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Polizeichef: „Diesmal wird es schlimm!“

Wieder 19 Fahrzeuge in Brand gesetzt: Die Polizei rechnet beim Schanzenfest am Sonnabend mit schweren Krawallen. Die Organisatoren sagen: „Innenbehörde ist schuld an drohender Eskalation.“ 3000 Polizisten im Einsatz.

Es sind die krawalligen Vorboten des Schanzenfestes. Bereits die zweite Nacht in Folge haben unbekannte Täter etliche Autos angezündet. „Wir rechnen mit dem Schlimmsten. Es könnte zu den schwersten Krawallen kommen, die wir jemals beim Schanzenfest hatten“, sagt Joachim Lenders, Landes-Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG).

Insgesamt wurden in der Nacht zu Freitag 19 Fahrzeuge bei Brandanschlägen zerstört oder beschädigt, davon etliche Luxus-Schlitten (unter anderem Mercedes, Landrover und Audi). Die Tatorte: Borchlingweg (Othmarschen), Heinrich-Hertz-Straße (Barmbek), Gothaer Weg (Billstedt) und Kelloggstraße (Jenfeld). Zwar waren Dutzende Beamte im Einsatz, fassen konnten sie die Täter jedoch nicht. Die Ermittler (Tel. 428656789) suchen Zeugen.

Schon in der Nacht zu Donnerstag waren in Bramfeld acht Fahrzeuge in Flammen aufgegangen (MOPO berichtete). „Wir vermuten einen Zusammenhang mit dem Schanzenfest“, sagt Polizeisprecher Mirko Streiber. Die Beamten planen einen massiven Einsatz: Knapp 3000 Polizisten, unter anderem aus Berlin und Bayern, werden vor Ort sein. „Wir haben alles auf der Straße, was laufen kann. Dieser Einsatz wird Millionen kosten“, sagt Uwe Koßel, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP).

Unterdessen ließen die Mitglieder der „Schanzenfestvorbereitung“ am Freitag in einer Mitteilung verkünden, dass die Innenbehörde die Schuld an der Eskalation trage. Die Begründung: Im Vorfeld des Schanzenfestes hatten Polizisten Aufenthaltsverbote gegen bekannte Krawallmacher ausgesprochen (MOPO berichtete). Zudem wurde das Schanzenviertel von Sonnabend 18 Uhr bis Sonntag 8 Uhr zum Gefahrengebiet erklärt. Das bedeutet: Auch ohne, dass ein Tatverdacht vorliegt, können die Beamten Personen kontrollieren, durchsuchen und gegebenenfalls Platzverweise erteilen.

Außerdem steht in der Mitteilung, dass man versucht hätte, Privatwohnungen in der Schanze anzumieten, um „Stützpunkte mit Beamten einzurichten, die das Fest heimlich filmen und überwachen. Diese Aufnahmen sind illegal.“ Zu der Anmietung wollte sich die Polizei nicht äußern.

Die Mitglieder der „Schanzenfestvorbereitung“ riefen letztlich insbesondere „Menschen mit Aufenthaltsverboten“ dazu auf, am Fest teilzunehmen und sich nicht einschüchtern zu lassen.

Brandserie erreicht neuen Höhepunkt

Kurz vor dem Schanzenfest gehen 19 Autos in Flammen auf – Sicherheitsbehörden rechnen mit schwersten Krawallen

 Unmittelbar vor dem Schanzenfest, das heute Nachmittag ab 14 Uhr stattfindet, sind in Hamburg in einer Nacht 19 Autos bei Brandanschlägen beschädigt oder zerstört worden, so viele wie nie zuvor. In vier verschiedenen Stadtteilen geschahen die Taten, dabei kam es in Othmarschen zum schwersten Anschlag: Am Borchlingweg gingen sechs Autos in Flammen auf, zwei weitere wurden beschädigt.

Jetzt ermittelt der Staatsschutz gegen die Brandstifter. Die Anschläge haben auch zu einer verschärften Lageeinschätzung geführt. Dabei ist das gesamte Schanzenviertel schon von heute Abend, 18 Uhr, bis Sonntagmorgen um acht Uhr ein „Gefahrengebiet“. Hier darf die Polizei ohne dringenden Tatverdacht Personen überprüfen. Rund 2800 Polizisten werden voraussichtlich am Wochenende in Hamburg auf der Straße sein: Dazu zählt die komplette Bereitschaftspolizei mit rund 900 Beamten, etwa 700 Beamte der Alarmabteilung sowie rund 1200 zusätzlich angeforderte Polizisten. Diese kommen aus Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Bayern, Berlin und von der Bundespolizei. Die Einsatztaktik und die genaue Anzahl an Beamten will die Polizei offiziell nicht preisgeben.

