Es ist schon erstaunlich, dass die Staatsanwaltschaft nach Monaten zu so einem Schluss kommt“, sagt dazu Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. Was ihn verwundert, ist der Umstand, dass seiner Ansicht nach andersherum bei Verfahren, die sich gegen Polizisten richten, die Hamburger Staatsanwaltschaft derzeit eine ganz harte Linie fährt. „Die Vorgehensweise ist merkwürdig“, sagt Lenders. „Man hat das Gefühl, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird.“

Mehrfach waren zuletzt Verfahren gegen Polizisten wieder aufgenommen worden, für die der bearbeitende Staatsanwalt nach Kenntnis Lenders‘ bereits die Einstellung empfohlen hatte. Konkret geht es um einen Beamten, der bei einer Demonstration in Moorburg beim Vorgehen gegen einen Protestierer gefilmt wurde, und einen weiteren Bereitschaftspolizisten, der bei einer Demonstration einen Mann zu Boden brachte, der kurz zuvor einen Polizisten mit einem Faustschlag attackiert haben soll. Dann ist da noch der Fall eines Beamten der Wache 26, der einen Festgenommenen in eine Zelle zog, was als Körperverletzung gewertet worden war. In keinem Fall gab es Anzeigen gegen Beamte. Es soll sogar Entschuldigungsschreiben geben, in denen sich die von der Staatsanwaltschaft als „Opfer“ eingestuften Personen entschuldigten. Den Beamten half das nicht. Sie bekamen stattdessen das Angebot einer Geldbuße oder als Alternative „langwierige Ermittlungen“. „Für die betroffenen Kollegen ist das eine reine Rechenaufgabe gewesen“, sagt Lenders – während eines langwierigen Verfahrens werden sie nicht befördert.

Hamburger Polizisten dürfen Wintermützen tragen

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„Mützenposse“ hieß der jahrelange Streit über die passende Winter-Kopfbedeckung für Hamburgs Ordnungshüter.

Bislang war die dienstlich gelieferte Wintermütze aus Wolle für die Peterwagenbesatzungen tabu. Sie durfte nicht zur normalen Uniform getragen werden, so der Befehl von oben. Der neue Polizeipräsident Wolfgang Kopitzsch sieht das anders.

So können ab sofort auch die Beamten der Wachen und Verkehrsstaffeln ihre Ohren mit der Wollmütze als Teil ihrer Uniform wärmen. Die Beschaffung ist nicht schwierig. Über das Logistikzentrum in Niedersachsen sind die Mützen in wenigen Tagen zu bekommen. Viele Beamte werden sie auch schon im Spind haben.

Beifall kommt von der Deutschen Polizeigewerkschaft. Joachim Lenders, Landesvorsitzender: „Endlich. Es wurde auch Zeit, dass die Gesundheit der Kollegen und nicht persönliche Geschmäcker im Vordergrund stehen. Nach Jahren der „gebetsmühlenartigen Wiederholung“ sei die Polizeiführung nun einsichtig geworden, erklärte Lenders. „Während man im Polizeipräsidium entspannt und leger das Thermostat von „4“ auf „5“ drehte, froren sich unsere Kolleginnen und Kollegen – salopp gesagt – die Ohren vom Stamm.“

Polizeipräsident Missglückter erster Arbeitsauftrag

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Ein formloses A4-Blatt, das von Hamburgs neuem Polizeipräsidenten Wolfgang Kopitzsch verteilt worden war, sorgt für Ärger. Kurz und knapp geht es um die Weiterentwicklung der Organisation. Stilblüte: „Alle 24 Polizeikommissariate bleiben bestehen. Ihre konzeptionelle Fortentwicklung orientiert sich u.a. an dem Aspekt der Sozialräumlichkeit.“ Erste Ergebnisse sollen im April vorliegen. „Das Papier geht an der Wirklichkeit vorbei“, sagt Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. Personalrat und Gewerkschaft wurden nicht informiert, obwohl man eine Organisationsstruktur entwickeln will, die „ein Höchstmaß an Kommunikation und Information, eine qualifizierte Streit- und Fehlerstruktur sowohl Zeit für Mitarbeiterbeteiligung zulässt“.

