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Die Welt: Gravierende Pannen beim neuen Digitalfunk der Polizei

Gravierende Pannen beim neuen Digitalfunk der Polizei

Sonnenschein macht Geräte unbrauchbar – Mysteriöse Phantomrufe blockieren FrequenzenFällt ein Gerät aus, funktioniert auch der Notknopf zum Herbeirufen von Hilfe nicht Das neue Funksystem hat die Hansestadt bereits 53 Millionen Euro gekostet

Bislang gilt der 53 Millionen Euro teure Digitalfunk als Vorzeigeprojekt der Hamburger Innenbehörde. Das könnte sich jedoch bald ändern. Denn nach Informationen der „Welt“ weist das seit 2004 geplante, aber bis heute nicht hamburgweit eingeführte neue System gravierende Schwächen auf. Die Bedienelemente der Funkgeräte der Polizei leiden unter einer Art Sonnenbrand. Sobald die Sonne stärker scheint, kann es vorkommen, dass das Display am Hörer des Funkgerätes ausfällt. Das Funkgerät selbst funktioniert zwar weiter. Doch die Beamten können es nicht mehr bedienen. „Funken ist dann unmöglich, selbst der Notrufknopf, der benutzt wird, wenn es zu einer kritischen Situation kommt und dringend Verstärkung gebraucht wird, löst in diesem Fall nicht mehr aus, weil er Teil des Bedienhörers ist“, erläutert ein Beamter.

Das zweite Problem ist kaum weniger gravierend. Es werden immer wieder Phantomrufe ausgelöst. Digitalfunkgeräte der Polizei schalten sich wie von Geisterhand ein und gehen auf Sendung. Die Folge: Sie blockieren die Funkrufgruppe. Auch in diesem Fall können Peterwagenbesatzungen nicht mehr funken. Allerdings funktioniert bei dieser Blockierung zumindest der Notrufknopf. „Es gab Fälle, in denen das Gerät eines abgestellten Funkstreifenwagens eine ganze Nacht lang auf Sendung war und damit den Funkverkehr störte“, so der Beamte. „Es ist erst einmal schwierig, den Verursacher zu finden. Dann muss jemand hinfahren und das Gerät abstellen.“

Günter Krebs, Projektleiter Digitalfunk, bestätigt beide Probleme. „Ja es gibt sie“, sagt er. „Beides sind Probleme, die beseitigt werden müssen.“ Daran arbeiteten die Polizei und der Hersteller mit Hochdruck. Bislang allerdings vergebens. Beim „Sonnenbrandproblem“ ist man der Ursache auf der Spur. Es hat bereits vielfältige Versuche gegeben. Unter anderem wurden Funkgeräte in einen Backofen gesteckt. Das Ergebnis: Das Gerät schmilzt, funktioniert aber noch. „Es ist offensichtlich eine Mischung aus Sonne und Wärme, die den Ausfall verursacht“, so Krebs. Je heller und wärmer es werde, desto eher trete der Fehler auf. „Wir hatten Glück, dass dieser Sommer nicht besonders sonnig war. Trotzdem kam es etwa 50 Mal zu derartigen Ausfällen“, so der Insider. „Das Fatale ist, dass man erst den Ausfall des Bedienteils bemerkt, wenn man funken will. Dann kann es im Ernstfall zu spät sein.“

Noch komplexer ist laut Krebs das Problem der Phantomrufe, das bundesweit existiert. Netzbetreiber und die zuständige Bundesanstalt suchen den Fehler. Bislang ebenfalls erfolglos. „Das Gerät springt von sich aus an und schaltet sich nach zwei Minuten wieder ab“, sagt Krebs. „Manchmal schaltet es sich nach dem Abschalten sofort wieder an.“ Krebs beteuert, dass es sich um Einzelfälle handle. „Sie sind nervig, aber angesichts der Vorteile vertretbar.“ Die Funkabdeckung habe sich wesentlich verbessert. „Deswegen werden wir die Nachteile zunächst hinnehmen, aber vom Hersteller eine Lösung einfordern“, so Krebs. Vorwürfen, dass die Geräte auch billig eingekaufte, nicht optimale Bauteile enthielten, widerspricht er.