Doch auch in der Nacht zum Sonntag werden noch einmal 100 Beamte in ganz Hamburg gegen Autobrandstifter eingesetzt, weil befürchtet wird, dass auch weiter vom Viertel entfernt Brände gelegt werden. Außerdem befürchten Experten des Staatsschutzes, dass eine größere Zahl von Krawalltouristen von außerhalb nach Hamburg kommt: Angehörige der linksautonomen Szene aus Berlin, die zu einer Demonstration gegen einen Neonaziaufmarsch in Düsseldorf gefahren sind, planen offenbar, auf dem Rückweg in Hamburg einen „Zwischenstopp“ einzulegen. „Wir rechnen mit zusätzlich 50 bis 100 gewaltbereiten Personen“, so ein Beamter. Allein für die Bewachung der Wache 16 im Schanzenviertel wird eine halbe Hundertschaft Polizisten abgestellt.

Die meisten Experten gehen davon aus, dass es auch nach diesem Schanzenfest zu den mittlerweile ritualartigen Krawallen kommt. Polizeisprecher Mirko Streiber formuliert es vorsichtig. „Wir müssen davon ausgehen, dass ein gewaltorientiertes Publikum angezogen wird. Das zeigen die Erfahrungen.“ Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, befürchtet schwere Krawalle. „Wenn man von den Vorboten, den Brandstiftungen an den Fahrzeugen und den Krawallaufrufen, ausgeht, wird es diesmal besonders heftig.“

Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) kündigt ein entschlossenes Eingreifen an, wenn es zu Straftaten kommen sollte. „Wir sind uns mit dem Bezirksamt einig, das Konzept der qualifizierten Duldung auch diesmal anzuwenden.“ So werde man schon beim friedlichen Teil des Festes genau hinschauen, etwa, um die technischen Voraussetzungen zu erfüllen – etwa beim Aufbau der Bühne und bei den Fluchtwegen. „Es ist die klare Vereinbarung mit dem Bezirk, dass er sich darum kümmert.“ Woran sich der Protest beim Schanzenfest entzünden soll, wisse er nicht, aber „Krawallmacher“ gingen auch selten nach logischen Mustern vor.

Alle Polizeireviere auf neuestem Stand – aber jetzt muss gespart werden

Innensenator Vahldieck beim Richtfest am Wiesendamm – CDU-interne Debatte über Streichlisten bei der Inneren Sicherheit

 

Die Sicherheit und der Service für die Bürger in Winterhude und Alsterdorf wird durch das neue Polizeirevier am Wiesendamm entscheidend verbessert, wie Hamburgs Innensenator Heino Vahldieck (CDU) beim Richtfest für das neue Revier am Mittwoch feststellte. „Das Raumangebot wird künftig eine gemeinsame Unterbringung von Schutz- und Kriminalpolizei in einem Dienstgebäude ermöglichen, bei der keine Raumnot mehr bestehen wird.“ In gut drei Monaten sollen die 117 Mitarbeiter des Kommissariats in das neue Gebäude einziehen können.

 

„Die Hamburger Polizei wird nach Fertigstellung dieses Gebäudes durchgehend über moderne, funktionale Polizeikommissariate verfügen – so wie es sich für eine Großstadtpolizei gehört“, fügte Vahldieck hinzu, da mit dem Wiesendamm auch das Modernisierungsprogramm der Reviere der Hamburger Polizei unter dem Stichwort „Projekt Polizeikommissariate der Zentraldirektion“ abgeschlossen sein wird.

 