Späte Karriere: Amtseinführung am Geburtstag

Feierliche Amtseinführung durch Innensenator Michael Neumann im Rathaus. Der Polizei stehen tief greifende Veränderungen bevor

Sein 63. Geburtstag am Mittwoch, 18. Januar 2012, wird Wolfgang Kopitzsch wohl für immer genau und durchaus angenehm in Erinnerung bleiben. An diesem Tag erfüllte sich sein Traum, den er selbst als „Krönung seines beruflichen Lebens“ bezeichnet. Innensenator Michael Neumann (SPD) ernannte ihn zum Polizeipräsidenten der Freien und Hansestadt Hamburg und damit zum obersten Ordnungshüter und Chef von mehr als 9800 Mitarbeitern. Mit dem Einzug Kopitzschs in die fünfte Etage des sternförmigen Polizeipräsidiums in Alsterdorf ist auch ein Umbruch verbunden. Die Polizei soll wieder dezentralisiert werden. Damit sind bereits in den nächsten Monaten tief greifende Änderungen in dem Apparat zu erwarten.

Offen, dynamisch, selbstbewusst – zu seinen Amtsantritt hat Wolfgang Kopitzsch sich nicht unbedingt in hanseatischem Understatement geübt. Als SPD-Parteibuchinhaber und Genosse unter Filzverdacht – und von der Opposition nicht gerade als qualifiziert hingestellt – muss er in die Fußstapfen eines Präsidenten treten, der aus dem „Stall“ Polizei kam und schon von daher als kompetent, gut vernetzt und akzeptiert galt. So stellte Kopitzsch, der sich durch seinen beruflichen Werdegang in keiner Weise in der Reihe der Hamburger Polizeipräsidenten verstecken braucht, nicht nur seine, sondern auch die hohe Affinität der Familie zur Polizei in den Vordergrund. „Wir haben 47 Jahre Polizeierfahrung“, so Kopitzsch. Sein Vater war Revierführer in Altona. Er selbst war für die Aus- und Fortbildung der Hamburger Ordnungshüter als Leiter der Polizeischule verantwortlich, bevor er 2009 zum Bezirksamtsleiter in Nord gewählt wurde.

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Die Welt: Schweinske-Cup: Debatte über Polizeitaktik

St. Pauli sieht sich zu Unrecht an den Pranger gestellt – Polizei sucht weitere Zeugen

31 erkannte Krawallmacher reisten für Gewalttaten extra nach Hamburg an

Nach den Ausschreitungen beim Schweinske-Cup in und um die Alsterdorfer Sporthalle wird klar, dass die Veranstaltung von Gewalttätern gezielt als Plattform für Krawall genutzt wurde. Unter den 76 in Gewahrsam oder festgenommenen Personen sind Hooligans, als Gewalttäter bekannte Linksextremisten und zahlreiche Kriminelle, die in der Vergangenheit vor allem durch Gewaltdelikte auffielen. Die Polizei hofft jetzt, noch weitere Krawallmacher durch privat gemachte Videos zu identifizieren.

„Unter den Fest- und Ingewahrsamnahmen befanden sich zehn im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen registrierte Gewalttäter, vier bekannte Gewalttäter aus dem linken Spektrum sowie 16 bereits kriminalpolizeilich in Erscheinung getretene Tatverdächtige“, sagt Hauptkommissarin Karina Sadowsky. „31 der Personen kamen von auswärts. Selbst aus Schottland und Österreich stammen einige der festgesetzten Personen.“ Mittlerweile hat das Fachkommissariat für Szene- und Gruppengewalt, die ZD 64, die Ermittlungen übernommen.

Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, nennt die Ausschreitungen eine „von unglaublicher Brutalität geprägte Gewaltorgie“. „Was mich wirklich aufregt, ist die jetzt auch noch aufkommende Kritik an dem polizeilichen Vorgehen beim Trennen der gewalttätigen Fangruppen“, so Lenders. Er spielt damit auf die Kritik von St.-Pauli-Präsident Stefan Orth und dessen Sicherheitschef Sven Brux an, die der Polizei am Montag vorwarfen, dass sie „einseitig und überzogen“ reagiert habe. Die Schuld an den Krawallen sehen sie bei etwa 120 rechtsradikalen Lübeck-Fans, die ungehindert zwei Angriffe auf St.-Pauli-Anhänger ausgeführt hätten.

Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD) zeigte sich schockiert von den Geschehnissen. „Diese Leute sind kriminell, ich finde es unglaublich, was sie diesem traditionsreichen Familien-Fußballturnier angetan haben“, sagte er. Neumann hat als Reaktion auf die Vorfälle Vertreter des Hamburger Fanprojekts, der Fanklubs des HSV und von St. Pauli sowie Repräsentanten der beiden Profiklubs, des Hamburger Sportbundes, des Hamburger Fußball-Verbandes und der Polizei zu einem Gespräch ins Rathaus eingeladen. „Ich habe große Zweifel, ob sich solche Veranstaltungen in Zukunft durchführen lassen. Aus der ersten Erregung heraus würde ich sagen: Nein“, sagte der Innensenator dem „Hamburger Abendblatt“.

Die Welt: „Nicht mehr Herr der Lage“

Kurzzeitig erschien es in diesem Jahr so, als könnten die Sicherheitsbehörden im Kampf gegen die Auto-Brandstifter erfolgreich sein – doch die Gesamtbilanz ist verheerend

Weit mehr als 300 Fahrzeuge wurden 2011 bereits zerstört oder beschädigt

Polizei setzt weiter auf Prävention durch gezieltes Ansprechen von potenziellen Tätern

Das Anfang des Jahres eingeführte Konzept der Polizei zur Bekämpfung von Autobrandstiftungen – es muss wohl als Flop bezeichnet werden. In diesem Jahr wurden bereits 280 Fahrzeuge im Hamburger Stadtgebiet angesteckt. Damit könnte bis zum Jahresende die bislang unerreichte Marke von 300 Brandstiftungen an Autos überschritten werden. Und die Täter sind weiterhin kaum zu fassen, nur in vereinzelten Fällen gab es Festnahmen. Ein Ende der mittlerweile zum Massendelikt gewordenen Autobrandstiftungen ist nicht absehbar; Experten gehen davon aus, dass es auch in den kommenden Jahren ein Problem bleibt.

Im Sommer hatte es noch gut ausgesehen, nachdem die Polizei die Strategie geändert hatte. Statt auf Präsenz wurde auf sogenannte Gefährderansprachen gesetzt, bei denen potenzielle Tätergruppen gewarnt wurden. Das Konzept schien aufzugehen. Nach einem feurigen Frühling, der seinen Höhepunkt in der Nacht zum 2. Mai erreichte, als 18 Autos völlig oder teilweise durch Feuer zerstört wurden, folgte ein deutlich ruhigerer Sommer. Die Zahl der Autobrände ging von Juni an drastisch zurück. „Die Taten in den ersten Monaten des Jahres waren schwerpunktmäßig in zwei Bereichen Hamburgs verübt worden. Dadurch konnte man sehr gezielt Verdächtige ansprechen und ihnen vermitteln, dass man sie unter Beobachtung hat“, so ein Beamter. Offenbar hatte man damals die Richtigen angesprochen.

Mittlerweile ist der Effekt jedoch verpufft. Seit Mitte Oktober brennen Autos wieder regelmäßig lichterloh in Hamburg. Waren Anfang 2011 noch die Bereiche rund um Lurup und der Nordosten Hamburgs besonders betroffen, entwickelte sich der Bereich Altona in den vergangenen Monaten zu einem neuen „Brennpunkt“. „Man kann davon ausgehen, dass eine nicht unerhebliche Anzahl der Taten auf ‚anpolitisierte‘ Jugendliche geht, die sich der der linken Szene zugehörig fühlen“, so der Polizist.

Darüber, wie lässig diese Taten verübt werden, können sich Ordnungshüter aktuell im Intranet der Polizei Bilder einer Überwachungskamera ansehen. Sie zeigen einen dunkel gekleideten Jugendlichen, der von Auto zu Auto schlendert und plötzlich Feuer legt. Für eine Fahndung taugt das Material nicht. Auch dieser Täter dürfte, wie fast alle Autobrandstifter, ungeschoren davonkommen. „Man muss leider feststellen, dass man letztendlich nicht Herr der Lage geworden ist“, sagt Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft.