Anders sieht das Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. „Jetzt zeigt sich, dass wir den hochwertigsten und nicht den ökonomischsten Anbieter gebraucht hätten“, sagt er. „Hier geht es um einen der Kernbereich für die Sicherheit der Kollegen. Da darf null Risiko hingenommen werden.“ Komme keine schnelle Lösung, müsse man den Digitalfunk „abschalten“.

 

Die Welt: Jetzt wird’s bierernst in der Bahn

Wer beim HVV Alkohol trinkt, zahlt bald Buße – Angst vor „Last Order“-Besäufnis am Freitag

Vom 1. Oktober an droht Alkoholkonsumenten beim HVV ein Bußgeld von 40 Euro

In London gab es vor Start des Alkoholverbots 2008 ein Massenbesäufnis in der U-Bahn

Alkoholverbot in Bus, S- und U-Bahn – bislang war das kein ganz so ernstes Thema in Hamburg. Denn statt Bußgeldern gab es bisher nur den erhobenen Zeigefinger und mahnende Worte der Kontrolleure für Bierflaschenträger. Damit ist vom Sonnabend an Schluss. Vom 1. Oktober an sollen Verstöße gegen das seit 1. September geltende Alkoholverbot auch Bußgeld kosten. Vorher wollen vor allem jüngere Leute es noch einmal ordentlich krachen lassen.

„HVV Abschiedstrinken“ heißt die inoffizielle Veranstaltung, zu der bereits seit Monaten auch über Facebook mobilisiert wird. Allein über das soziale Netzwerk hatten mehr als 20 000 Menschen ihre Teilnahme am Abschiedsbesäufnis in Bussen und Bahnen angekündigt. Die Seite ist mittlerweile gelöscht worden. Die Idee aber ist damit noch lange nicht tot. Großes Interesse an derlei Aktionen hatte sich bereits im Jahr 2008 in London gezeigt. Feierwütige hatten damals die Waggons in Bars verwandelt. Motto; „last order“, also: letzte Runde.

Ob auch in Hamburg Tausende betrunkene Jugendliche in der Nacht zum Sonnabend die öffentlichen Verkehrsmittel unsicher machen, ist unklar. Die Planungen sind diffus. Mal war die U3, dann die S1 als „Party-Strecke“ auserkoren. Mittlerweile ist sich niemand mehr sicher, wann, wo, und wie viele beim angesagten „Abschiedstrinken“ dabei sind.

Beim HVV stuft man die Situation für den Abend als besonders, aber nicht als vollkommen ungewöhnlich ein. „Das ist ein Standard, wie er jedes Jahr mehrfach vorkommt“, sagt Hochbahn-Sprecher Christoph Kreienbaum. Für Angetrunkene seien die öffentlichen Verkehrsmittel stets die Transportmittel der Wahl. Denn selbst angetrunken auf dem Fahrrad unterwegs zu sein, könne den Führerschein kosten. „Wir gehen davon aus, dass es abläuft wie beim Public Viewing bei der Weltmeisterschaft“, so Kreienbaum. „Es ist ja nicht so, dass es um Aggression geht. Die Leute wollen ganz überwiegend einfach Party machen.“ Wenn es aber zu Vandalismus komme oder andere Fahrgäste bedrängt würden, wolle man einschreiten.

Bei der Polizei gibt man sich entsprechend gelassen. „Das ist eine Angelegenheit des Hausrechts und damit Sache der Verkehrsbetriebe“, heißt es aus den Reihen der Hamburger Ordnungshüter. Die Bundespolizei, zuständig für den Bereich S-Bahn im HVV, stößt in dasselbe Horn. „Wir sind natürlich in engem Kontakt mit den Nahverkehrsbetrieben“, sagt Bundespolizeisprecher-Sprecher Rüdiger Carstens. Das ist natürlich nur die „halbe Wahrheit“. Weitaus mehr Beamte als üblich werden in der Nacht von Freitag auf Sonnabend im Einsatz sein, um schnell eingreifen zu können. Die Hochbahn wird mit 100 Mann in Bussen und Bahnen präsent sein. Die Bundespolizei holt eine komplette Hundertschaft nach Hamburg. Die Landespolizei wird sogar rund 250 Bereitschaftspolizisten und Angehörigen der Einsatzzüge sowie rund 50 Beamten aus Einheiten wie Jugendschutz ab Freitagabend 19 Uhr bereitstellen. Dabei werden die Einsatzkräfte sogenannten „Raumschutz“ praktizieren. Sie halten sich von den Bussen und Bahnen fern und rücken nur auf Anforderung an. Das ist ein Zeichen, dass sehr wohl schon in der Nacht Kontrollen durchgeführt werden. Kitzelig wird es, wenn bei Verstößen gegen das Alkoholverbot die Angabe der Personalien verweigert wird. Dann ist Polizei gefragt, die dafür im Rahmen des Raumschutzkonzeptes flächendeckend zur Verfügung steht. Immerhin geht es um 40 Euro, die für das Trinken von Bier, Schnaps, Prosecco oder anderen alkoholhaltigen Getränken in öffentlichen Verkehrsmitteln vom Sonnabend an fällig werden. Theoretisch ist sogar der Verzehr von Mon Chéri verboten. Denn in der Praline sind 0,66 Gramm Branntwein enthalten.