Doch ungeachtet des Richtfestes für das neue Kommissariat hängt weiter die Befürchtung, dass es zu neuen Sparmaßnahmen bei der Hamburger Polizei kommen werde. Vahldieck selbst hatte erst in dieser Woche Sparmaßnahmen „bei der Polizei auf der Straße“ ausgeschlossen. Aber die SPD hatte davor gewarnt, dass es zu Zusammenlegungen weiterer Kommissariate kommen könnte, wie es schon bei früheren Sparrunden geplant war. Der CDU-Innenexperte Kai Voet Van Vormizeele wies diese Befürchtungen zurück (die WELT berichtete). Das ruft die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) auf den Plan. Die Botschaft, dass der Innensenator sich gegen Sparmaßnahmen ausspreche, sei bei seinem Parteikollegen offenbar nicht angekommen, kritisiert Joachim Lenders, Vorsitzender der DPolG. Van Vormizeele habe sich selbst disqualifiziert, meint Lenders mit Blick auf die Aussage des CDU-Innenpolitikers, die SPD habe verpasst, nachzuweisen, dass sie in der Innenpolitik eine ernst zu nehmende Größe sei. Lenders zitiert Van Vormizeele: „Statt in dem notwendigen Sparprozess eigene Akzente zu setzen, listet sie auf, was sie nicht machen möchte.“ Dazu meint der Gewerkschafter, der ebenfalls der CDU angehört: „Es ist absurd und nicht mehr nachvollziehbar, wenn Herr van Vormizeele glaubt, dass man in der Inneren Sicherheit eigene Sparakzente setzen muss, um eine ernst zu nehmende Größe in der Innenpolitik darzustellen.“

Schanzenfest – Chaoten verbreiten Randale-Aufruf

Was kommt da bloß auf uns zu?

Chaoten aus ganz Deutschland wollen am Sonnabend beim Schanzenfest Randale anzetteln. Erstmals verteilen sie dafür auf Straßen und in Szene-Kneipen einen selbst entworfenen Stadtplan für Krawallaktionen. Die Polizei ist in Alarmbereitschaft, hat das ganze Viertel zum Gefahrengebiet erklärt!

BILD liegt die DIN-A4-große Krawall-Karte vor. „Bambule-Fans, welcome in Hamburg Schanzenviertel“, heißt es darauf. Fein säuberlich sind Banken, Supermärkte und Drogerien aufgeführt. Unter „Sonstiges“ stehen 17 weitere Adressen (u. a. Architekturbüro, Sexversand, Justizgebäude, Hotel).

Aufgeführt sind auch Standorte von Überwachungskameras. Das Polizeikommissariat 16 (Lerchenstraße) ist als besonderer Favorit gekennzeichnet. Es war bereits bei vergangenen Schanzenfesten angegriffen worden.

Joachim Lenders (48), Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG): „Wir rechnen mit den ritualisierten Gewaltexzessen von Linksautonomen, aber auch anreisenden Krawalltouristen.“

Die Polizei zieht 3000 Beamte aus ganz Deutschland zusammen. Von Sonnabend (18 Uhr) bis Sonntag (8 Uhr) gilt das Schanzenviertel als Gefahrengebiet. Dadurch sind jederzeit Personenkontrollen erlaubt. 20 polizeibekannte Chaoten erhielten bereits Aufenthaltsverbote, bei 42 Krawallmachern machten die Beamten Hausbesuche („Gefährderansprache“).

Acht Szene-Kneipen am Schulterblatt schließen am Sonnabend. In ihrer Stellungnahme heißt es: „Wir möchten mit unserer Aktion insbesondere allen Gaffern des Krawallspektakels die Plattform entziehen.“

Einen vorgeschriebenen offiziellen Veranstalter für das Schanzenfest wird es auch in diesem Jahr nicht geben. Klausmartin Kretschmer (52), Eigentümer des Autonomen-Zentrums „Rote Flora“, hatte Bereitschaft signalisiert.

Er erklärte jetzt seinen Rückzug. Kein Versicherer war zum Abschluss einer Veranstalter-Haftpflicht-Police bereit.

CDU-Zoff: Wie viel muss Polizei sparen?

Die Messer werden gewetzt. Das Mega-Sparprogramm des Senats sorgt bereits im Vorfeld für parteiinternen Zoff in der CDU. Denn auch im sensiblen Bereich der Innenbehörde soll ordentlich der Rotstift angesetzt werden. Zwischen 26 und 30 Millionen Euro müssen dort zusammengestrichen werden. Das sorgte jetzt für einen offenen Schlagabtausch zwischen dem Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft Joachim Lenders (CDU) und dem innenpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion, Kai Voet van Vormizeele.

Der nämlich hatte davon gesprochen, es dürfe im Zuge des Sparhammers keine Denkverbote geben. Eine Kampfansage für Lenders.

„Dass sich ausgerechnet der innenpolitische Sprecher meiner Partei zum obersten Sparkommissar aufschwingt und alles kaputt sparen will, ist verantwortungslos.“ Er jedenfalls lehne jegliches Sparprogramm im Bereich innere Sicherheit ab und bekomme Bauchschmerzen, wenn er hörte, dass selbst bei der kriminalpolizeilichen Beratung und den Verkehrslehrern für Kinder gespart werden soll.