Dabei hatte die Polizei alle Register gezogen. Der Polizeihubschrauber mit seiner Wärmebildkamera schwebte als „fliegendes Auge“ über dem nächtlichen Hamburg. Das zeigte ebenso wenig Wirkung wie die hohe Belohnung von 20 000 Euro, die für die Ergreifung von Autobrandstiftern ausgesetzt wurde. Lenders: „Man kann nur auf die Justiz hoffen, die bei der Verurteilung von überführten Autobrandstiftern ein klares Signal setzt. Wir werden uns darauf einstellen müssen, dass dieses Phänomen noch die kommenden Jahre die Hamburger belasten wird.“ Dafür spricht auch die Statistik. Die Zahl der Autobrände, die lange Jahre um die 100 Fälle lag, schnellte 2009 auf 185 und 2010 auf sogar 297 hoch.

Was die Statistik verschweigt: Die Zahl der Geschädigten ist weitaus höher. So wurden 2011 bislang zwar 280 Autos angesteckt, de facto gibt es aber um die 350 geschädigte Fahrzeughalter. Die mehr als 70 Fahrzeuge, die als „Kollateralschäden“ durch Flammen und Hitze beschädigt wurden, sind in der Statistik nicht berücksichtigt.

Welt: Polizei: Kritik an später Fahndung

Veröffentlichung von Fotos erfolgte erst nach Monaten

Drei Monate war es her, dass in Neuwiedenthal ein 18-Jährige krankenhausreif geprügelt wurde. Der Täter wurde von Überwachungskameras gefilmt. Doch erst am Dienstag veröffentlichte die Polizei die Fotos. Mit verblüffendem Erfolg. Schon wenige Stunden später erschien ein 19-Jähriger im Polizeipräsidium mit seinen Eltern und stellte sich. Sein Vater hatte die Öffentlichkeitsfahndung im Internet gesehen und den Sohn erkannt. Der Erfolg ist kein Einzelfall. Am Tag zuvor stellte sich ein 22-Jähriger einen Tag nach der Veröffentlichung von Bildern, die ihn und seine Komplizen zeigen, nachdem sie im S-Bahnhof Berliner Tor einen Mann schwer verletzt hatten.

Diese Täter hätte man schon viel früher ermitteln können, meint Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). „Ich kann bis heute nicht verstehen, warum man sich mit der Öffentlichkeitsfahndung so schwer tut. Vor allem, wenn es bereits ein sehr klares Bild vom Tatgeschehen gibt und es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um den Täter handelt“, so Lenders. Bei den Fällen ginge es um schwere Straftaten, bei denen den Opfern erheblicher körperlicher Schaden zugefügt wurde. „Die vorangegangenen, erfolglosen Ermittlungen haben in großem Maße Personal gebunden, das man hätte anders einsetzen können“, sagt Lenders.

Die Polizei sieht keinen Handlungsspielraum. „Wir entscheiden nicht, ob ein Foto veröffentlicht wird“, sagt Hauptkommissar Andreas Schöpflin. Das ist Sache eines Richters. Den entsprechenden Antrag stellt die Staatsanwaltschaft. „Das Gesetz regelt das Vorgehen“, sagt Wilhelm Möllers, Sprecher der Staatsanwaltschaft. „Es müssen alle anderen Ermittlungsansätze erschöpft sein.“ Das dürfte Auslegungssache sein. Eine Öffentlichkeitsfahndung ist nach Paragraf 131b der Strafprozessordnung zulässig, wenn „die Feststellung der Identität eines unbekannten Täters auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre“.