Weitaus mehr als das Abschlusstrinken am Wochenende beschäftigt die Polizeigewerkschaften das, was danach kommt. „Es ist eine neue Aufgabe, für die die Polizei zwar erst in zweiter Linie zuständig ist“, sagt Freddi Lohse von der Deutschen Polizeigewerkschaft. „Es ist aber absehbar, dass wir regelmäßig gerufen werden. Das ist wieder eine neue Aufgabe für die Hamburger Polizei.“

Die Welt: Zoff am Zaun

Wiederholte Proteste gegen Obdachlosen-Absperrung unter einer Brücke auf St. Pauli

Ausschreitungen nach Spiel des FC St. Pauli, weitere Demonstrationen am Sonnabend und Sonntag

Polizei geht von weiteren Aktionen dieser Art aus. GAL fordert den Senat auf, gegen den Zaun einzuschreiten

Die Linke Szene hat ihr neues Thema. Der mehr als 18 000 Euro teure Zaun, den Bezirksamtsleiter Markus Schreiber unter der Kersten-Miles-Brücke aufstellen ließ, mobilisiert offenbar mehr Protest als erwartet. Am Sonnabend und Sonntag kam es zu kleineren Protestkundgebungen. Die Polizei geht davon aus, dass auch in den kommenden Wochen zu dem Thema zahlreiche Aktionen und Demonstrationen stattfinden werden. Bereits am Freitag war dort eine größere Massenkundgebung abgehalten worden. Dabei war, wie schon in der Vergangenheit, im Zusammenhang mit Demonstrationen gegen die Räumung des Bauwagenplatzes Bambule gezielt nach Heimspielen des FC St. Pauli mobilisiert worden.

Rund 150 Menschen kamen am Sonnabend zu dem silbrig glänzenden Metallgitterzaun, der das Areal unterhalb der Brücke absperrt, das von Obdachlosen als Schlafplatz genutzt wurde. Die Demonstranten legten Blumen und Kränze nieder. Rote Friedhofslichter wurden aufgestellt. „Am 19.11.2011 verstarb hier die Hamburger Nächstenliebe“, stand auf einem Spruchband zu lesen. „Der Protest blieb friedlich. Es kam zu keinen Zwischenfällen“, sagt Hauptkommissar Andreas Schöpflin. Auch am Sonntag war dort Protest angesagt. Der Landesverband der Partei Die Linke hatte sich bei einer Kunstaktion eingeklinkt. Rund 50 Teilnehmer wurden erwartet.

Am Freitag gestaltete sich die Situation für die Polizei schwieriger. Rund 1200 Menschen demonstrierten gegen den Zaun, viele schlossen sich spontan dem Protestzug an. Dabei kam es zu Rangeleien. Die Polizei, die mit einem Großaufgebot von 950 Beamten im Einsatz war, setzte Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Einsatzkräfte nahmen vier Demonstranten fest.

Überrascht war die Einsatzführung von der Teilnehmerzahl. Es waren mehr Demonstranten, als die Polizei im Vorfeld erwartet hatte. In einer Lageeinschätzung des Staatsschutzes war von 500 bis 1000 Personen die Rede gewesen, die sich aus den St. Pauli Ultras, Linksautonomen und dem besonders aktiven Teil des Bündnisses Recht auf Stadt zusammensetzen. Ein darüber hinaus gehende Teilnehmerzahl, so die Einschätzung, wäre „einer nicht erwarteten Resonanz aus dem gemäßigten bürgerlichen Spektrum geschuldet“.