Vormizeele indes fühlt sich missverstanden. Tatsache sei, dass die Verwaltung inzwischen eine lange Liste mit Sparmaßnahmen vorgelegt habe. Die werde nun diskutiert. Und: „Einige Punkte halten meine Fraktion und ich für bedenklich.“ Mit einen Seitenhieb auf seinen Parteifreund Lenders meint er allerdings: „Dass der gesamte Bereich der Innenbehörde keinen Sparbeitrag leistet, ist, gelinde gesagt, naiv.“

Deutlich wird: Die Nerven liegen blank. Der Senat muss jährlich 560 Millionen Euro einsparen. Ende September beginnt die Sparklausur. Dort sollen die Vorschläge diskutiert werden.

Für Vormizeele geht es allerdings nicht nur ums Sparen. „Uns stellt sich auch die Frage, wie Einnahmen generiert werden können.“ So vertrete er die Ansicht, dass Veranstalter eine Kostenbeteiligung für die Sicherheitsleistungen bei Großveranstaltungen liefern müssen. Auch ein Personalabbau innerhalb der Verwaltung müsse diskutiert werden. „Wir suchen nach sinnvollen Sparbeiträgen, die die Sicherheit der Bürger im Auge behalten.“

Gruppe von 20 Menschen greift Polizeibeamte an

Fingierter Notruf Streifenwagen-Besatzung kann gerade noch Verstärkung rufen

Für Polizeioberkommissarin C. (36) und ihren Kollegen Polizeikommissar Z. (32) sah es zunächst nach einem Routineeinsatz aus, als sie Donnerstagabend zum Übergangswohnheim am Curslacker Neuer Deich 78-80 gerufen wurden. Doch was die beiden Beamten dort erlebten, wird sie im Rückblick wohl noch einige Tage beschäftigen: Massiv wurden die Polizisten dort bedrängt.

In der Anlage, die von der sozialen Dienstleistungsgesellschaft „fördern und wohnen“ betreut wird, hatte an jenem Abend einer der 480 Bewohner – Menschen, die aus verschiedenen Gründen wohnungslos sind – ohne Anlass einen Notrufmelder betätigt. Eine Straftat. Um 19.30 Uhr hält der Streifenwagen vor dem Gebäude. Die Beamten nehmen Personalien auf, kehren zum Streifenwagen zurück. Dort stellen sie geschockt fest, dass der vordere rechte Reifen zerstochen ist. Doch damit nicht genug: Plötzlich umringt eine Gruppe von etwa 20 Menschen die beiden Beamten, bepöbelt und bedrängt sie. Ein junger Mann wird handgreiflich, weil er sich ausweisen soll. Als die Beamten ihn vorläufig festnehmen, eskaliert die Situation. Eine junge Frau versucht, den Mann zu befreien, die Polizisten zur Seite zu drängen.

Die Ordnungshüter schaffen es, Verstärkung zu rufen: Fünf Streifenwagen sind binnen Minuten am Einsatzort. Der Mann und die Frau, die beide aus Billstedt stammen, werden mit auf die Wache genommen.

Schlimmeres konnte verhindert werden – doch nicht nur die Polizisten sind geschockt. „Wir müssen die Situation analysieren. Diese Attacke hat auch uns erschreckt“, sagt Christiane Schröder (46) von „fördern und wohnen“. Kommende Woche soll es nun Gespräche mit der Polizei geben.

„Einen solchen Angriff auf Polizeibeamte, von so vielen Personen, habe ich während meiner Dienstzeit in Bergedorf noch nicht erlebt“, sagt Polizeidirektor Bernd Krösser (46). Offensichtlich wachse der Kreis der Menschen, die keinen Respekt vor der Arbeit der Polizei haben.

Für Freddi Lohse, stellvertretender Landesvorsitzender der Polizeigewerkschaft, ist Gewalt gegen Polizisten schon lange trauriger Alltag. „Der Werteverfall in der Gesellschaft, wegbrechende Hemmschwellen, Gewalt leider auch gegen Polizisten: Es wird von Jahr zu Jahr schlimmer“, sagt der 50-Jährige.

Längst nicht die einzige Belastung für Polizisten: Hinzu kämen Personalmangel und ständige Einsparungen. Gerade in Bergdorf sei die Situation höchst problematisch. „Manchmal finden die Beamten im Polizeikommissariat 43 zum Schichtwechsel 40 Einsatzbefehle vor, die sie abzuarbeiten haben. Präventive Streifenfahrten, um Präsenz zu zeigen, finden kaum noch statt“, sagt Lohse.