Reiterstaffel der Polizei vor dem Aus vom 24.11.2011

SPD will Notwendigkeit des Prestigeprojektes überprüfen – Bürgerschaft debattiert den Haushalt der Innenbehörde

Selbst die CDU hält nicht mehr an der berittenen Polizei in Hamburg fest

FDP kann sich mit ihrem Antrag zur Evaluation in der Bürgerschaft durchsetzen

Berittene Polizei beim Einsatz in Hamburg – dieses Bild könnte schon bald wieder Vergangenheit sein. Die SPD hat in der Bürgerschaft einen Antrag der FDP beschlossen, nach dem Effektivität und Kosten der Staffel kritisch geprüft werden sollen. Erst im September 2010 waren die neun Pferde in den Polizeidienst übernommen worden. Laut dem Antrag soll nun „die politische Frage, ob Hamburg einer Reiterstaffel der Polizei bedarf, umfassend untersucht“ werden. Allerdings laufen im Moment die Verträge noch fort: Nicht nur die Ställe sind angemietet oder Verträge mit Tierärzten geschlossen worden, selbst für die Pferde laufen „Leasingverträge“. „Diese Staffel haben wir geerbt“, sagt SPD-Innenexperte Arno Münster, aber vor Herbst 2012 könne wegen der laufenden Verträge keine Entscheidung getroffen werden.

Die GAL ist da entschiedener: Sie hatte einen Antrag eingebracht, laut dem schon Ende Dezember Schluss mit der Reiterstaffel sein solle. Diese könne ihre polizeiliche Notwendigkeit nicht nachweisen, meint GAL-Innenexpertin Antje Möller. Die Staffel belaste den Haushalt aber nach Investitionskosten in Höhe von 400 000 Euro nunmehr mit laufenden Kosten von 700 000 Euro im Jahr. Dabei seien ihre Einsatzmöglichkeiten begrenzt. Zustimmung fand der GAL-Antrag dennoch nicht. Aber SPD-Fraktionschef Andreas Dressel hatte schon am ersten Tag der Haushaltsberatungen mit Blick auf die Reiterstaffel festgestellt, dass „reale Fortschritte bei der Kriminalitätsbekämpfung wichtiger sind als Showprojekte der Polizeiführung“.

Überraschend will auch die CDU, unter deren Senatsführung die Reiterstaffel erst wieder eingeführt worden war, diese jetzt kritisch prüfen. „Meine Zweifel sind ausgeprägt“, sagt der Innenexperte der Unionsfraktion, Kai Voet van Vormizeele. Mit acht Pferden sei diese Staffel zu klein, um sinnvoll eingesetzt zu werden. Man müsste sie also entweder ausbauen, wie etwa in München, wo bis zu 30 Pferde zur Staffel gehören. Dies wäre dann aber auch mit drei bis vier Mal so hohen Kosten verbunden. Oder man müsste sich „auf Dauer davon trennen“. Der Punkt Reiterstaffel wurde nach dem Willen der SPD aus dem Gesamtantrag der Liberalen herausgelöst, weil man zu den übrigen Teilen, in denen etwa die Überstunden bei der Polizei, die Feuerwehrausbildung oder das Polizeiorchester thematisiert wurden, keine Übereinstimmung habe, wie Münster erklärte. Die Innenbehörde betonte, dass die Staffel „ergebnisoffen“ geprüft werden solle.

Bei der Polizei ist die Reiterstaffel auf Akzeptanz gestoßen. In der Zukunft, so jetzige Planungen, sollen die Polizeireiter vermehrt bei Demonstrationen eingesetzt werden. Darüber hinaus bewährte sich die Reiterstaffel als Sympathietruppe der Polizei, so wie bei Hamburgs größtem Laternenumzug in Harburg, wo die Polizeipferde Eltern und Kinder entzückten. Für Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, ist die Diskussion um die Reiterstaffel ein „Stück aus Absurdistan“. „Die GAL, die die Reiterstaffel als Koalitionspartner in der alten Regierung mit eingeführt hat, stellt sie jetzt infrage. Die SPD muss wissen, dass die Reiterstaffel nicht so einfach abgeschafft werden kann.“ Dazu komme, dass die teure Ausbildung von Pferden und Reitern sowie Anschaffungskosten für Uniformen oder Sättel gerade erst durchgeführt wurden. „Solche kostspieligen Anschaffungen sollten kein politischer Spielball sein. Die Politik hat die Reiterstaffel unbedingt gewollt.“

Die Debatte am Mittwochabend drehte sich aber nicht nur um die Polizeistaffel, sondern um alle Aspekte des 925,4 Millionen Euro starken Haushalts der Innenbehörde. Innensenator Michael Neumann (SPD) zog eine positive Bilanz der vergangenen Regierungsmonate, kritisierte aber den vom Vorgängersenat aufgestellten Innenhaushalt, der keine echten Sparanstrengungen beinhaltete. Neumann widmete sich weiter den Gefahren des Rechtsextremismus und in puncto Aufklärung dem „Abgrund von Staatsversagen“.