„Das Thema ist geeignet, ein bürgerliches Spektrum zu mobilisieren. Gleichzeitig wird auch das Thema Gentrifizierung berührt, das ebenfalls bürgerliches Protestpotenzial anspricht“, sagt ein Beamter. „Schon deshalb wird man es nicht fallen lassen.“ Das sieht Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, auch so. „Die Szene hat wieder Aufwind. Die gewalttätigen Aktionen gegen die Riverkasematten und ein Café in der Mitte vergangener Woche und die Demonstration am Freitag werden dort sicherlich als großer Erfolg gewertet. Während die Ausschreitungen in der Nacht zum Donnerstag, die ja im Zusammenhang mit einer Räumung in Spanien stand, eher eine einmalige Sache war, ist der Zaun ein thematisches Angebot, das die linke Szene nutzen wird.“ Antje Möller, Innenpolitische Sprecherin der GAL-Fraktion, kann den hohen Mobilisierungsgrad nachvollziehen. „Ich kann den Protest verstehen. Der Zaun ist nach meinem Verständnis rechtlich höchst fragwürdig und menschenverachtend. Es ist ein Unding, so öffentlichen Raum abzusperren.“ Die Maßnahme sei ein Symbol für die gezielte Vertreibung von den Teilen der Bevölkerung, die man nicht haben will. „Ich kann verstehen, dass das viele Menschen aufregt“, sagt die Politikerin. Der Senat müsse jetzt reagieren. Karl Jarchow, innenpolitischer Sprecher der FDP, nannte den Zaunbau „eine martialische, ausgrenzende Maßnahme„.

DIE WELT: CDU nimmt Polizei in Schutz

Beamte stünden unter Druck und jammerten nicht

Hamburgs Polizisten klagten zu viel über tatsächliche und vermeintliche Belastungen, obwohl Gewalt gegen Beamte in den vergangenen Jahren abgenommen habe: Mit dieser These begann am Dienstag Rafael Behr, Professor an der Hochschule der Polizei, im „Hamburger Abendblatt“ eine Diskussion über das Selbstverständnis der Polizei. Viele Beamte „jammern“ in der Wahrnehmung des Professors, obwohl nicht die Gewalt gegen Polizeibeamte stark zugenommen, sondern sich lediglich die subjektive Wahrnehmung von Gewalt verstärkt habe. Zudem müssten die Beamten als Vertreter des Gewaltmonopols damit rechnen, beschädigt zu werde.

Die CDU-Fraktion dagegen nimmt die Polizisten gegen die Anwürfe Behrs in Schutz. Gewalt gegen Polizeibeamte sei in keiner Situation tolerierbar. „Jeder Beamte kann erwarten, dass man ihm und seiner Arbeit respektvoll begegnet. Es befremdet mich außerordentlich, dass Gewalt und Respektlosigkeit gegenüber unseren Polizeibeamten als etwas dargestellt werden, das hingenommen werden muss“, sagte der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Kai Voet van Vormizeele. „Den Hinweis auf Missstände in diesem Bereich als ‚Realitätsflucht‘ abzutun, ist unangemessen. Der Senat ist gefordert, der Fürsorgepflicht für seine Beamten aktiv nachzukommen“, so Voet van Vormizeele.

„Dass sich die Polizei als Opfer darstellt, ist unprofessionell“, sagte dagegen der 53-jährige Wissenschaftler. Die Gesellschaft wolle von der Polizei beschützt werden. „Wenn sich die Beschützer jedoch als Opfer, als Spielmaterial für Randalierer definieren, entstehen Irritationen in der Bevölkerung.“ Dieses Rollenverständnis hält Behr für fatal. „Die Polizei ist schließlich kein passives Opfer, sondern muss aktiv werden, wenn sie sich ohnmächtig fühlt.“

Behrs Argumente riefen auch Widerspruch bei der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) auf den Plan. Sie fordert die Ablösung des Polizei-Dozenten. Die Aussagen Behrs seien „ehrverletzende, diffamierende und verleumderische Attacken auf Hamburger Polizistinnen und Polizisten“, heißt es in einer Stellungnahme. DPolG-Chef Joachim Lenders fordert Schritte gegen Behr. „Ich halte die Einleitung dienstrechtlicher Maßnahmen, bis hin zur Ablösung, für zwingend erforderlich“, sagte Lenders.