Dadurch werde auch das Problem der Gewalt gegen Polizisten geschürt: „Wenn im Stadtbild kaum noch Polizisten wahrgenommen werden, muss man sich nicht wundern dass dann einige schräge Gestalten Morgenluft wittern“, sagt er. Und jetzt sollen in Hamburg im Rahmen der Haushaltskonsolidierung weitere 22,5 Millionen Euro bei der Polizeiarbeit eingespart werden. „Das wären dann 400 Polizeibeamte weniger in Hamburg. Das ist Irrsinn“, sagt Freddi Lohse. Schon jetzt schieben die Ordnungshüter einen riesigen Überstundenberg vor sich her. Für ihren Einsatz werden sie bisweilen sogar auf der Straße bespuckt.

Scharfe interne Kritik an Polizeipräsident Jantosch

Anonymer Brief von Beamten sorgt für Unruhe in den Behörden – Deutsche Polizeigewerkschaft wittert Kampagne gegen Ahlhaus

 Eine harsche, anonym gehaltene Kritik an Hamburgs Polizeiführung sorgt in den Sicherheitsbehörden für große Unruhe. In einem Brief werfen ungenannte Polizeiführer dem Polizeipräsidenten Werner Jantosch „diktatorischen Führungsstil“ und „Selbstherrlichkeit“ vor. Leitende Polizeiführer wie Peter Born werden als Fehlbesetzungen eingestuft. Die Reaktion ist gespalten und folgt den Parteilinien.

 „Dass die Stimmung innerhalb der Polizei Hamburg angespannt ist, ist seit Längerem bekannt. Die Gewerkschaft der Polizei Hamburg (GdP) hat in den vergangenen Jahren mehrfach darauf hingewiesen“, heißt es seitens der GdP. Die massiven Vorwürfe gegen den Polizeipräsidenten bedürften dringend der Aufklärung. „Dies ist man allen Kollegen der Hamburger Polizei schuldig“, so deren Landesvorsitzender Uwe Koßel. Die der Gewerkschaft nahestehende SPD schlägt in dieselbe Kerbe: „Wir erwarten vom Innensenator eine umgehende und lückenlose Aufklärung. Anstatt seine ganze Energie auf seine Bürgermeisterkandidatur zu verwenden, ist Herr Ahlhaus gefragt, jetzt an der richtigen Stelle anzupacken“, so der Innenexperte Andreas Dressel. Auch die SPD würden viele kritische Stimmen aus der Polizei erreichen. Dressel: „Die Führungsrunden gleichen demnach Befehlsausgaben, anstelle von Kooperation gebe es lediglich Ansagen aus dem Küchenkabinett des Polizeipräsidenten.“ Der Innensenator bürde den Beamten auf der Straße durch Einsparungen und Personalwegfall immer größere Belastungen auf, so der SPD-Politiker. Gleichzeitig würden Polizeiführung und Behördenleitung in Projekte investieren, die nicht der Einsatzkraft der Polizei dienen, sondern lediglich dem Prestige der Hauptakteure in Innenbehörde und Polizeipräsidium. Gemeint sind damit die Reiterstaffel, deren Kosten verschleiert werden würden, und ein lange geplantes Polizeimuseum, in dem die Exponate der ehemals rein internen Sammlung öffentlich gezeigt werden sollen.

 Ganz anders ist die Sichtweise der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). „Diese anonyme Kritik ist unter aller Kanone“, sagt deren Landesvorsitzender Joachim Lenders – ein CDU-Mitglied. „Als ob wir angesichts der anstehenden Sparmaßnahmen von über 20 Millionen Euro nichts Besseres zu tun hätten. Da gibt es Dinge, die mir weitaus größere Sorgen bereiten.“ Kritik an den Führungsqualitäten von Polizeiführer Born im Zusammenhang mit dem Einsatz am 1. Mai 2008 hält Lenders für haltlos. „Es war ein schwieriger Einsatz, bei dem der Polizeiführer Born die Stadt vor Schlimmeren bewahrt hat. Da gab es andere Einsätze, bei denen eher Kritik gerechtfertigt gewesen wäre.“ Lenders schließt nicht aus, dass der Brandbrief eher Innensenator Christoph Ahlhaus vor seiner Wahl zum Bürgermeister schaden soll.