Hier setzte auch die Kritik der GAL an, die große Versäumnisse bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus ausmachte: Das Landesprogramm sei bei Weitem finanziell nicht richtig ausgestattet. Hier müsse man mehr Mittel bereitstellen, statt es in „Prestigeprojekten zu verpulvern“, wozu die GAL neben der Reiterstaffel das Polizeiorchester zählt.

Die Welt: Zomia-Sympathisanten drohen der Stadt mit Gewalt

Neue Ausweichfläche für Bauwagen im Gespräch – Polizei rechnet mit Krawallen bei Demo am Wochenende

Vor einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts lässt Bezirkschef Schreiber den Platz nicht räumen

Der Konflikt um den Bauwagenplatz Zomia droht kurz vor dem Ablauf der Räumungsfrist zu eskalieren. Autonome Gruppen rufen im Internet für den Tag der Räumung zu schweren Gewalttaten auf. Für die Polizei ist es ein einmaliger Fall. Auf einer Karte haben die unbekannten Täter 44 potenzielle Anschlagsziele in Wilhelmsburg und auf der Veddel eingezeichnet. Polizei- und Feuerwehrwachen, Dienststellen des Zolls finden sich darunter ebenso wie die beiden S-Bahnhöfe und Einrichtungen an Gleisanlagen. Auch zahlreiche Firmen, Einrichtungen der Bauausstellung, der Internationalen Gartenschau sowie drei SPD-Büros, darunter die von Bürgerschaftsabgeordneten, finden sich in der Liste. Die Polizei hat ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Allein für die Veröffentlichung der Karte im Netz drohen den Verantwortlichen bis zu fünf Jahren Haft oder eine Geldstrafe.

Die Frist für die Bauwagenbewohner, die das Gelände am Ernst-August-Kanal im Dezember 2010 besetzt hatten, läuft eigentlich bereits an diesem Donnerstag ab. Der zuständige Bezirk Mitte hatte die dauerhafte Einrichtung eines Wagenplatzes an dieser Stelle abgelehnt. Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD) ist entschlossen, das Gelände räumen zu lassen, und hält daran auch ungeachtet der neuen Drohungen fest. Allerdings ist derzeit noch ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht anhängig. Die Räumungsanordnung ist sofort vollziehbar, dagegen hatte der Zomia-Anwalt geklagt.

Bis zu einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts wird Schreiber nicht räumen lassen. „Wir leben in einem Rechtsstaat und werden keine vollendeten Tatsachen schaffen“, sagte Bezirksamtssprecherin Sorina Weiland am Mittwoch. Gerechnet wird damit, dass die Richter Mitte November entscheiden könnten.

Die Stadtentwicklungsbehörde spricht mit den Bewohnern über alternative Plätze für die Bauwagen. Nach Informationen der „Welt“ ist eine Fläche in Altona im Gespräch. Die Verhandlungen darüber sollen schon sehr weit fortgeschritten sein. Bei einer Zustimmung der Bewohner wäre eventuell schon Ende der Woche ein Umzug möglich. Flächen in Niendorf und am Volksdorfer Grenzweg in Hoisbüttel hatte eine Zomia-Sprecherin als ungeeignet abgelehnt. Die Wilhelmsburger Fläche, auf der die Bewohner für eine Überwinterung geduldet wurden, ist als Vorhaltefläche für einen Autobahnausbau verplant.