Behr habe mit seinen Äußerungen das Recht von Polizisten auf körperliche Unversehrtheit infrage gestellt, sagte Gewerkschafts-Chef Lenders am Mittwoch. „Wir sind als Polizisten und Gewerkschafter einiges gewohnt, Attacken aus den eigenen Reihen gehören eher nicht dazu“, so Lenders.

Die Welt: Ausschreitungen nach dem Straßenfest


Zuerst wurde friedlich gefeiert, dann kam es zu den traditionellen Krawallen. Doch Polizei und Politik schauen fast zufrieden auf die Ausschreitungen.

Wasserwerfereinsatz, Brandstiftungen, 31 Festnahmen, fünf leicht verletzte Polizisten, tonnenweise Müll – und doch macht sich am Tag nach den Schanzenkrawallen so etwas wie Zufriedenheit breit. Schließlich blieben – nachdem bis zu 10.000 Menschen am Nachmittag friedlich gefeiert und auf dem Flohmarkt gefeilscht hatten – die Ausschreitungen am Abend im Vergleich zu den Vorjahren gering. Innensenator Michael Neumann (SPD) lobte die „hervorragende Einsatztaktik“ der Polizei.

Der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Uwe Kossel, sprach den Anwohnern seine „Hochachtung“ aus, weil sie versucht hatten, Brandstiftungen und Randale zu verhindern. Zunächst sah es so aus, als würde das Fest nicht in einer Straßenschlacht enden. Aber gegen 22.30 Uhr brannten doch die ersten Feuer vor der Roten Flora. „Anwohner sind immer wieder hingegangen und haben auch selbst gelöscht“, sagt Streiber.

Die Polizei, die die Nachwirkungen des Straßenfestes mit 2100 Beamten „begleitete“, hielt sich zurück. Als die Flammen drei Meter hoch schlugen und die ersten Krawallmacher mit einem als Rammbock benutzten Pfeiler die mit schweren Rollläden verrammelte Haspa an der Ecke Juliusstraße stürmen wollten, war mit der Zurückhaltung Schluss.

Mit Wasserwerfern und Schlagstöcken sorgten die Einsatzkräfte für eine „Zerstreuung“ der Szene. Es folgten Scharmützel in der benachbarten Susannenstraße. „Wir haben angemessen und konsequent reagiert“, sagt Streiber. Ein 21-Jähriger, der an der Haspa randalierte und später Einsatzkräfte mit Flaschen bewarf, kam vor den Haftrichter. Schwerer Landfriedensbruch lautet der Vorwurf.

„Unser Konzept ist aufgegangen“, sagt Streiber. „Ein Teil des Erfolges ist auch auf das Verhalten der Anwohner zurückzuführen, die versucht haben, auf Chaoten einzuwirken.“ Auch die Einrichtung des Gefahrengebietes, Gefährderansprachen und Aufenthaltsverbote hätten sich bewährt.

„Ich möchte den Bewohnern des Schanzenviertels auch meine Hochachtung aussprechen und einen ganz scharfen Trennungsstrich zwischen diesen und den Randalierern ziehen“, sagt Hamburgs GdP-Chef Kossel. „Das wäre nicht fair, alle in einen Topf zu werfen.“

Innensenator Neumann ist nicht ganz so glücklich. Er habe kein Verständnis dafür, dass es im Anschluss an ein friedliches Stadtteilfest auch in diesem Jahr wieder zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen sei. Sachbeschädigungen, Brandlegungen und Steinwürfe auf Polizisten durch eine Minderheit von Krawallmachern seien durch nichts zu rechtfertigen.

Nicht glücklich ist auch der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Joachim Lenders. „Es ist ja schon bezeichnend, dass man froh ist, wenn nach dem Schanzenfest Krawalle so ablaufen wie sie abgelaufen sind“, sagt er. Letztendlich sei der Tag aber eben nicht friedlich verlaufen.