 Ahlhaus selbst will sich nicht äußern. „Senator Ahlhaus gehört seit Jahren zur Führung der Innenbehörde. Er darf sich nicht wegducken. Er muss klar sagen, ob er über die Kritik an der Führungskultur innerhalb der Polizei informiert war und was er gegebenenfalls getan hat“, fordert Dressel. Zumindest einer der Sprecher des Innensenators, Ralf Kunz, findet Worte. „Wer konstruktiv Kritik übt, findet bei der Hamburger Polizei immer ein offenes Ohr. Wem etwas nicht passt, der muss sich aber auch offen und ehrlich äußern. Das ist für eine zivilisierte Auseinandersetzung selbstverständlich“, sagt Kunz. „Wer sich in die Anonymität flüchtet und seine offenbar rein parteipolitische Klageschrift verbreitet, kann nicht erwarten, dass sich Polizei und Innenbehörde mit ihm auseinandersetzen.“

 Auch die Polizeiführung will nicht direkt auf die Vorwürfe eingehen. „Generell haben die Mitarbeiter innerhalb der Polizei die Möglichkeit, sich frei zu äußern“, sagt Polizeisprecher Mirko Streiber. „Dazu gibt es innerhalb der Polizei oder über Interessenverbände wie Gewerkschaften verschiedene Möglichkeiten. Die jetzt gewählte Form lässt keinen Dialog zu.“

Kollegen stellen Polizei-Chef an den Pranger

Alsterdorf – Dicke Luft im Polizeipräsidium. Angeblich ranghohe Beamten schickten einen Brandbrief an die „Mopo“, übten scharfe Kritik am Polizeipräsidenten. Werner Jantosch (59) führe wie ein Diktator.

Probleme und Missstände in der Polizei würden totgeschwiegen. So sei u. a. nach den schweren Krawallen zum 1. Mai 2008 keine Aufarbeitung der Fehler und Pannen im Einsatz erfolgt. Wer trotzdem Kritik äußere, müsse Versetzung fürchten. Auch würden Gerichte immer wieder größere Projekte wie Bereiche der Videoüberwachung oder das automatische Kennzeichenlesegerät stoppen, da sie verfassungswidrig seien.

Kritik auch an der geplanten Reiterstaffel. Die Kosten würden „schöngerechnet.“ Statt 200 000 Euro würde sie mit Personal rund eine halbe Million mehr verschlingen.

Was ist dran an den Vorwürfen?

Polizeipräsident Werner Jantosch lehnt jede Stellungnahme ab.

Ralf Kunz, Sprecher der Innenbehörde: „Wer sich in die Anonymität flüchtet und über die Medien seien offenbar rein parteipolitische Klageschrift verbreitet, kann nicht erwarten, dass sich Polizei und Innenbehörde mit ihm auseinandersetzen.“ Uwe Koßel, Gewerkschaft der Polizei (GdP): „Dass die Stimmung innerhalb der Polizei angespannt ist, ist seit Längerem bekannt.“ Joachim Lenders, Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG), sieht ganz andere Probleme. Es drohen Einsparungen von bis zu 22 Millionen Euro. Folgen Können Schließungen von Wachen, Streichungen bei Stadtteilpolzisten und Verkehrslehrern sein. „Im Brandbrief steht davon kein Wort. Es geht hier offenbar nur um einen Machtkampf in der Polizeiführung“, sagt Lenders.

Polizei-Chef Werner Jantosch schlägt zurück

In einem Brandbrief kritisierten Top-Beamte seine Führung. Polizei-Chef Werner Jantosch (59) reagiert jetzt mit einer internen Rundmail. Die Botschaft: Wer meckert, ist ein Nestbeschmutzer.

Funkstille im Polizeipräsidium. Kein Wort an die Öffentlichkeit von Polizeipräsident Werner Jantosch zu den schweren Vorwürfen einer Gruppe seiner eigenen Führungsbeamten, er würde einen diktatorischen Führungsstil pflegen. Doch intern schickte der umstrittene Polizeichef eine Rundmail an alle Polizisten, griff darin die Kritiker massiv an und warf ihnen vor, „der Polizei enorm zu schaden“.

Werner Jantosch schrieb: „Ich bedaure es sehr, dass ein solches diffamierendes Bild der Polizei Hamburg in die Öffentlichkeit getragen wurde. Wer so vorgeht, schadet dem Ansehen der Polizei enorm.“

Die Kritiker aus den eigenen Reihen hatten Jantosch vorgeworfen sich nur mit Ja-Sagern zu umgeben und Widerworte gegen seine Auffassungen teilweise mit Strafversetzungen zu ahnden. In dieses streng hierarchische System von Befehl und Gehorsam sind auch seine engsten Führungsmitarbeiter, die leitenden Polizeidirektoren Kuno Lehmann und Peter Born, eingebunden.