Schon vor der möglichen Räumung rufen Sympathisanten der Zomia-Bewohner zu einer Demonstration auf. Am Sonnabend wollen sie sich nach dem Spiel des FC St. Pauli um 15 Uhr am Millerntorplatz versammeln. Ort und Termin sind absichtsvoll gewählt. Nach dem St.-Pauli-Spiel schließen sich meist auch ansonsten eher unpolitische Fußballfans Protestkundgebungen an. Zudem jährt sich morgen die Räumung des Wagenplatzes Bambule. Das hatte vor neun Jahren zu heftigen Krawallen geführt. „Für die Szene sind das genau die Anlässe, die sie für eine Mobilisierung braucht“, so ein Beamter. Der Anmelder geht von 1800 Teilnehmern aus. „Diese Zahl ist durchaus realistisch. Es könnten sogar ein paar mehr sein“, so ein Beamter. Bei den Sicherheitsbehörden geht man davon aus, dass kaum bürgerliche Klientel unter den Teilnehmern sein wird. Die Polizei rechnet mit Krawall. Sechs Hundertschaften allein aus anderen Bundesländern sind angefordert. Im Internet geben sich die Bauwagenbewohner martialisch: „Wir werden es nicht akzeptieren, dass es in der Stadt keinen Platz für uns geben soll“, heißt es da. Wenn nichts Unvorhergesehenes geschehe, könne der Zomia-Bauwagenplatz Ende November Geschichte sein, wird Bezirkschef Schreiber zitiert. „Na dann!“, so die Replik. „Lassen wir das Unvorhergesehene geschehen.“

„Der Versuch, die Stadt unter Druck zu setzen und zu erpressen, darf auf keinen Fall Wirkung zeigen“, sagt Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. „Hier muss ganz klar Kante gezeigt werden.“ Laut Polizeisprecher Mirko Streiber nehmen die Sicherheitsbehörden die Karte und einen dazu in Umlauf gebrachten Flyer ernst, auf dem angekündigt wird, dass bei einer Räumung des Bauwagenplatzes „die Luft brennen wird“ und man „mit allen Mitteln“ die Polizei bekämpfen werde. Von einer neuen Stufe der Eskalation will er nichts wissen. „So eine Karte ist in der Form zwar noch nicht dagewesen“, sagt er. „Sie wird aber in der Szene sehr kontrovers diskutiert. Viele Meinungen spiegeln wider, dass man es nicht für den richtigen Weg hält.“

Die Welt: Weitere Schwächen beim neuen Digitalfunk

Zubehör der Digitalgeräte hat Fehler

Nach Bekanntwerden der Probleme beim Digitalfunk (die „Welt“ berichtete am Sonnabend exklusiv) haben Polizisten von weiteren Schwächen des Systems berichtet. So beklagen Zivilfahnder die Qualität des Zubehörs. Die rund 500 ausgegebenen „Dreikabelsets“, die den Beamten ein verdecktes Tragen der Geräte ermöglichen, seien nicht alltagstauglich. „Es wird zu schnell der Notruf ausgelöst“, so ein Beamter. „Das passiert in der Praxis immer wieder ungewollt.“ Von einem Kabelset, dessen Preis um die 250 Euro pro Stück liegt, sei mehr zu erwarten.

Die Bereitschaftspolizei und andere geschlossene Einheiten haben ganz andere Probleme. Die neuen Geräte sind zu klein für die Taschen der Einsatzanzüge. Diese sind nämlich noch nach den Maßen der alten, analogen Funkgeräte geschneidert. Ein weiteres Problem: Ist die Tastensperre bei den Geräten aktiviert, lässt sich die Lautstärke nicht regeln. Vor allem beim Tragen des Schutzhelms sei das ein Problem.

Wie berichtet, waren im Sommer zahlreiche Geräte ausgefallen, wenn sie von der Sonne beschienen wurden. Die Mischung aus Sonneneinstrahlung und Hitze führte zum Totalausfall. Peterwagenbesatzungen konnten teilweise nicht funken. Außerdem kommt es bis heute immer wieder zu Phantomrufen. Geräte schalten sich aus unerklärlichen Gründen selbst auf Sendung und blockieren auf diese Weise die gesamte Rufgruppe.

Die Polizei spricht von Einzelfällen. „Das mag sein. Aber genau die Schwächen gilt es, jetzt abzustellen, bevor man das Projekt Digitalfunk weiter ausbaut“, sagt Joachim Lenders, Landesvorsitzender.