Die Welt: Der Schanze drohen neue Krawalle

Für den Sonnabend stellt sich die Polizei nach einem Flohmarkt auf Gewalttaten ein

Sieben Hundertschaften kommen aus anderen Bundesländern zum Schanzenfest nach Hamburg

Polizei kündigt Einrichtung eines Gefahrengebiets an. Die Pferdestaffel kommt aber nicht

Petrus ist in diesem Jahr für die Polizei kein guter Verbündeter. Nach einem verregneten Sommer ist es laut Vorhersage ausgerechnet am kommenden Wochenende warm und trocken – und dann ist auch das Schanzenfest, jene Veranstaltung also, die niemand anmeldet und nach der es in den vergangenen Jahren regelmäßig Krawall gab. Gutes Wetter heißt viele Besucher in der Schanze, und auch der Abend könnte damit heiß werden. Die Polizei bereitet sich entsprechend vor. Neben der gesamten Bereitschaftspolizei, den Alarmhundertschaften und vielen Zusatzkräften werden auch sieben Hundertschaften aus anderen Bundesländern und von der Bundespolizei eingesetzt. Streit gibt es um die Reiterstaffel. Während Polizeigewerkschafter den Einsatz fordern, lehnt die Polizeiführung das ab.

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Die Welt: Nur jeder sechste Gewalttäter muss in Haft

Die meisten kommen mit Bewährung davon – Gesamtzahl der Verurteilungen geht deutlich zurück

Fast alle 18- bis 20-Jährigen wurden nach dem milderen Jugendstrafrecht verurteilt

Klarer Rückgang der Jugendgewalt wird auch von der Polizeistatistik bestätigt

Der Anteil der Jugendlichen und Heranwachsenden an der Gruppe der verurteilten Gewalttäter ist im vergangenen Jahr in Hamburg erheblich zurückgegangen. Das geht aus den Erhebungen des Statistikamtes Nord hervor. Danach waren im Jahr 2010 genau 43 Prozent der Verurteilten zwischen 14 und 20 Jahre alt. Im Vorjahr waren es noch 51 Prozent gewesen. Die Entwicklung korrespondiert mit der Kriminalstatistik der Polizei, die auf 2010 einen Rückgang der jugendlichen Tatverdächtigen um 5,9 Prozent ausweist.

Auch insgesamt ist die Zahl der verurteilten Gewalttäter in Hamburg von 2009 auf 2010 zurückgegangen – um sechs Prozent auf jetzt 1281 Verurteilungen. Von den schuldig Gesprochenen erhielten lediglich 16 Prozent eine Freiheits- oder Jugendstrafe. Für mehr als die Hälfte der Angeklagten war es nicht die erste Konfrontation mit der Justiz. Sie waren bereits vorbestraft. 30 Prozent der Angeklagten hatten keine deutsche Staatsbürgerschaft.

Nicht einmal jeder sechste verurteilte Täter, der 2010 in Hamburg wegen Gewaltdelikten verurteilt wurde, musste deswegen eine Haftstrafe antreten. „Lediglich 16 Prozent der Angeklagten, 203 Personen, erhielten eine Freiheits- oder Jugendstrafe ohne Bewährung“, heißt es von einem Mitarbeiter des Statistikamtes. In 35 Prozent der Fälle wurde die Strafe zur Bewährung ausgesetzt. 403 Täter kamen so um eine Inhaftierung herum. In 16 Prozent der Fälle verhängten die Richter eine Geldstrafe. In 33 Prozent der Fälle setzte das Gericht auf eine „erzieherische Sanktion des Jugendstrafrechts“. Dahinter verbergen sich Maßnahmen wie Arbeitsleistungen oder die Teilnahme an einem sozialen Training. 2009 war noch in 41 Prozent der Fälle auf „erzieherische Sanktionen“ gesetzt worden.

Die Statistik offenbart auch: Wer in Hamburg als Heranwachsender wegen Gewalttaten vor Gericht steht, kann fast immer mit einer Verurteilung nach dem wesentlich milderen Jugendstrafrecht rechnen. In 97 Prozent der Verurteilungen von 18- bis 20-Jährigen war das der Fall. Diese Zahl ist im Vergleich zum Vorjahr konstant geblieben.