Jantosch an die Adresse der Kritiker: „Wer aus Angst vor persönlichen Nachteilen Kritik nicht offen – stattdessen anonym – äußert und sich nicht an den richtigen Adressaten – stattdessen an die Medien – wendet, handelt nicht verantwortungsvoll und kann nicht von tatsächlicher Besorgnis motiviert sein. Dann würde das offene Gespräch, der Dialog, gesucht werden.“

Doch so manchem Führungsbeamten, der das „offene Gespräch“ mit Jantosch suchte, ist das nicht gut bekommen. Interne Gesprächsrunden, der so genannte Führungsdialog, werden von Kritikern auch Führungsmonolog oder „Jantoschs Märchenstunde“ genannt. Ein Leiter eines Polizeikommissariats, der Widerworte gab, fand sich später im Führungs- und Lagedienst wieder. Das ist ein Job, den junge Polizeiräte meist als erste Verwendung nach der Ausbildung bekommen. Also eine klare Herabstufung.

In einem weiteren Fall hatte sich ein Polizeiführer mutig vor seine Untergebenen gestellt. Als er sich nicht entschuldigen wollte, fand er sich auf einem extrem unbeliebten Dienstposten wieder.

Doch wer es sich richtig mit der Polizeiführung verscherzt, muss sogar damit rechnen, unsanfte Begegnung mit dem Mobilen Einsatzkommando (MEK) zu machen. So bestellte Polizeidirektor Kuno Lehmann den Streifenpolizisten Kamiar M. unter einem Vorwand in sein Büro. Dort wartete das MEK und brachte den unbewaffneten Beamten mit gezogenen Revolvern zu Boden. Dem Schutzmann war ein Sexualdelikt vorgeworfen worden. Er wurde vor Gericht freigesprochen.

Auf eine Entschuldigung wartet der Polizist bis heute. Werner Jantosch hat in einem Interview einmal gesagt, dass er gern aus Fehlern lernt. Viele seiner Untergebenen können das eher nicht bestätigen.

Reaktionen

Riesenwirbel nach dem MOPO-Bericht über die Kritik von Polizeiführern an Polizeipräsident Werner Jantosch. Hier die wichtigsten Stimmen aus Politik und Polizeigewerkschaften:

SPD-Innenexperte Andreas Dressel: „Auch uns erreichen viele kritische Stimmen aus der Polizei. Die Führungsrunden gleichen Befehlsausgaben. Eine moderne Großstadtpolizei wie die Hamburger kann man nicht mit Methoden aus den späten 50er Jahren des letzten Jahrhunderts führen.“

Christiane Schneider, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion: „Man kann den Schritt führender Polizeibeamten gar nicht hoch genug bewerten. Sie legen den Finger in die Wunde. Es gibt innerhalb der Polizei ein Demokratiedefizit, das sich seit Schill gefährlich zugespitzt hat. Ich hoffe, dass der Brief eine öffentliche Diskussion in Gang setzt.“

Antje Möller, Vizefraktionschefin der GAL und Innenexpertin: „Hierarchische Strukturen und interne Abschottung sind immer wieder im Fokus grüner Kritik gewesen. Anonyme Vorwürfe tragen nicht zur Verbesserung der Situation bei und sind deshalb nur schwer zu kommentieren.“

Uwe Koßel von der Gewerkschaft der Polizei (GdP): „ Die massiven Vorwürfe gegen den Polizeipräsidenten bedürfen dringend der lückenlosen Aufklärung. Das werwarten wir vom Innensenator.“

Joachim Lenders von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG): „ Wir teilen einige der Kritikpunkte. Aber ich gehe davon aus, dass die Verfasser aus Verärgerung darüber gehandelt haben, bei Beförderungen übergangen worden zu sein.“

Innenbehörden-Sprecher Ralf Kunz: „Wer konstruktive Kritik übt, findet bei der Hamburger Polizei immer ein offenes Ohr. Wem etwas nicht passt, der muss sich aber auch offen und ehrlich äußern.