„Die Statistik zeigt angesichts der vielen Verurteilten mit Vorstrafe und der hohen Zahl von Heranwachsenden, die nach dem Jugendstrafrecht belangt werden, dass junge Gewalttäter damit rechnen können, milde Richter zu finden“, sagt der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Joachim Lenders. Das sei in ganz Deutschland, aber insbesondere in Hamburg so. Lenders: „Das fördert am Ende gerade bei jüngeren Leuten die Akzeptanz von Gewalt mit manchmal, wie sich in London zeigt, verheerenden Konsequenzen.“

Die Welt: Hamburg richtet Haftplatz ein, Sicherungsverwahrte nach Fuhlsbüttel

In der Frage der Sicherungsverwahrung von Straftätern liegt jetzt ein gemeinsamer Lösungsvorschlag für die sechs norddeutschen Bundesländer vor. Drei Länder wollen Plätze für Sicherungsverwahrte einrichten und Insassen aus weiteren drei Ländern aufnehmen – darunter auch Hamburg mit dem Standort im Gefängnis Fuhlsbüttel. Diese Entscheidung war schon vor einem Monat im Gespräch, damals hatte Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD) noch gesagt, dass weiterer Redebedarf bestehe. Einrichtungen sind außerdem in Niedersachsen und Brandenburg geplant, wie Mecklenburg-Vorpommerns Justizministerin Uta-Maria Kuder (CDU) sagte. Mecklenburg-Vorpommern könne seine Sicherungsverwahrten in jeder dieser drei Einrichtungen unterbringen. Auch Schleswig-Holstein und Bremen könnten Plätze belegen. Die Unterbringung der Sicherungsverwahrten werde nach bisherigen Schätzungen 400 bis 500 Euro pro Tag und Person kosten. Das sei unter anderem den umfangreichen, individuellen Therapieangeboten geschuldet, die nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gemacht werden müssen. Bis Mai 2013 muss die Sicherungsverwahrung neu organisiert sein.

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Die Welt: Blutprobe: Breite Front gegen Richtereinsatz

Spitzen von SPD und CDU wollen Richtervorbehalt kippen. Wie dringlich dies ist, belegt das Protokoll eines unfassbaren Falls

Langwieriges Hickhack zwischen Behörden: Blutprobe hält Polizei und Justiz viele Stunden lang in Atem

Im Streit über den Richtervorbehalt für Blutentnahmen bei angetrunkenen Autofahrern zeichnet sich in Hamburg eine breite Koalition ab. Spitzenpolitiker der SPD und auch der CDU machen sich für die Anordnung einer Blutprobe ohne Richtereinsatz stark. „Wir unterstützen die Bundesratsinitiative Niedersachsens“, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel. „Der Richtervorbehalt muss an dieser Stelle weg, er ist eine Förmelei, die keinen rechtsstaatlichen Gewinn hat, aber dazu führt, dass Alkoholsünder leichter davonkommen.“ CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich spricht von einer „unseligen Überbürokratisierung“. Die Zahl der Blutproben war von 2500 in 2009 auf nur noch knapp 1800 im vergangenen Jahr gesunken. „Die Politiker sind jetzt gefordert“, sagt Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. Früher hatte die Polizei mit der Begründung „Gefahr im Verzug“ Blutproben nehmen lassen. „Das ist höchstrichterlich gekippt worden. Für eine praktikable Umsetzung brauchen wir jetzt ein neues Gesetz.“

Ein unfassbarer Fall, der sich erst im Juli in St. Georg zutrug, belegt das Dilemma. Der Vorfall begann gegen 12.30 Uhr in der Bremer Reihe: Polizisten hatten dort ein Auto angehalten, das mit aufheulendem Motor durch die Tempo-30-Zone gefahren war. Am Steuer saß ein Rumäne.

Nachdem die Beamten von dem Mann sämtliche Papiere bekommen hatten, wurde laut Schilderung beteiligter Polizisten 15 Minuten nach Beginn der Verkehrskontrolle ein Atemalkoholtest durchgeführt. Der Wert betrug 1,09 Promille. Damit lag eine Ordnungswidrigkeit vor. Sprachprobleme konnten die Polizisten zunächst mithilfe der Frau des Autofahrers überbrücken, die dolmetschte. Freiwillig fuhr der Mann mit zur Wache Steindamm, um dort einen sogenannten Evidential-Test durchzuführen. Die dabei genutzten Geräte sind so genau, dass ihr Ergebnis bei Ordnungswidrigkeiten als Beweismittel vor Gericht reicht. Der Rumäne pustete aber ein leicht höheres Ergebnis. 1,16 Promille zeigte das Gerät an. Damit war aus der vermeintlichen Ordnungswidrigkeit eine Straftat geworden.

Was dann passierte, schilderten die Polizisten so: Der Mann bekommt eine schriftliche Belehrung auf Rumänisch für eine freiwillige Blutprobenentnahme. Er stimmt zu. Beim Lagedienst der Polizei wird die Nummer für den Bereitschafts-Staatsanwalt erfragt. Es geht um die Höhe der Sicherheitsleistung. Mehrfach wird dort angerufen, ohne dass jemand ans Telefon geht. Beim Lagedienst wird die Handynummer des Staatsanwalts erfragt. Der Staatsanwalt will den zuständigen Richter kontaktieren. Dabei kommt heraus: Die vorher gewählte Festnetznummer war falsch. Anruf vom Staatsanwalt: Er braucht die Personalien des betrunkenen Fahrers. Der Anfangsbuchstabe des Nachnamens regelt die Zuständigkeit. Ein Arzt erscheint an der Wache. Der betrunkene Fahrer will nun doch nicht eine freiwillige Blutprobe abgeben. Anruf vom Staatsanwalt: Der Richter möchte den Sachverhalt in Schriftform haben. Der Staatsanwalt erfährt, dass nun doch ein Beschluss zur Blutprobenentnahme nötig ist. Die Polizei bekommt Telefon- und Faxnummer des Richters.

Gespräch mit dem Richter: Gleichzeitig wird der Sachverhalt gefaxt. Der Richter will sich wieder melden. Die Faxnummer scheint falsch. Der Sachverhalt wurde an die Festnahmestelle der Staatsanwaltschaft gefaxt. Für die Klärung gibt es eine Rückrufnummer. Zehn Minuten geht dort niemand ans Telefon. Die Faxnummer war doch richtig. Die Sekretärin ist auch für den Richter zuständig. Das Fax liegt bereits beim Datenmüll. Der Richter bekommt dennoch das Fax. Der Richter will einen Dolmetscher, um dem betrunkenen Autofahrer rechtliches Gehör anzubieten.

Ein Dolmetscher ist frühestens in einer Stunde verfügbar. Jetzt wollen Richter und Staatsanwalt wissen, was ein Evidential-Gerät ist. Die Polizisten können nicht alle technischen Details beantworten. Bei einem erneuten Anruf will der Richter wissen, wo der Unterschied zwischen Promillewert und dem Wert Milligramm pro Liter Atemluft ist und ob die Polizisten den Umrechnungsfaktor selbst definiert hätten. Der Dolmetscher trifft ein. Der Richter wird angerufen. Die Polizisten sollen über das Gespräch zwischen Richter und Rumänen ein genaues Protokoll führen.

Die Polizisten scheitern aufgrund mangelnder Stenofähigkeiten. Richter und Staatsanwalt wollen sich beraten. Mit den Polizisten muss der Dolmetscher warten, der den Beschluss übersetzen soll. Der Dolmetscher verpasst weitere Termine. Die Entscheidung trifft per Fax nach knapp 25 Minuten ein. Die Blutprobenentnahme ist angeordnet. Die Sicherheitsleistung ist auf 900 Euro festgesetzt. Gut für den Alkoholsünder: Er muss für die Straftat weniger Geld hinterlegen, als für die Ordnungswidrigkeit fällig gewesen wäre. Er muss die Kosten für Arzt und Dolmetscher tragen. Um 17.30 Uhr können die Beamten den Vorgang abschließen.

Die Welt: Überstunden-Rekord bei der Polizei

880 000 Zusatzstunden nicht abgegolten. Experten befürchten Anstieg durch Großeinsätze

GAL kritisiert Konzept, 100 Beamte zusätzlich auf die Straße zu schicken, als unausgegoren

Die Zahl der Überstunden bei der Polizei hat den höchsten Stand seit fünf Jahren erreicht. Zurzeit belasten nach Informationen von „Welt Kompakt“ mehr als 881 000 Überstunden die Polizei. Allein aus diesem Jahr stammen 42 000 Stunden, die weder finanziell, noch durch Freizeitausgleich vergütet werden konnten. Angesichts der anstehenden Einsätze gehen Polizeiexperten davon aus, dass erstmals die Grenze von einer Million Überstunden bei den Ordnungshütern überschritten werden könnte. Der Grund sind die rapide gesunkenen finanziellen Mittel.

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