Im September droht Hamburg ein Wochenende der Gewalt

Schanzenfest für den 4. September geplant – Polizei warnt vor Komplikationen durch zeitgleiches Alstervergnügen

Es droht für die Polizei das heißeste Wochenende des Jahres zu werden: Wenn am 4. September gleichzeitig das Schanzenfest und das Alstervergnügen stattfinden sollen, werden weit mehr Polizeibeamte benötigt, als Hamburg bereitstellen kann. Davon ist die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) überzeugt.

Dabei zeigt sich wenige Wochen vor dem Schanzenfest, dass Senat und Bezirk offenbar bisher nicht in der Lage sind, eine gemeinsame Linie im Umgang mit dem Fest zu finden. Bisher hatte der Bezirk das Fest, bei dem es tagsüber einen Flohmarkt und Musikkonzerte gibt, stets geduldet – obwohl es niemals offiziell angemeldet wurde. Weil es regelmäßig am Abend nach dem Fest zu gewalttätigen Ausschreitungen kam, will Altonas Bezirksamtsleiter Jürgen Warmke-Rose (parteilos) das Fest in diesem Jahr von Beginn an unterbinden. In den vergangenen Jahren fand sich kein offizieller Anmelder für das Fest mehr. Ob ein Verbot des inoffiziellen Festes zu einer Beruhigung oder gerade erst zur Eskalation führen wird, mögen die Sicherheitsbehörden noch nicht abschätzen. Noch-Innensenator und Bürgermeisterkandidat Christoph Ahlhaus (CDU) hat sich bisher nicht festgelegt.

Für den kommenden Innensenator werde der 4. September die erste Bewährungsprobe, sagt Freddi Lohse, DPolG-Vizelandeschef. Der Polizeiführung ist die Brisanz der Lage klar. Vor wenigen Tagen wurden sämtliche Dienststellen informiert und aufgefordert, sich darauf einzustellen. Das heißt, dass am ersten Septemberwochenende alle verfügbaren Kräfte im Einsatz sein sollen. „Wir müssen davon ausgehen, dass zur Bewältigung beider Veranstaltungen Tausende Polizisten eingesetzt werden müssen“, sagt Lohse. Allein aus anderen Bundesländern, so seine Einschätzung, müssten 1200 zusätzliche Beamte, mindestens neun Hundertschaften, angefordert werden. „Das ist wirklich nötig“, sagt Lohse. „Wir müssen angesichts des Alstervergnügens davon ausgehen, dass nach dessen Ende es von dort auch Zulauf Richtung Schanze geben wird.“ Damit drohe nach seiner Einschätzung eine völlig „neue Dimension“ der Krawalle. „Bei den gegenwärtigen Planungen ist davon auszugehen, dass Personal an allen Ecken und Enden fehlen wird“, sagt Lohse. Sorge bereitet vor allem das Schanzenfest, das in diesem Jahr nicht in der bisherigen Form genehmigt werden soll. Wird es dennoch geduldet, müssen zwei Großveranstaltungen polizeilich begleitet werden.

Wird das Schanzenfest verboten, ist nach Ansicht der Polizei nicht nur mit Krawall im Viertel, sondern auch im Umfeld zu rechnen. Krawall werde es, wie schon bei vorangegangenen Schanzenfesten, auch geben, wenn es dieses Jahr erneut geduldet werden sollte. Dann könnten Randalierer sogar versuchen, die Gäste des Alstervergnügens als „Schutzschild“ zu missbrauchen. „Wir werden so oder so wohl wieder eine heiße Nacht dort erleben“, sagt ein Polizist. Die Polizei müsse angesichts der Situation auf das Konzept „Deeskalation durch Stärke“ setzen. „Das funktioniert aber nur, wenn genug Polizei auf der Straße ist“, sagt Lohse. Innerhalb der schwarz-grünen Koalition ist diese Demonstration der Stärke allerdings nicht unumstritten, gerade die GAL drängt auf moderaten Umgang mit der Polizeipräsenz. Das eigentliche Schanzenfest verlief in den Vorjahren tagsüber als friedliche Veranstaltung ab, die Krawalle begannen erst im Anschluss daran in der Nacht.

Die Innenbehörde blickt der Lage gelassener entgegen: „Für eine abschließende Lagebewertung des Septemberwochenendes ist es noch sehr früh. Wie einsatzintensiv Alstervergnügen und Schanzenfest sein werden, lässt sich überhaupt noch nicht prognostizieren“, sagt Thomas Butter, Sprecher der Innenbehörde. „Die Polizei ist natürlich in der Lage, auch mehrere Großereignisse an einem Tag zu bewältigen.“